Die Abtreibungsthematik triggert. Dass eine Handvoll Politikerinnen und Politiker es Ende 2021 wagten, mit den Initiativen „Einmal darüber schlafen“ und „Lebensfähige Babys retten“ die gängige Schweizer Abtreibungspraxis in Frage zu stellen, löste umgehend eine Welle der Empörung aus –nicht zuletzt durch Verbreitung von Fake News.
Ein Kommentar von Regula Lehmann
Die Abtreibungsfrage ist ganz offensichtlich ein Wespennest. Sticht man hinein, fliegt umgehend eine Schar erboster Wespenköniginnen auf, die meinen, ihr Selbstbestimmungsnest verteidigen zu müssen. Dass viele von ihnen – ebenso wie die Journalisten, welche die fehlerhaften Aussagen publizierten – nicht sauber gelesen oder recherchiert haben, zeigten die vielen Falschmeldungen zu den beiden kürzlich lancierten und oben erwähnten Initiativen.
Nebelspalter-Journalist Alex Reichmuth weist in seinem Artikel „Initiativen gegen Abtreibung – die Gegner verbreiten Fakenews“ vom 13. Januar 2022 auf verschiedene Fehlmeldungen hin. So ist beispielsweise die Behauptung, die Initiativen würden ein Abtreibungsverbot bei lebensbedrohlichen Umständen der Mutter fordern, schlicht und einfach nicht wahr. Laut Initiativtext ist ein Abbruch bei lebensbedrohlichen Umständen für die Mutter sogar explizit erlaubt. Richtiggestellt werden musste von NZZ, Watson und nau.ch auch die Behauptung, es handle sich um eine Initiative der SVP. Das Initiativkomitee setzt sich aus Männern und Frauen verschiedener Parteien zusammen und die SVP-Parteileitung hat bisher zu den Volksbegehren noch keine Stellung genommen.
Dass viele Medien die Fehlaussagen übernahmen, zeigt auf, wie weit das mediale Framing der Abtreibungsthematik von einer sachlichen Auseinandersetzung mit der Frage, wie in der Schweiz mit ungeborenen Kindern umgegangen wird, entfernt ist. Dass ein Tag Bedenkfrist bei manchen Politikern oder Journalisten bereits Widerstand weckt, könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie sich nicht damit auseinandersetzen, aus welchen, teilweise erschreckend belanglosen Gründen in der Schweiz auch nach der zwölften Schwangerschaftswoche noch abgetrieben wird. Mit dem Begriff der (sachlich nicht überprüfbaren) „seelischen Notlage“ wurde bei der Einführung der Fristenregelung ein Kriterium etabliert, das der Willkür im Umgang mit unerwünschten Babys Tür und Tor geöffnet hat.
Eine andere Interpretation des medialen Aufschreis rund um die Abtreibungsinitiativen wäre anzunehmen, dass es vielen schlicht und einfach egal ist, ob Ungeborene in der Schweiz vor Willkür und Selektion geschützt sind. Wo die eigene Lebensplanung und die eigenen Wünsche zum höchsten Wert erklärt werden, muss notgedrungen alles, was diesem „höchsten‟ Wert im Weg steht, banalisiert, weggeredet und weggeschrieben werden.
Zu hoffen bleibt, dass die mediale Aufmerksamkeit den Initiativen letzten Endes doch noch dient und die dringend notwendige Auseinandersetzung mit Lebensschutzfragen endlich stattfinden kann.
Zum Nebelspalter-Artikel: www.nebelspalter.ch
Mehr zu den Initiativen hier: www.zukunft-ch.ch