Gleich zwei Initiativen für den Schutz von Mutter und Kind hat ein überparteiliches Komitee am 21. Dezember vorgestellt. Nachdem Bundesrat und Parlament nicht bereit waren, sich vertieft mit der Thematik auseinanderzusetzen, soll das Volk nun mitreden dürfen.
Seit Einführung der Fristenregelung im Jahr 2001 wurden in der Frage der gesetzlichen Regelung von Abtreibung keine Verbesserungen mehr vorgenommen. Weder der Bundesrat noch das Parlament waren bereit, auf Vorstösse, die zur Thematik eingereicht wurden, einzutreten. Im Frühjahr 2020 brachte Nationalrätin Yvette Estermann eine Motion mit dem Titel „Die Zahl der Spätabtreibungen in der Schweiz reduzieren“ ein. Der Bundesrat reagierte am 20. August 2020 mit der Antwort, er sehe „keine Notwendigkeit“, Massnahmen zu treffen. Ähnliches erlebte Nationalrätin Verena Herzog, als sie 2014 eine Motion einreichte, die unter anderem dringende Massnahmen zur Reduktion von Spätabtreibungen forderte. Der Bundesrat empfahl die Motion zur Ablehnung, und 2016 wurde sie vom Parlament ohne abschliessende Behandlung „ad acta“ gelegt. Dass Bern untätig blieb, führt nun dazu, dass ein überparteiliches Komitee dem Stimmvolk zwei wichtige Forderungen zur Stellungnahme vorlegt.
Volksinitiative „Einmal darüber schlafen“
Es ist eine Volksweisheit, dass über schwerwiegende Entscheidungen zumindest eine Nacht als Bedenkzeit verstreichen sollte. Andrea Geissbühler, Nationalrätin Kanton Bern und Co-Präsidentin des Komitees erklärt dazu: „Bei jedem wichtigen Entscheid im Leben macht es Sinn, einmal darüber zu schlafen. Hier erst recht.“ Tatsächlich widersprechen sich die Gesetzgebung und deren Anwendung im Beratungsalltag teilweise diametral. Das Gesetz schreibt vor, dass Ärzte der schwangeren Frau vor einer Abtreibung ein Verzeichnis aller bestehenden Beratungs- und Hilfsstellen aushändigen müssen (StGB Art. 120). Wird eine Viertelstunde nach Abgabe jedoch bereits die Abtreibung eingeleitet, erfüllt dieses Verzeichnis seinen Zweck nicht. Die Konsultation von Beratungs- und Hilfsstellen ist nur möglich, wenn zwischen dem ärztlichen Gespräch und der Abtreibung eine Bedenkzeit gewährleistet wird. Dass gerade bei der Abgabe der Abtreibungspille oft keine Bedenkfrist eingehalten wird, führt dazu, dass die durch das bestehende Gesetz vorgesehene Schutzwirkung verloren geht. Die Volksinitiative „einmal darüber schlafen“ will diesen Missstand nun korrigieren.
Wie das Initiativkomitee schreibt, kennen bereits 18 europäische Staaten, darunter Deutschland und Italien, eine Bedenkzeit. Diese beträgt in Deutschland drei und in Italien sogar sieben Tage. Sollte die Schweiz eine Bedenkzeit von einem Tag einführen, ist sie damit das Land mit der kürzesten Bedenkzeit in Europa. Die Volksinitiative will die Gesetzeslücke mit einer moderaten Regelung schliessen.
Volksinitiative „Lebensfähige Babys retten“
In der Schweiz werden jährlich bis zu 100 Babys zu einem Zeitpunkt abgetrieben, in dem sie ausserhalb des Mutterleibes atmen und somit eigenständig leben könnten. Die Volksinitiative will auf die schockierende Praxis dieser Spätabtreibungen aufmerksam machen, die in krassem Gegensatz zur ansonsten gängigen Praxis steht, Frühgeborene bereits ab der 22. Woche zu retten. Dass jährlich etwa 100 lebensfähige ungeborene Babys getötet werden, während viele Paare sehnsüchtig auf ein Adoptivkind warten, ist aus Sicht der Initiantinnen und Initianten unhaltbar. Die Initiative „Lebensfähige Babys retten“ fordert deshalb, dass zukünftig bei einem unabhängig vom Mutterleib überlebensfähigen Kind dieselben Kriterien Anwendung finden wie bei frühgeborenen Kindern. Ausserhalb des Mutterleibes lebensfähigen Kindern soll ein absolutes Recht auf Leben zugestanden werden, unabhängig davon, ob ein Baby gesund oder behindert ist. „Auch behinderte Babys haben ein Recht auf Leben“, erklärt Maria-Rita Marty, Kantonsrätin in Zürich und Co-Präsidentin des Initiativkomitees „Lebensfähige Babys retten.“
Unterschriftenbogen können unter www.einmal-darueber-schlafen-initiative.ch bestellt oder heruntergeladen werden.