Ganze 30 Seiten lang ist der neue Gender-Knigge für Lehrer, den die Stadtzürcher Fachstelle für Gleichstellung verfasst hat.

Ein Kommentar von R. Ecklin

Dieser Knigge wartet mit den gewohnten kreationistischen Glaubensbekenntnissen und den daraus abgeleiteten Weisungen auf. So sei das Geschlecht „nur ein Stück weit natürlich gegeben‟ und vielmehr „erworben‟ beziehungsweise „sozial hergestellt‟. Und „stereotype Geschlechterrollenbilder‟ müssten aufgebrochen werden, damit die „Ich-Findung‟ der Schüler gelinge. Zudem sei es wichtig, in der Sprache „alle Geschlechter‟ sichtbar zu machen. Dies soll mit Sternen, Unterstrichen und ähnlichen Clownerien inmitten von Wörtern geschehen. So weit, so unspektakulär. Dass uns namenlose Beamte neben ihrer schrägen Gender-Ideologie auch eine umständliche und unnatürliche Sprechweise aufs Auge drücken wollen, ist zwar stossend, aber nichts Neues. Neu ist, dass nun Lehrer dazu gedrängt werden, den Schülern ebendiesen Neusprech aufzuzwingen und „Konsequenzen für die Nichteinhaltung‟ festlegen sollen. Diese Militanz muss zu denken geben.

Schule an ihren Kernauftrag erinnern

Dabei mangelt es der Volksschule wahrlich nicht an echten Problemen: Das Schreib- und Leseniveau der Jugendlichen ist lamentabel, laut PISA ist jeder fünfte Schulabgänger nach neun Volksschuljahren funktionaler Analphabet. Hochschulen beklagen seit Jahren fehlende Satzlogik, falsche Interpunktion, stochastische Rechtschreibung und leeres Geschwafel. Lehrbetriebe verlangen bei Bewerbungen immer öfter externe, von privaten Instituten durchgeführte Prüfungsresultate, weil Schulnoten nicht mehr aussagekräftig sind. Die moderne Schule lehrt kaum mehr. Sie sozialisiert, sie kultiviert, sie experimentiert. Sogenannt „weiche‟ Kompetenzen, beispielsweise Einfühlungsvermögen, Selbstreflexion oder Kritikfähigkeit, nehmen einen immer grösseren Platz im Unterricht ein, der dann für die Vermittlung von Fachkenntnis fehlt.

Die Volksschule muss sich auf ihren Kernauftrag besinnen und den Schülern lesen, schreiben und rechnen beibringen. In der Pause bleibt genug Zeit, um Sternchen in die Agenda zu kritzeln.

Dieser Kommentar erschien zuerst am 26. Juni 2021 bei nau.ch, einem Schweizer Onlineportal 

Der Autor ist Lehrer und wohnt im Kanton Zürich