Es liest sich wie eine Scherzfrage: Was haben Pepsi und der Covid-Impfstoff von AstraZeneca gemeinsam? Die Antwort ist etwas kryptisch: die Verwendung von HEK-293 bei der Herstellung. Diese Abkürzung steht für „human embryonic kidney“ und bezeichnet eine Zelllinie, die aus der Niere eines menschlichen Embryos stammt.

Zelllinien dieser Art werden seit Jahrzehnten von Forscherteams zur Entwicklung und Testung von Medikamenten, Impfstoffen, Kosmetika und Lebensmitteln verwendet.[1] Von einer Zelllinie spricht man, wenn Zellen eines Typs, z.B. Leber-, Lungen- oder eben Nierenzellen, aus einem Organ oder einem Organismus gewonnen und unter künstlichen Bedingungen dazu gebracht werden, sich immer wieder zu teilen. Die Zellen, aus denen die Zelllinien entwickelt wurden, stammen häufig aus abgetriebenen Föten.[2]

„Um Himmels Willen!“ mag der eine oder andere nun ausrufen. „Schwimmen also Zellen von abgetriebenen Kindern in meiner Pepsi-Dose?“ Nein. Die Zellen werden den Stoffen nicht zugesetzt, im Fall von Pepsi testete man lediglich, wie sie auf Aromen reagieren.[3] Auch wer mit den Impfstoffen von AstraZeneca bzw. Johnson&Johnson geimpft ist, braucht sich keine Sorgen zu machen, die Impfdosen könnten Zellen eines Embryos oder Fötus enthalten.

Die Beteiligung von Zelllinien an der Entwicklung von Impfstoffen

Was also ist der Beitrag dieser Zelllinien zur Entwicklung von Impfstoffen? In ihnen wird ein Virus so vermehrt, dass er gleichzeitig abgeschwächt (=attenuiert) wird. Das somit harmlos gemachte Virus kann dann injiziert werden und im Geimpften wie gewünscht eine Immunreaktion auslösen.[4] Ähnlich wie bei Pepsi können die Zelllinien aber auch bei Impfstoffen nicht nur zur Herstellung, sondern auch in der Testphase verwendet werden. AstraZeneca und Johnson&Johnson machten sowohl bei der Herstellung als auch bei der Erprobung Gebrauch von Zelllinien (HEK-293, bzw. PER.c6, s.u.). Bezüglich der Impfstoffe von Pfizer und Moderna finden sich widersprüchliche Behauptungen.[5]

Vielfach werden auch bebrütete Hühnereier oder anderes Hühnergewebe, Insektenzellen oder Nierenzellen von Affen für die Vermehrung der Viren verwendet. Leonard Hayflick zufolge, der einer der Wegbereiter der Arbeit mit fetalen Zelllinien war, besteht jedoch die Gefahr, dass manche dieser Zellen bereits krebserregende Viren beinhalten, die die Forschungsergebnisse verfälschen. Da ein Fötus im Mutterleib vor den meisten Krankheitserregern geschützt ist, stellt er die „sauberste“ Quelle für Zellen dar.[6]

Damit ausgeschlossen werden kann, dass die verwendeten Föten Träger von Krebsgenen oder anderen genetischen Erkrankungen sind, legte Hayflick „Wert“ darauf, dass sie von einer „relativ gesunden Mutter“ stammen.[7] Nach der Abtreibung muss das Gewebe dann innerhalb von Minuten entnommen und präpariert werden, da es ansonsten verfallen würde. Häufig wird die Schwangerschaft durch einen Kaiserschnitt beendet und das Gewebe aus dem noch lebenden Körper entnommen. Auch die Zeit spielt eine grosse Rolle: Dr. Stanley Plotkin, ein berühmter Impfstoffforscher aus den USA, berichtet, dass nur gesunde und voll entwickelte Organe von Embryonen für die Forschung Verwendung fanden. Die Abtreibungen fanden demnach erst nach dem vollendeten dritten Monat statt.[8] Man kann hier also durchaus von selektiver Abtreibung sprechen.

Die abgetriebenen Föten

Zwei wichtige, heute noch verwendete Zelllinien gehen zurück auf zwei in den 1960er-Jahren abgetriebenen Föten: die Linie WI-38 stammt von Lungenzellen eines 1961 abgetriebenen, etwa 3 Monate alten weiblichen Fötus, die MRC-5-Linie ebenfalls von Lungenzellen eines 1966 in der 14. Woche abgetriebenen Jungen.[9] Weitere Linien sind etwas jüngeren Datums: PER.c6, stammend von einem 18 Wochen alten Fötus, der 1985 abgetrieben wurde[10] und die schon erwähnte Linie HEK-293, die aus dem Jahr 1973 stammt. Bei HEK-293 ist allerdings nicht gesichert, ob eine Abtreibung oder ein Spontanabort vorlag. [11] Da aber das Gewebe, wie gesagt, innerhalb kürzester Zeit entnommen werden muss, um dem eintretenden Verfall zuvorzukommen, scheint ein Spontanabort eher unwahrscheinlich. Auch sind häufig Krankheiten oder Chromosomenaberrationen die Ursache für Spontanaborte. Zudem kommt der Embryo oder Fötus hierbei in Kontakt mit Mikroorganismen. All dies macht die Zellen für die Verwendung von Zelllinien ungeeignet.[12]

Kann man nun angesichts einer weltweit grassierenden Krankheit wie Covid-19 einen neu entwickelten Impfstoff ablehnen oder skeptisch betrachten, weil für die Herstellung Zelllinien verwendet wurden, die bereits etwa 40 Jahre alt sind? Zwar macht sich jemand, der sich im Jahr 2021 einen der erwähnten Impfstoffe verabreichen lässt, nicht direkt mitschuldig an der Jahrzehnte zurückliegenden Tötung eines Ungeborenen. Dass aber hauptsächlich die oben erwähnten Zelllinien bis heute verwendet werden können, die ja jeweils nur auf einen Embryo zurückgehen, heisst nicht, dass nicht an zahlreichen anderen Embryonen geforscht wurde, bis eine Linie erfolgreich etabliert wurde. Dr. Plotkin gibt an, allein für die Entwicklung eines einzigen Impfstoffs an bis zu 76 Embryonen Forschung betrieben zu haben.[13]

Das Argument, dass nur wenige oder sogar nur ein Fötus notwendig war, um diese Linien hervorzubringen, ist also allein deswegen schon hinfällig. Zudem unterliegt jede Zelllinie dem sogenannten „Hayflick Limit“. Das bedeutet, dass sich die Zellen zwar sehr häufig, aber eben nicht unbegrenzt teilen können.[14] Ist diese Grenze erreicht, werden Nachfolgerlinien benötigt, um die Forschung fortsetzen zu können. Walvax-2 ist eine dieser neuen Zelllinien, die wohl im Jahr 2015 aus dem Lungengewebe eines drei Monate alten Fötus gewonnen wurde.[15]

Ethische Fragen

„Aber hätten die Mütter denn nicht ohnehin abgetrieben?“, mag man einwenden. „Ist es nicht besser, dass die Föten dann wenigstens noch einem guten Zweck dienen?“ Ja. Und nein. Es ist anzunehmen, dass die Mütter sich nicht wegen der Forschung für die Abtreibung entschieden haben. Man weiss sogar, dass der Fötus, aus dem WI-38 entwickelt wurde, abgetrieben werden sollte, weil seine Eltern der Meinung waren, schon zu viele Kinder zu haben, und dass die Mutter des Ungeborenen, der zu MRC-5 führte, aus psychologischen Gründen abtreiben wollte.[16] Die Abbrüche hätten also wohl nicht verhindert werden können, selbst wenn die Forschungsabsichten nicht bestanden hätten.

Wie wir jedoch oben gesehen haben und wie auch bei der Entwicklung von Walvax-2 erneut bestätigt wird, werden die Föten für die Zelllinien gezielt ausgewählt[17], eine gewisse Dauer der Schwangerschaft abgewartet und die Gewebe dann unter teils unmenschlichen Bedingungen gewonnen.[18] Selbst wenn also das Übel der Abtreibung nicht hätte verhindert werden können, muss davon ausgegangen werden, dass im Laufe der Entwicklung der Zelllinien weiteres Unrecht geschehen ist und immer noch geschieht.

Da die Forschung an den Zelllinien wie erwähnt nun bereits seit Jahrzehnten gängige Praxis ist, dürften viele Menschen schon Impfstoffe verabreicht bekommen haben, die unter Verwendung dieser Zelllinien hergestellt wurden, ohne es zu wissen. Aufklärungs- oder Kennzeichnungspflicht der Produkte besteht nicht.[19] Für viele der Impfstoffe gibt es entweder überhaupt keine ethisch einwandfreien Alternativen[20] – oder sie dürfen nicht in die EU eingeführt werden, wie im Fall der japanischen Impfstoffe gegen Hepatitis A und Röteln, die völlig ohne die Verwendung von Zelllinien auskommen. Die EU-Länder verfügen jedoch über eigene Impfstoffe vergleichbarer Wirksamkeit. Dass diese auf ethisch bedenklichem Weg hergestellt wurden, stellt offenbar keinen ausreichenden Grund für einen Antrag auf Import der anderen dar.[21]

Impfstoffe ohne abgetriebene Föten sind möglich

Impfstoffentwicklung auf ethisch unproblematische Weise ist dennoch möglich. Viele Firmen haben es bewiesen, derzeit z.B. die deutsche Firma Curevac mit ihrem kurz vor der Zulassung stehenden Corona-Impfstoff, bei dem wohl überhaupt keine Zelllinien aus abgetriebenen Föten Verwendung fanden.[22] Von den bisher zugelassenen Impfstoffen wurden, wie erwähnt, mindestens zwei – nämlich AstraZeneca und Johnson&Johnson – unter Verwendung der fetalen Zelllinien gewonnen, über die von Pfizer und Moderna kursieren unterschiedliche Aussagen.

Dieser Artikel soll nicht dazu dienen, Impfgegner aufzustacheln. Doch es muss in Anbetracht all dessen weiterhin möglich sein, frei wählen zu dürfen, ob man sich impfen lassen möchte oder nicht. Dazu ist es das gute Recht eines jeden, die Verwendung eines Impfstoffs verlangen zu dürfen, der über jeden ethischen Zweifel erhaben ist.

Die Autorin ist Biologin und wohnt in der Schweiz. 

Quellen:

https://aerzte-fuer-das-leben.de/pdftexte/leutner-impfstoffe-und-abtreibung-2019.pdf
https://aerzte-fuer-das-leben.de/wp-content/uploads/2021/03/corona-impfstoffe-ethische-sicht-24-03-21.pdf
https://www.chop.edu/news/news-views-why-were-fetal-cells-used-make-certain-vaccines
https://cogforlife.org/2015/09/09/new-aborted-fetal-cell-line-emerges-for-vaccine-production/
https://www.gmp-creativebiolabs.com/hek293-cell-lines_71.htm
https://www.gmp-creativebiolabs.com/per-c6-cell-lines_74.htm
https://www.historyofvaccines.org/content/articles/human-cell-strains-vaccine-development
https://www.imabe.org/imabeinfos/covid-19-impfstoffe-ethische-stellungnahme-zu-fragen-der-herstellung
https://lozierinstitute.org/what-you-need-to-know-about-the-covid-19-vaccine/
https://www.mimikama.at/aktuelles/pepsi-foetuszellen-geschmacksverstaerker/
https://mycatholicdoctor.com/our-services/vaccines/
https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/21645515.2015.1009811
https://www.thepublicdiscourse.com/2020/05/63752/
https://www.youtube.com/watch?v=4sscLGkmoh8
Dr. med. Hobiger, Eva-Maria: “Wie hängen Impfstoffe gegen Covid-19 mit Abtreibung zusammen?“ in: Mitteilungsblatt der Priesterbruderschaft St. Pius X., Distrikt Österreich, April 2021, S. 10-17
[1] vgl. https://www.gmp-creativebiolabs.com/per-c6-cell-lines_74.htm, https://www.gmp-creativebiolabs.com/hek293-cell-lines_71.htm
[2] vgl. https://www.historyofvaccines.org/content/articles/human-cell-strains-vaccine-development, https://www.chop.edu/news/news-views-why-were-fetal-cells-used-make-certain-vaccines
[3] vgl. https://www.mimikama.at/aktuelles/pepsi-foetuszellen-geschmacksverstaerker/
[4] vgl. https://www.historyofvaccines.org/content/articles/human-cell-strains-vaccine-development
[5] vgl. https://mycatholicdoctor.com/our-services/vaccines/, https://lozierinstitute.org/what-you-need-to-know-about-the-covid-19-vaccine/, https://aerzte-fuer-das-leben.de/wp-content/uploads/2021/03/corona-impfstoffe-ethische-sicht-24-03-21.pdf
[6] vgl. https://www.chop.edu/news/news-views-why-were-fetal-cells-used-make-certain-vaccines
[7] Ebd.
[8] vgl. Hobiger, https://www.youtube.com/watch?v=4sscLGkmoh8
[9] vgl. https://www.chop.edu/news/news-views-why-were-fetal-cells-used-make-certain-vaccines, https://www.historyofvaccines.org/content/articles/human-cell-strains-vaccine-development
[10] vgl. https://www.imabe.org/imabeinfos/covid-19-impfstoffe-ethische-stellungnahme-zu-fragen-der-herstellung
[11] vgl. https://aerzte-fuer-das-leben.de/pdftexte/leutner-impfstoffe-und-abtreibung-2019.pdf, https://www.imabe.org/imabeinfos/covid-19-impfstoffe-ethische-stellungnahme-zu-fragen-der-herstellung
[12] vgl. Hobiger
[13] vgl. Hobiger, https://www.youtube.com/watch?v=4sscLGkmoh8
[14] vgl. https://www.historyofvaccines.org/content/articles/human-cell-strains-vaccine-development, https://www.chop.edu/news/news-views-why-were-fetal-cells-used-make-certain-vaccines
[15] vgl. https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/21645515.2015.1009811
[16] vgl. https://aerzte-fuer-das-leben.de/pdftexte/leutner-impfstoffe-und-abtreibung-2019.pdf, https://www.chop.edu/news/news-views-why-were-fetal-cells-used-make-certain-vaccines
[17] vgl. https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/21645515.2015.1009811
[18] vgl.Hobiger
[19] vgl. https://aerzte-fuer-das-leben.de/pdftexte/leutner-impfstoffe-und-abtreibung-2019.pdf
[20] vgl. https://mycatholicdoctor.com/our-services/vaccines/
[21] vgl. https://aerzte-fuer-das-leben.de/pdftexte/leutner-impfstoffe-und-abtreibung-2019.pdf
[22] vgl. https://aerzte-fuer-das-leben.de/wp-content/uploads/2021/03/corona-impfstoffe-ethische-sicht-24-03-21.pdf