Daniel Williams berichtete jahrelang als Journalist aus dem Nahen Osten. Als Menschenrechtsbeobachter für Human Rights Watch in Ägypten habe er erkannt, dass hinter Übergriffen auf Christen eine Ideologie stecke. Auf Einladung von Christian Solidarity International stellte Williams am 4. Mai 2016 in Zürich sein neues Buch zur Christenverfolgung im Nahen Osten vor.
„Christen im Nahen Osten werden ihrem Schicksal überlassen“, sagte Daniel Williams in Zürich. Er sprach auf Einladung von Christian Solidarity International (CSI) fünf Jahre nach dem „Arabischen Frühling“. CSI hatte bereits 2011 vor einem Genozid an den Christen und anderen religiösen Minderheiten im Nahen Osten gewarnt. Kürzlich bezeichnete das US-Aussenministerium die Verbrechen des Islamischen Staats (IS) gegen Jesiden, Christen und andere Gruppen offiziell als Genozid. Beinahe im selben Atemzug, so Williams, habe das Aussenministerium jedoch auch gesagt, nichts dagegen unternehmen zu wollen.

CHRISTENVERFOLGUNG NICHT AN KRIEG GEBUNDEN

Williams stellte am Anlass sein soeben erschienenes Buch vor – „Forsaken: The Persecution of Christians in Today’s Middle East“ –, in dem er die aktuelle Krise im Nahen Osten beleuchtet. Im vom Krieg zerrütteten Irak hätten die Christen schlicht keine Fürsprecher: „Sie werden verfolgt und aus ihrer Heimat vertrieben.“ Was Syrien angehe, sei es „schwierig, an eine Zukunft für Christen zu denken, egal, wie der Krieg endet“.

Dabei betonte Williams, vormals Nahostkorrespondent für die Washington Post und Los Angeles Times, dass diese Christenverfolgung nicht an einen Krieg gebunden sei: „Als die irakischen Christen aus Mosul flohen, flohen sie nicht vor dem Krieg.“ Sie blieben noch über einen Monat in Mosul, als die Stadt bereits vom Islamischen Staat beherrscht wurde. Sie seien erst geflohen, als sie mit Unterwerfung und Zwangskonversion zum Islam konfrontiert waren. Über Ägypten – das sich nicht in einem Krieg befindet – sagte Williams: „Die Christen sind einer Pöbelherrschaft ausgesetzt und erhalten von der Polizei keinen Schutz. Christen werden ungestraft getötet.“ Palästinensische Christen, so Williams, würden durch die Hamas-Regierung in Gaza verfolgt, wo sich ihre Einwohnerzahl in acht Jahren halbiert habe. Sie fühlten sich zunehmend isoliert durch die Islamisierung der palästinensischen Nationalbewegung im Westjordanland.

CHRISTENVERFOLGUNG IST PROGRAMM

Williams verwies auf seine langjährige Tätigkeit als Journalist und Menschenrechtsbeobachter für Human Rights Watch. „Ich sah

[in der Christenverfolgung im Nahen Osten] kein generell nahöstliches Problem, bis ich während des Arabischen Frühlings in Ägypten war. Hier ist eine Ideologie am Werk. Die Christenverfolgung wird von einer Idee angetrieben.“ Williams erläuterte, wie sich die Ideologie des radikalen Dschihad seit 1967 ausbreitete, basierend auf den puritanischen islamischen Strömungen des Salafismus und Wahhabismus. Diese Ideologie sehe Christen negativ und setze sie mit teils eingebildeten, teils historischen Feinden des sunnitischen Islams gleich – den Kreuzrittern etwa oder Regierungen, die von andersgläubigen Muslimen geführt würden. „Deshalb hält es beispielsweise die Al-Nusra-Front in Syrien für nötig, nicht nur Städte zu erobern, sondern nach deren Eroberung auch Kirchen abzubrennen und christliche Symbole zu zerstören“, sagte Williams.

Derzeit würden vor allem Christen attackiert, die Muslime seien jedoch die nächsten. Williams nannte viele Beispiele, in denen Muslime zum Ziel des dschihadistischen Terrors wurden – berühmte Schriftsteller und Gelehrte, Gleichberechtigung fordernde Frauen, oder einfache Iraker, die ihre christlichen Nachbarn beschützen wollten: „Die Ermordung von Christen durch den Islamischen Staat ist eine Botschaft an alle Muslime: ‘Wir können tun und lassen, was wir wollen’“.

DER WESTEN IST MITSCHULDIG UND MUSS HANDELN

Williams warf westlichen Führungspersonen vor, die Bedrohung der Christen zu ignorieren. So habe der frühere amerikanische Präsident George W. Bush die Warnung des Vatikans bezüglich der Konsequenzen des Irakkriegs für die Christen in den Wind geschlagen. Der jetzige Präsident Barak Obama versuche mit schönen Worten die Realität zu leugnen, dass Christen als Gruppe verfolgt würden. Diese Nachlässigkeit sei ungeheuerlich: „Der Westen ist mitverantwortlich für die verstärkte Verfolgung von Christen – er ist in den Irak einmarschiert und duldet Regierungen, die Menschenrechte verletzen.“

Williams forderte die westlichen Mächte dazu auf, bei ihrem Einsatz für Gleichberechtigung im Nahen Osten konsequent zu sein und die Hilfe für christliche Flüchtlinge in der Region zu erhöhen. Vor allem die zwei Millionen Christen aus Syrien müssten eine anständige Zuflucht in Syrien und in benachbarten Ländern finden: „Wie ist es möglich, dass in fünf Jahren weder Europa, noch die USA, noch irgendjemand im Nahen Osten angemessene Vorbereitungen traf oder einheitliche Hilfeleistungen für Flüchtlinge des Syrienkriegs erbrachte?“

Das Video zum Vortrag und Infos auf Englisch auf:

http://www.middle-east-minorities.com