Kennen Sie das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ von Hans Christian Andersen? Darin fällt ein Kaiser auf ein paar gewitzte Betrüger herein. Diese versprechen ihm, prachtvolle neue Kleider anzufertigen, welche überdies noch eine Besonderheit auszeichne: Sie könnten von niemandem gesehen werden, der dumm oder seinem Amt nicht gewachsen sei. Ein neues geplantes Gesetz in Basel-Stadt weist Parallelen zu diesem Märchen auf.
Ein Kommentar von Ursula Baumgartner
Basel-Stadt weitet als erster Deutschschweizer Kanton sein Gleichstellungsgesetz aus, berichtet die Präsidentin der vorbereitenden Kommission, Barbara Heer. Künftig soll nun – neben der Gleichstellung von Mann und Frau – auch auf diejenige von „LGBTIQ+-Personen“ geachtet werden. Ja, mehr als das: Durch das Gesetz verpflichtet sich der Kanton sogar dazu, deren Gleichstellung voranzutreiben. Bevor das Parlament das Gesetz allerdings nicht angenommen hat, ist es nicht in Kraft.
Streit unter Feministinnen
Der jetzige Gesetzesentwurf ist bereits eine Folge von empörtem Widerspruch seitens einiger Feministinnen. In der ursprünglichen Version hatte man auf die Begriffe „Mann“ und „Frau“ zugunsten eines „inklusiven Geschlechterbegriffs“ verzichtet, der alles umfassen sollte, was sich selbst als Geschlecht definiert. SP-Politikerin Margrith von Felten, die selbst lange im Bereich Gleichstellung tätig war, hatte sich dagegen zur Wehr gesetzt. Es könne nicht angehen, dass man – zugunsten der queeren Community – „die strukturelle Ausgrenzung von Frauen völlig aus dem Blick“ verliere.
Im Gegensatz dazu jubelte SP-Grossrätin Melanie Nussbaumer, mit dem Gesetz würde endlich „anerkannt, dass es neben Frauen und Männern noch andere Geschlechter gibt“. Diese Aussage wird jedoch auch durch unzählige Wiederholungen nicht wahrer. Biologisch betrachtet gibt es genau zwei Geschlechter – Männer und Frauen. Dass innerhalb dieser Grenzen ein breites Spektrum an Neigungen, Temperamenten und Charakteren existiert, hat nie jemand geleugnet. Doch diese auf den Rang eines Geschlechts zu heben, ist schlichtweg unwissenschaftlich. Auch dass manche Menschen sich damit schwertun, ihren Körper, ihr Geschlecht anzunehmen, ist unleugbar. Doch auch diese inneren Kämpfe werden nicht dadurch gewonnen, dass man sie als eigenes Geschlecht definiert.
Der Kanton und der Kaiser
In oben zitiertem Märchen gelingt es zwei Betrügern, sowohl den Kaiser als auch seine engsten Berater und sodann das ganze Volk dazu zu bringen, die Schönheit von Kleidern zu loben und zu bewundern, die überhaupt nicht existieren – nur aus Furcht davor, für dumm zu gelten oder den Arbeitsplatz zu verlieren. Kann man dies nicht eins zu eins auf die heutige Situation übertragen? In vielen Arbeitsverträgen ist heute Intoleranz gegen LGBTIQ-Personen bereits als Kündigungsgrund vermerkt. Von Felten berichtet, dass viele junge Politiker mit dem ursprünglichen Basler Gesetzesentwurf zwar nicht einverstanden gewesen seien. Doch aus Furcht davor, „als transphob, als altmodisch oder biologistisch“ betitelt zu werden, hielten sie den Mund, beklagt von Felten.
„Das sind ja gar keine Geschlechter!“
Wie endet das Märchen? Der Kaiser hält eine Parade ab, bei der er seine „neuen Kleider“ präsentiert. Schliesslich will auch er nicht zeigen, dass er die Kleider nicht sehen kann – er könnte ja für dumm oder unfähig gehalten werden. Ein einziges Kind ruft während der Parade: „Der hat ja gar nichts an!“
Wäre das nicht nun auch unsere Aufgabe? Müssten wir in der Gesellschaft nicht wieder betonen: „Das sind ja gar keine Geschlechter!“ Egal, wie viele Menschen um uns herum mit dem „Vielfaltsstrom“ mitschwimmen und jedes noch so imaginäre Geschlecht gleich- und gleicherstellen wollen, egal, wie viele Menschen den „neuen Geschlechtern“ bei verschiedenen Paraden zujubeln – an der Wahrheit und wissenschaftlichen Tatsache ändert dies nichts.
Der Vater des Kindes im Märchen unterstützt seinen Ausruf übrigens – bis letzten Endes das ganze Volk einstimmt und selbst der Kaiser einsieht, dass er einem Betrug aufgesessen ist. Doch lässt er sich nichts anmerken und führt die Prozession zu Ende, begleitet von seinen Dienern, die ihm hinterherlaufen und seine nicht-existente Schleppe weitertragen.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich auch hier eine Parallele zu „des Kantons neuen Geschlechtern“ zeigen wird.