Am 24. März 2021 hatten radikale Muslime im Norden des südostafrikanischen Mosambik das Städtchen Palma überfallen. Wer sich von den 75’000 Einwohnern nicht zum Meer und weiter mit Fischerbooten retten konnte, wurde erschossen, erstochen, enthauptet – Frauen und Kinder nicht ausgenommen. Ein Bild des Schreckens und grausames Beispiel für den radikalen Islam.
Von Heinz Gstrein, Orientalist
Als Regierungstruppen nach Ostern Palma zurückeroberten, bot sich ihnen ein Schreckensszenario der Zerstörung und des Todes, des alles durchdringenden Geruchs verwesender Leichen. „So stelle ich mir das Reich der bösen Dämonen vor: Mademonio“, sagt ein Offizier, der dem animistisch-christlichen Mischglauben der schwarzafrikanischen „Zions-Church“ angehört. Diese „Kirche“ bildet heute in Mosambik die grösste Religionsgemeinschaft mit einer Anhängerschaft von bald einem Viertel der an die 50 Millionen Einwohner umfassenden Bevölkerung. Dann kommen die Pfingst-Christen und erst nach ihnen die katholische Kirche, obwohl diese unter portugiesischer Kolonialherrschaft bis 1975 eine Art Missionierungsmonopol ausgeübt hatte.
Terrormiliz Schabab will sich Mosambik erkämpfen
Der „Küsten-Islam“ am Indischen Ozean, der von Händlern verbreitet wurde, sich dann aber auch „gottesstaatlich“ in den Sultanaten von Oman und Sansibar organsierte, wurde in der Neuzeit aus dem Herrschaftsbereich der Portugiesen wieder hinausgedrängt. Wenn heute ein ehemaliger Teil von Sansibar zu Mosambik gehört, ist das eine Folge des Ersten Weltkriegs. Die Portugiesen kämpften ab 1916 gegen Deutschland und dessen Kolonie Ostafrika. Sie wurden zwar geschlagen, erhielten dann aber im Frieden von Versailles ein Stück des einstigen islamischen Küstenreichs, das die Deutschen 1890 in Besitz genommen hatten. Genau dort, wo heute Palma liegt. Es war ein vergessener Winkel, bis in der Meeresbucht davon 2014 Erdgasvorkommen entdeckt und in den letzten Jahren ausgebeutet wurden. Das Milliarden-Projekt zog internationale Petro-Riesen, Zehntausende Arbeiter aus dem Süden von Mosambik und nun extreme Politmuslime von jenseits der tansanischen Grenze an. Bis an diese hatte sich die zunächst in Somalia entstandene Terrormiliz „Schabab“ herangekämpft.
Ibadismus: maximal tolerant und doch radikalisiert
Die Sultanate Sultanate Oman und Sansibar bekannten sich zum Ibadismus, der als „maximal toleranteste Richtung des Islam“ betrachtet wird. Das mag damit zusammenhängen, dass die Ibaditen die Lehre und Praxis des „Heiligen Krieges“ und den politischen Panislamismus ablehnen und als erste den Sklavenhandel abgeschafft haben. Doch auch sie blieben zuletzt nicht gegen radikalislamische, salafistische Unterwanderung und ihre Terrormanifestationen gefeit.
Im nach Landschaften und gesellschaftlich zerfallenen Somalia – es gehörte vor den Italienern und Briten zu Sansibar – wuchs zuletzt eine junge Generation heran, die nur Kampf und Gewalt kannte. Diese „Schabab“ (arabisch: Jugend) trugen ihren Schrecken bald nach Kenia und Uganda hinein, bis nach Tansania hinunter. Zuletzt fanden die Schabab auch in Mosambik einen ihnen vertrauten ibaditischen Boden: 2019 kamen sie zum ersten Mal aus Tansania herüber, letzten Sommer bis zur Stadt Mocímboa da Praia.
„Schwert des Islams“
Beim jetzigen Überfall auf die junge Erdgasregion von Palma glaubten die Schabab auf besondere Feinde des Islam zu stossen, schwarze „Zionisten“: Gläubige der „Zion Christian Church“. Sie lockte der jüngste Petro-Boom genauso in den Norden von Mosambik, wie ihre Vorfahren aus dessen Süden nach den Minen von Südafrika gezogen waren. Dort hatten sie eine Denomination kennengelernt, die traditionell afrikanischen Geisterglauben mit Elementen christlicher Lehre und pfingstkirchlich scheinendem Charisma verband.
Die Schabab brachten mit ihren Macheten nun in Palma insgesamt 2500 Menschen um, Gläubige der Zions-Church genauso wie Pfingstler und Katholiken. Es ist ein grausames Beispiel dafür, wie das „Schwert des Islams“ unterschiedslos alle bedroht, auch mithilfe ehemals friedfertiger Muslime, wie es in Afrika mit den nun radikalisierten Ibaditen der Fall war.