Der kleine Felix ist ein paar Monate alt. Ein normales Baby, das schläft, lacht, seine Milch trinkt und mit grossen, strahlenden Augen in die Welt schaut. Doch dass er überhaupt auf der Welt ist, verdankt er der Stärke seiner Eltern. Sie entschieden sich für sein Leben, als Ärzte eine Abtreibung ins Spiel brachten – wegen einer Lippenspalte.

Von Ursula Baumgartner

„Möchten Sie die Schwangerschaft fortsetzen?“ Die Erinnerung an diese Frage ihrer Frauenärztin erschüttert Christina Widmann, Mitarbeiterin der Stiftung CitizenGO, auch Monate später noch. In der 20. Schwangerschaftswoche entdeckt die Gynäkologin bei einer Ultraschalluntersuchung eine Auffälligkeit im Gesicht des Kindes. Der Verdacht auf Lippen-Kiefer-Gaumenspalte tritt auf. Sicher ist sich die Ärztin allerdings nicht, ebenso wenig wie zwei hinzugerufene Kollegen.

Was ist eine „Hasenscharte“?

Eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte gehört zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen beim Menschen. Umgangssprachlich wird sie auch als „Hasenscharte“ bezeichnet. Bei Betroffenen entwickeln sich Teile der Mundpartie nicht normal. Das kann von einer Kerbe in der Lippe bis zu einem Spalt reichen, der auch Kiefer und Gaumen betrifft. Zahnfehlstellungen, Atembeschwerden, Sprechprobleme oder Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme können die Folge sein.

Dennoch ist eine solche Spalte meist chirurgisch gut zu behandeln, erklärt Robert Sader, Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Frankfurt. Er ergänzt: „Es gibt keinen Grund, an eine Abtreibung zu denken.“

Gynäkologe plädiert für „Willkommenskultur“

Christina Widmanns Ärztin jedoch dachte sehr wohl an Abtreibung. „Medizinische Indikation“ lautet der Grund, der in solchen Fällen angegeben wird. Gynäkologe Dr. Michael Kiworr weiss: „Wenn die Mutter angibt, es wäre für sie eine zu grosse Belastung, könnte sie abtreiben lassen.“ Dies gelte auch in Fällen, in denen „keine eigentliche Erkrankung des Kindes“ vorliege oder diese „sehr gut behandelt werden“ könne. Viele Schwangere fühlten sich zudem mit einer oft vagen Diagnose allein gelassen und zu wenig begleitet.

Auch Ärzte gerieten heute immer mehr unter Druck, denn wenn „die Schwangere nicht über alle Optionen umfangreich informiert wurde, ist der behandelnde Gynäkologe im Nachhinein juristisch angreifbar.“ Beispielsweise könnten Krankenkassen der Eltern den Versuch unternehmen, „die Kosten für die operative Korrektur von dem Gynäkologen einzutreiben“. Manche Eltern verklagten sogar den Frauenarzt, wenn er eine Behinderung beim Kind nicht vorgeburtlich erkannt habe.

Kiworr plädiert daher für eine „Willkommenskultur“ für Kinder mit Auffälligkeiten. Es brauche „ein gesellschaftliches Klima, in dem Menschen mit Erkrankungen und deren Eltern Unterstützung statt Ablehnung erfahren“.

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