Al-Azhar in Kairo, das wichtigste theologisch-geistliche Zentrum des Weltislams, hat am vergangenen Wochenende seinen Dialog mit dem Vatikan abrupt abgebrochen. Zuvor hatte Benedikt XVI. wiederholt auf die jüngsten Gewaltakte gegen ägyptische Christen hingewiesen und deren Ende gefordert. Der Azhar betrachtet die Besorgtheit des Papstes als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Ägyptens und Beleidigung des Islams. Damit zeigen die Theologen des Azhar nur wieder einmal, dass der Islam den Dialog mit Andersgläubigen nicht als ein Aufeinander-zu-Gehen betrachtet, sondern diesen auch im Glaubensgespräch Unterwürfigkeit abverlangt. Diese harsche Reaktion auf die Anteilnahme am Los der in Ägypten verfolgten Christen wird auch vom Religionsminister und dem Parlament in Kairo sowie von der Arabischen Liga geteilt.
Der Dialog der katholischen Kirche mit dem Islam war am Azhar schon 1964 von keinem Geringeneren als dem Wiener Kardinal Franz König eingeleitet worden. Doch schon bei seinem zweiten Besuch in Kairo musste König 1975 feststellen, dass sich dort der Geist des seit dem späten 19. Jahrhunderts vorherrschenden „Reform“-Islams zu neuer Militanz gewandelt hatte. Seitdem hat sich der katholisch.islamische Dialog mehr dahingeschleppt als echte Fortschritte zu machen. Ein letzter Versuch wurde Anfang dieses Jahres von der Dialog-Kommission der Schweizerischen Katholischen Bischofskonferenz in der Islamischen Republik Iran gemacht: allerdings zum denkbar unpassenden Zeitpunkt der neuesten Christenverhaftungen in Teheran. Nach dem Affront aus Kairo dürfte die römische Dialogbeisterung mit dem Islam vorerst gedämpft bleiben.
Kurz vor der Dialog-Absage aus Al-Azhar hatte sich schon der ägyptische Religionsminister Mahmud Zagzug jede Kritik aus dem christlichen Ausland an der dramatischen Lage der Kopten verboten. Zagzug, der in München studiert hat, mit einer Deutschen verheiratet ist und die deutsche Sprache sehr gut beherrscht, stellt jede Verfolgung und Diskriminierung der Christen in Ägypten unter Abrede, obwohl sich dieses schon in der seit 1971 geltenden Verfassung auf islamistischen Boden gestellt hat. 2004 hatte er am Wiener Islam-Kongress den Widerspruch junger Christinnen und Christen herausgefordert, als er behauptete, in Ägypten könne jedermann frei seinen Glauben wählen und wechseln. Dass er es besser wusste, verriet Zagzug drei Jahre später, als er sich in Kairo hinter die Forderung nach der staatlichen Bestrafung des Abfalls vom Islam zum Christentum stellte und Verständnis für islamistische Selbstjustiz an solchen „Abtrünnigen“ signalisierte. Dennoch durfte er im November 2008 auf Einladung des Zürcher „Forum der Religionen“ im Rahmen von dessen „Woche der Religionen“ einen Festvortrag an der Uni Zürich halten.
Nachdem auch das ägyptische Parlament eine Resolution gegen die Papstkritik verabschiedet und Präsident Mubarak seine Botschafterin beim Heiligen Stuhl unter Protest abberufen hatte, stellte sich diese Woche auch die Dachorganisation „Arabische Liga“ gegen alle Bekundungen von gesamtchristlicher Solidarität mit den vom Islam bedrängten Orientchristen. Auf ihrer Sitzung im ägyptischen Seebad Scharm al-Scheich auf der Sinai-Halbinsel sprachen die Vertreter von 21 arabischen und islamischen Staaten von Marokko und Mauritanien bis Somalia und Oman ausländischen Regierungen und Organisationen jedes Recht ab, zugunsten von Christen zu intervenieren; gleich, ob es dabei um seit altersher bodenständige Minderheiten wie in Ägypten, Libanon und dem Irak oder um die besonders in Saudiarabien und anderen Golfstaaten in ihrer Religionsfreiheit fast völlig eingeschränkten christlichen Gastarbeiter aus Fernost, aber in geringerer Zahl auch aus Europa geht. In Scharm al-Scheich zeigt die islamische Welt, die sich bei uns gern tolerant gibt, ein ganz anderes Gesicht …
Von Heinz Gstrein