Kein Auftritt für Bernarda Brunovic am M4Music-Festival: Diese Schlagzeile ging in den letzten Tagen durch die Medien (siehe hier und hier). Die blinde Sängerin mit kroatischen Wurzeln wurde von den Organisatoren ausgeladen, weil sie vor mehreren Jahren am „Marsch fürs Läbe“ (siehe hier) mitgemacht hatte, einer Veranstaltung von Lebensschützern bzw. Abtreibungsgegnern. Linksextreme Kreise hatten nun gedroht, deswegen den Auftritt Bernardas am M4Music-Festival (siehe hier) zu stören. Die Absage ihres Auftritts erfolgte angeblich aus Gründen der Sicherheit. Bernarda Brunovic sagt dem „Nebelspalter“ nun in ihrem ersten Interview seit der Konzertabsage, wie sie die Absage erlebt hat, wie sie die Vorgänge einordnet und was das alles für sie bedeutet.

Nebelspalter: Frau Brunovic, seit der Absage Ihres Konzertes am M4Music-Festival ist über eine Woche vergangen. Wie geht es Ihnen heute?

Bernarda Brunovic: Es geht mir recht gut. Trotzdem bin ich wegen dieser Absage sehr betrübt. Meine Band und ich hatten uns sehr auf den Auftritt gefreut.

Nebelspalter: Als Sie von der Absage erfahren haben: Wie haben Sie reagiert?

Brunovic: Es machte mich traurig. Denn es sollte ja eigentlich um Musik gehen und nichts anderes. Ich war zwar vorher von den Organisatoren des Festivals schon auf meinen Auftritt beim „Marsch fürs Läbe“ angesprochen worden. Aber dass mein Konzert deswegen gecancelt wird, überraschte mich total. Ich kann das nicht nachvollziehen.

Nebelspalter: Haben Sie so etwas vorher schon einmal erlebt?

Brunovic: Nein, noch nie.

Nebelspalter: Die Veranstalter haben die Absage mit der „Sicherheit“ begründet. Es hatte von linksextremen Kreisen Drohungen gegen Ihren Auftritt gegeben, weil Sie früher beim „Marsch fürs Läbe“ teilgenommen haben. Die Veranstalter wollten gemäss eigenen Angaben kein Risiko eingehen. Was sagen Sie zu dieser Begründung?

Brunovic: Da fehlen mir die Worte. Wenn an einem Fussballspiel Hooligans auftreten, dann sorgt ja auch die Polizei für Abhilfe. Es wird immer viel von Meinungsfreiheit und Inklusion gesprochen. Aber in meinem Fall gilt das offenbar nicht.

Nebelspalter: Glauben Sie, dass Sie tatsächlich wegen Sicherheitsbedenken ausgeladen wurden – oder vermuten Sie andere Motive?

Brunovic: Ich weiss es nicht. Die Veranstalter des Festivals haben mit mir nicht darüber gesprochen. Jedenfalls kann ich es nicht fassen, dass ich sozusagen eine Gefahr für die Gesellschaft sein soll. Es enttäuscht mich sehr, dass die grosse, starke Migros als Organisatorin des Festivals wegen solcher Drohungen eingeknickt ist. Sie bewirbt dieses Festival explizit damit, dass es ein Ort sein soll, an dem sich alle willkommen fühlen und sich frei bewegen sollen. Offenbar sind das nur leere Worte.

Nebelspalter: Welche Reaktionen haben Sie seit der Absage bekommen?

Brunovic: Ich habe nebst Kritik viel Zuspruch bekommen. Es haben sich zudem Leute bei mir gemeldet, die sagten, sie würden meine Ansichten punkto Abtreibungen zwar nicht teilen, aber das sei egal, denn es gehe ja nur um Musik. Das finde ich fair.

Nebelspalter: Offenbar wurden Sie seither aber auch an weiteren Orten ausgeladen.

Brunovic: Da muss ich etwas ausholen. Ich hatte am Tag, als ich beim M4Music-Festival hätte auftreten sollen, überraschend die Möglichkeit, im KKL Luzern beim Auftritt der amerikanischen Funksängerin Chaka Khan zusammen mit ihr auf der Bühne zu stehen. Sie ist ein Weltstar. Ich war sehr glücklich. Sie bot mir an, auch an ihrem zweiten Konzert am Tag danach wieder zusammen mit ihr zu singen. Kurz davor kam dann aber eine Absage – mit der Begründung, ich könnte den Ruf von Chaka Khan schädigen. Offenbar hatte man bei den Organisatoren inzwischen mitbekommen, dass ich bei der Migros ausgeladen worden bin. Ich fühlte mich wie eine Verbrecherin.

Nebelspalter: Chaka Khan wollte nicht mehr mit Ihnen auftreten?

Brunovic: Nein, das war bestimmt nicht ihr Entscheid, sondern derjenige der Organisatoren im KKL. Ich bekam auch keine Chance, mit Chaka Khan darüber zu sprechen. Sie ist ein Idol von mir seit meiner Kindheit. Das reisst mich auseinander.

Nebelspalter: Der Grund für das alles waren Ihre Auftritte beim „Marsch fürs Läbe“ in den Jahren 2022 und 2023. Was waren das für Auftritte?

Brunovic: Ich trat damals als Sängerin auf. Zudem sagte ich den Anwesenden, dass ich meinen Eltern unendlich dankbar bin. Denn meine Eltern haben nicht auf den Rat der Ärzte gehört, mich abzutreiben. Die Ärzte warnten davor, ich könnte schwer behindert sein. Doch meine Eltern sagten Ja zu mir. Ich wollte meine Stimme erheben für diejenigen Frauen, die scheinbar nur die Option Abtreibung haben und damit alleine gelassen werden. Es braucht ganz allgemein mehr gegenseitige Wertschätzung und Dialog in unserer Gesellschaft.

Nebelspalter: Welche Rolle spielt der Glaube in Ihrem Leben?

Brunovic: Der Glaube ist ein wichtiger Teil von mir. Darum ist der Respekt vor anderen Menschen für mich so zentral. Dieser Respekt gilt auch, wenn jemand eine andere Meinung hat als ich.

Nebelspalter: Wollten Sie bei Ihrem abgesagten Auftritt beim M4Music-Festival ebenfalls eine Botschaft bezüglich Lebensschutz vermitteln?

Brunovic: Nein, es wäre ein rein künstlerischer Auftritt gewesen.

Nebelspalter: Was sagen Sie zu Bezeichnungen in der Presse wie „Fundi-Sängerin“?

Brunovic: Ich bin sicher keine christliche Fundamentalistin. Es gibt auch Dinge in der Kirche, die mich wütend machen, wie etwa die Missbrauchsskandale.

Nebelspalter: Rechnen Sie damit, noch an anderen Orten gecancelt zu werden?

Brunovic: Ich weiss es nicht, mache mich aber auf alles gefasst. Aber deswegen depressiv zu werden, ist keine Lösung.

Nebelspalter: Gefährdet das alles Ihre Existenz als Sängerin?

Brunovic: Das ist nicht auszuschliessen. Ich lebe ja von meiner Kunst. Was mir Sorgen macht, ist, dass die Organisatoren des M4Music-Festivals in der Kulturszene gut vernetzt sind. Aber immerhin gibt es inzwischen auch Konzertveranstalter, die geplante Auftritte von mir bestätigt haben. Allgemein sehe ich noch nicht klar. Ich stecke noch mittendrin in diesem Sturm. Es tut weh.

Nebelspalter: Steht Ihre Fangemeinde zu Ihnen?

Brunovic: Ich habe von dieser Seite viel Zuspruch erhalten. Aber was wirklich passieren wird, weiss ich nicht. Als blinder Mensch bin ich gewohnt zu kämpfen.

Nebelspalter: Sie haben in einem Video auf Instagram gesagt: „Ihr werdet mir nicht meine Stimme nehmen, niemals.“ An wen ist die Botschaft gerichtet?

Brunovic: An alle. Ich plädiere für gegenseitige Wertschätzung und Respekt. Das sollte auch für diejenigen eine Bedeutung haben, die ständig von Diversity und Inklusion sprechen.

Mit freundlicher Genehmigung des Nebelspalter

Die 31-jährige Sängerin Bernarda Brunovic stammt aus einer kroatischen Familie, ist Schweizerin und lebt in Dietikon. Sie ist seit ihrer Geburt blind. Ihre Musik bewegt sich zwischen Pop, Soul und Balladen. Bernarda ist bekannt für ihre kraftvolle Stimme. 2010 hätte sie fast die Schweizer Ausscheidung zum Eurovision Song Contest gewonnen. 2018 schaffte sie es ins Halbfinale der Fernsehshow „The Voice of Germany“. Am 28. März 2025 hätte sie nun am M4Music-Festival auftreten sollen, einem wichtigen Stelldichein von Schweizer Künstlern. Doch die Migros als Veranstalterin lud Bernarda kurz zuvor aus.