Die junge Generation hat deutlich weniger Sex als ihre Eltern und Grosseltern. Beliebigkeit und die Angst, etwas zu versäumen, erschweren bereits den Beginn von Beziehungen.
Von Dr. Martin Kugler, Gründer von kathTreff.org
Mehrere internationale Studien liessen zuletzt mit überraschenden Zahlen und Fakten aufhorchen. Sie bescheinigen der Generation unter 30 in als besonders „liberal“ geltenden Ländern eine wachsende Antriebslosigkeit in Sachen Sexualität und Anbahnung von Beziehungen. Das klassische Dating komme – so ein verbreiteter Trend – aus der Mode. Ein Artikel der US-Zeitschrift „The Atlantic“ präsentierte zum Jahresende unter dem Titel „Why Are Young People Having So Little Sex?“ mehrere Studien und nannte das neue Phänomen „The Sex Recession“ – „die Sexflaute“. Auch „Der Standard“ (10.2.) nahm sich des Themas an und stellte fest: „Australier, Briten, ja sogar die jungen Schweden haben, so „The Atlantic“, weniger Sex. In den Niederlanden ist das Durchschnittsalter für den ersten Sex von 17,1 Jahren 2012 auf 18,6 Jahren im Jahr 2017 angestiegen. Im Jahr 2015 hatten 43 Prozent aller japanischen Singles zwischen 18 und 34 noch keinen Sex.“
Beliebigkeit führt zu Ungewissheit und emotionaler Verwirrung
Die Gründe für diesen doch überraschenden Trend – puncto Sex war das Klima nie so liberal wie heute – sind offenbar vielfach: wachsende emotionale Verwirrung und Ungewissheit in Sachen Sex und Beziehungen; immer weniger Menschen wollen noch etwas in eine Beziehung investieren und fürchten zudem jede Art Verpflichtungen. Und dann treffen Soziologen häufig auf das „fobo-Phänomen“ („fear of a better option“) – auf die Angst, etwas zu versäumen. Dieses Phänomen führt bereits am Beginn des Kennenlernens zu Unverbindlichkeit und auch Unehrlichkeit. Wer sich ständig alle Optionen offenhalten will, kann ja nicht einmal in der ersten Dating-Phase des Kennenlernens authentisch zusagen.
In den 14 Jahren, in denen unsere Plattform kathTreff.org für ein „Gegenmodell“ steht, hat sich das Internet als anonymer Marktplatz für Kontakte rasant entwickelt, „losgelöst von moralischen oder gesellschaftlichen Einschränkungen“ und mit einem „schwindelerregende Ausmass an Erfahrungen von Zurückweisung, Verletzungen, Enttäuschungen und Erfahrungen des Ent- und Nichtliebens“, wie „Der Standard“ die israelische Soziologin Eva Illouz zitiert.
Von unerwarteter Seite wird also der „katholische“ Zugang zum Thema Dating und Beziehung bestätigt. Wir haben bei kathTreff von Anfang an auf ein klares christliches Profil gesetzt und nur das angeboten, wovon wir selbst überzeugt waren. Durch die Fokussierung auf die Suche nach einem Ehepartner wollten wir der sonst verbreiteten Unverbindlichkeit etwas Attraktives entgegensetzen. Optionen gibt es im Zeitalter des Online-Dating unzählige, aber bei uns sollten Singles an Bord kommen, die wissen, was sie wollen.
Krise herkömmlicher Formen des Kennenlernens? Wer darf wen auffordern?
Ein weiterer besorgniserregender Trend ist das „aus der Mode Kommen“ herkömmlicher Formen des Kennenlernens im wirklichen Leben. „Von jemandem in einer Bar angesprochen werden? Die Amerikaner nennen das: creepy, deutsch ‚gruselig‘ – und empfinden das allein schon als sexuelle Belästigung“, so der „Standard“. Und dürfen in unserem Zeitalter endlich auch Frauen Männer zu einem Date auffordern? Wir haben dazu unsere Mitglieder befragt und das Ergebnis ist durchwachsen.
Zwar gaben zwei Drittel der Frauen an, bereits einen Mann zu einem Treffen aufgefordert zu haben und etwa die Hälfte der Männer, schon von einer Frau zu einem Date eingeladen worden zu sein. Aber während die Männer ihre Treffen grösstenteils als ein positives Erlebnis (47% sehr angenehm, 28% angenehm) in Erinnerung haben, empfanden die Frauen ihre Dates grösstenteils als mittelmässig (42%), zu 13% als angenehm und nur zu 23% als sehr angenehm. „Einladungen für ein Date sind und bleiben Männersache, ist meine Meinung“ so eine Teilnehmerin zur Umfrage. Aber vielleicht wollte sie ja auch nur der lähmenden Beliebigkeitstendenz contra geben.
Hintergrundinformation
kathTreff.org wurde 2005 vom Wiener Ehepaar Martin und Gudrun Kugler gegründet. Die länderübergreifende Plattform ist dank der Idee, die deutschsprachigen Teilnehmer optional mit anderssprachigen „Schwesternseiten“ zu vernetzen, schrittweise expandiert und steht nun für neun Sprachfamilien im Netz: Wo gibt es kathTreff noch?
Dieser Artikel schien zuerst auf dem Nachrichtenportal www.kath.net.