In einer eindringlichen Rede beim Berlin Global Dialogue 2024 hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ein düsteres Bild von der Zukunft der Europäischen Union gezeichnet. „Die EU könnte sterben, und wir stehen kurz vor einem sehr wichtigen Moment“, warnte er vor einem internationalen Publikum. Macron sprach offen über die Gefahr, dass die EU ihre Relevanz in einer zunehmend multipolaren Weltordnung verlieren könnte, wenn sie nicht dringende Reformen in Bereichen wie Wirtschaft, Migration, Klimawandel und Verteidigung umsetzt.
Macron machte klar, dass die EU in ihrer jetzigen Form nicht nachhaltig sei. Er hob die wirtschaftliche Schwäche Europas im Vergleich zu den USA und China hervor. „Bei diesen Schlüsselpunkten stehen wir sowohl hinter den USA als auch hinter China“, erklärte er. Er wies darauf hin, dass das Wachstum pro Kopf in den USA in den letzten 30 Jahren um 60 Prozent gestiegen sei, während es in der EU nur um 30 Prozent gewachsen sei. „Das ist nicht nachhaltig mit dem Sozialmodell, das wir haben“, betonte er.
Migration als zentrale Herausforderung
Macron thematisierte auch die Migration als einen der Schlüsselfaktoren für die Zukunft Europas. Er warnte davor, dass Europa die Kontrolle über seine Migrationspolitik zurückgewinnen müsse, um politisch stabil zu bleiben. „Die Migrationskrise ist eine der grössten Herausforderungen, die die Einheit und Stabilität der Europäischen Union bedroht“, sagte er. Macron betonte, dass die EU klare, gemeinsame Regeln für Migration brauche, um den Druck auf einzelne Länder zu reduzieren und soziale Spannungen zu vermeiden.
Er forderte einen solidarischen Ansatz unter den EU-Mitgliedsstaaten und eine bessere Kooperation bei der Kontrolle der Aussengrenzen. „Wir müssen sicherstellen, dass die Migrationspolitik nicht zu einem Faktor wird, der die EU auseinanderreisst“, warnte Macron. Er drängte auf eine gemeinsame Verantwortung der Mitgliedstaaten und deutete an, dass Länder, die sich der Zusammenarbeit verweigern, mit Konsequenzen rechnen müssten.
Kritik an den USA und China
Besonders kritisch äusserte sich Macron zu den USA und China, die sich seiner Meinung nach nicht an internationale Handelsregeln halten. „Vor 25 Jahren dachten wir, dass China, das der World Trade Organization (WTO) beitritt, die Regeln einhalten wird. Das ist nicht der Fall“, sagte Macron. Er wies darauf hin, dass die USA 2022 mit dem „Inflationsregulierungsgesetz“ bewusst gegen die WTO verstossen hätten und forderte Europa auf, sich gegen diese Ungleichbehandlung zu wehren. „Wenn die USA und China die Regeln nicht respektieren, sollten wir nicht die Einzigen sein, die sich daran halten“, sagte er und sprach sich für eine stärkere europäische Industriepolitik aus.
Europa braucht eine gemeinsame Industriepolitik
Macron plädierte dafür, dass Europa in strategischen Bereichen wie Verteidigung, digitale Technologien und kritische Rohstoffe enger zusammenarbeitet. „Wir müssen akzeptieren, dass wir Europameister und nicht 27 verschiedene nationale Champions haben“, sagte er. Nur durch eine koordinierte Industriepolitik könne die EU wettbewerbsfähig bleiben und in der globalen Wirtschaftsordnung bestehen. Dabei sprach er auch die mangelnde Investition in Schlüsselbereiche der Zukunft wie saubere Technologien und Künstliche Intelligenz.
Warnende Worte
Macrons Rede war ein Weckruf für Europa. Er warnte davor, dass die EU ohne grundlegende Reformen und eine stärkere wirtschaftliche und technologische Autonomie in Gefahr sei, an Bedeutung zu verlieren. „Wir müssen sehr effizient sein, wenn wir ein eindeutig wettbewerbsfähiges Europa haben wollen, das in der Lage ist, mehr Wachstum für die Zukunft zu liefern und sein Sozialmodell zu erhalten“, schloss Macron seine Rede.
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