Das deutsche Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat ein Gesetz des Bundestags zu Kinderehen für verfassungswidrig erklärt. Das Gesetz muss nun angepasst werden.
Das Gesetz, um das es geht, besagte laut Pressemitteilung des Gerichts vom 29. März 2023, dass alle Ehen automatisch unwirksam sind, wenn einer der Partner zum Zeitpunkt der Eheschliessung unter 16 Jahre alt war. Dies gilt auch, wenn die Beteiligten mittlerweile volljährig sind oder die Ehe im Ausland geschlossen wurde. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Wirksamkeit einer Ehe per Gesetz von einem Mindestalter abhängig gemacht werden könne, um minderjährige Mädchen zu schützen, und dass nicht unbedingt eine Einzelfallprüfung nötig ist. Das Gesetz muss jedoch Regelungen über die Folgen enthalten, wie z.B. zu Unterhaltsansprüchen, und die Möglichkeit bieten, dass im Ausland geschlossene Frühehen nach Erreichen der Volljährigkeit auch nach deutschem Recht gültig werden. Da das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen derartige Regelungen aktuell nicht enthält, müssten Änderungen gemacht werden.
Folgen der Flüchtlingskrise
Das Gesetz wurde 2017 von der damaligen schwarz-roten Bundesregierung eingeführt, da vermehrt sehr junge Verheiratete nach Deutschland gekommen waren. Dennoch wurden bis zum 22. Juli 2017 Hochzeiten mit 16 Jahren in Deutschland ermöglicht. Auch drei Jahre später waren nur zehn davon aufgehoben worden. Bis Juni 2024 muss die Politik die Kinderehe verfassungsgemäss neu regeln, währenddessen bleibt das pauschale Kindereheverbot bestehen. Minderjährige Partnerinnen einer unwirksamen Kinderehe haben ab sofort Anspruch auf Unterhaltszahlungen gemäss dem Scheidungsrecht.
Ein Fall aus Aschaffenburg war der Anlass für die Entscheidung des Gerichts. Dabei ging es um ein syrisches Paar, das 2015 mit 21 und 14 Jahren vor einem Scharia-Gericht in Syrien geheiratet hatte. Im selben Jahr flohen die beiden gemeinsam nach Deutschland. Dort wurde die mittlerweile erwachsene Frau vom Jugendamt in Obhut genommen. Das Bundesverfassungsgericht musste entscheiden, ob eine Einzelfallprüfung bei Kinderehen erfolgen müsse oder ob ein pauschales Verbot solcher Ehen mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Das Urteil besagt nun, dass das aktuelle Gesetz in seiner Form nicht verfassungsgemäss ist und angepasst werden muss.
Das Bundesverfassungsgericht ist das höchste Gericht in Deutschland für Verfassungsfragen. Es wurde 1949 als Teil der deutschen Verfassung (Grundgesetz) gegründet und hat seinen Sitz in Karlsruhe. Seine Aufgabe ist es, darüber zu wachen, dass das Grundgesetz und andere Verfassungsgesetze eingehalten werden und gegebenenfalls Gesetze für verfassungswidrig zu erklären.