Ein Journalist erlebt nach dem Terrorangriff vom 7. Oktober 2023, dass kein Verlag bereit ist, seinen Roman über das Verhältnis Westeuropas zum Islam und zu den eigenen, christlichen Wurzeln zu veröffentlichen. Zu gross ist die Angst der Herausgeber vor dem Druck der Islamisten und des woken Mobs. Als der Journalist anlässlich eines Kulturanlasses nach Berlin reist, wird er zum Augenzeugen eines blutigen Massakers. Ignoranz und westliche Dekadenz treffen auf militante Islamisten, deren grösste Ehre darin besteht, ihr Leben im Kampf gegen die Ungläubigen zu opfern …
Der neue Roman von Giuseppe Gracia nimmt mit diesem Inhalt ein topaktuelles Thema auf. Wie der PR-Fachmann und Buchautor darauf gekommen ist, verrät er Regula Lehmann von Zukunft CH in einem Interview.
Zukunft CH: Giuseppe Gracia, in Ihrem neuen Roman schreibt ein Journalist ein Buch, an dessen Veröffentlichung sich niemand die Finger verbrennen will. Haben Sie es auch schon erlebt, dass kein Verlag oder Medienhaus Ihre Texte veröffentlichen wollte?
Gracia: In diesem Punkt ist der Roman etwas biographisch. Mir ging es ähnlich wie dem Protagonisten, wenn er sagt: „Weil ich es gewagt habe, eine eigene Religion zu haben unabhängig von der offiziellen, westeuropäischen Kulturreligion, hat man mich exkommuniziert. Die Hohenpriester dieser Kultur fordern den vollen moralischen Gehorsam für ihre Dogmen, und sie erwarten, dass du ihren Gesinnungscocktail täglich herunterschluckst.“ Ich wurde und werde von der Literaturszene und den etablierten Feuilletons grossräumig umfahren. Exkommunikation bedeutet in der linken Szene genau das: Ausgrenzung, Diffamierung als rechts.
Zukunft CH: Der Protagonist in „Auslöschung“ erlebt einen islamistischen Terrorangriff mit. Verarbeiten Sie mit diesem Buch den Terrorangriff der radikalislamischen Hamas vom 7. Oktober 2023?
Gracia: Spätestens nach dem Massaker der Hamas ist klar, dass live ins Internet streamende Terroristen keine Fiktion sind. Deswegen habe ich dieses Szenario auf Berlin übertragen. Es ist traurig, dass es solche Barbarei gibt, aber wahr.
Zukunft CH: Wieso Berlin?
Gracia: Beim Schreiben schwebte mir vor, dass die Abendgesellschaft in einer europäischen Hauptstadt stellvertretend für den Westen stehen könnte. Dass die Wehrlosigkeit und selbstmörderische Überforderung angesichts der radikalen Entschiedenheit der Freiheitsfeinde ebenso stellvertretend für unsere heutige Kultur stehen. Genau wie die Liebesgeschichte im Roman, die sich um zwei Menschen dreht, die Wohlstand und Freiheit geniessen, ohne zu realisieren, was sie aneinander haben, bis es zu spät ist.
Zukunft CH: „Auslöschung“ thematisiert die Verbindung von Religion und Gewalt. Wo sehen Sie den Unterschied zwischen dem islamischen und dem christlichen Menschen- und Gottesverständnis?
Gracia: Jesus lehnt Gewalt ab, Mohammed nicht. Jesus lehnt die Vermischung von Kaiser und Gott ab, von Staat und Religion, Mohammed nicht. Das verrät schon etwas über die Unterschiede von Christentum und Islam – bei allen historischen Sünden auch des Christentums. Und bei allem Wunschdenken unserer politisch-medialen Elite, die das Gewaltproblem des Islam leugnen.
Zukunft CH: Was beschäftigt Sie, wenn Sie miterleben, dass sich der Antisemitismus in Europa wie ein Flächenbrand verbreitet?
Gracia: Dass es noch immer keine Debatte über den islamischen Antisemitismus gibt, der sich mit dem linken Antisemitismus des Westens vermischt, eine gefährliche, sehr medienwirksame Kombination. Überhaupt sollte das Gewaltproblem des Islam längst ein breites Thema sein. Es sprengen sich ja keine katholischen Kardinäle in die Luft oder rasen mit Lastwagen in Menschenmengen, keine Rabbis oder Tibetaner, sondern Muslime. Das Verhältnis des Islam zur Gewalt wird ausgeblendet oder mit dem Begriff „Islamismus“ beiseitegeschoben. Oder man reduziert das Problem auf Sicherheits- und Integrationsfragen.
Zukunft CH: Statt welche Fragen zu behandeln?
Gracia: Ist es aus Sicht des Propheten Mohammed und der klassischen Quellen des Islam, unabhängig von einzelnen Extremistengruppen, grundsätzlich erlaubt, den muslimischen Glauben gewaltsam zu verbreiten? Ist es aus Sicht des Propheten und der klassischen Quellen erlaubt oder sogar geboten, einen säkularen, nicht-muslimischen Rechtsstaat zu verachten und zu unterminieren? Wenn ja: was bedeutet das für die westliche Innen- und Aussenpolitik?
Zukunft CH: In Ihrem Roman gehen Sie diesen Fragen nach?
Gracia: Um die Überzeugungen der Terroristen glaubwürdig zu schildern, habe ich mich mit dem Verhältnis des Islam zur Gewalt beschäftigt. Ich wollte keine psychisch Gestörten zeigen, über deren weltanschauliche Motivation sich nicht nachzudenken lohnt. Ich wollte auch keine Terroristen als Opfer des Westens darstellen, die sich für unseren Imperialismus rächen, ein beliebtes Narrativ westlicher Medien. Aber dieses Narrativ kann die seit Jahrhunderten existierende Gewalt im Namen des Islam nicht erklären, die selber imperialistisch ist. Auch der seit Jahrhunderten existierende Hass auf Juden kann damit nicht erklärt werden.
Zukunft CH: Der Roman liest sich streckenweise wie ein Traum in einem Traum. Zufall?
Gracia: Die Konstruktion des Romans ist so radikal angelegt wie der Terroranschlag selbst. Alles wird aus der Perspektive der Hauptfigur erzählt, die im Laufe der Handlung nicht mehr unterscheiden kann zwischen Erinnerung, Gegenwart und Traum, denn sie weiss nicht, ob sie den Terror überlebt hat. Das gab mir die Gelegenheit, in einem einzigen, fortlaufenden Bewusstseinsstrom zu erzählen, der den Leser hoffentlich mitreisst.
Zukunft CH: Gibt es in dem Roman auch Hoffnung?
Gracia: Für mich ist der Protagonist auf der Suche nach Gott, nach der Gegenwart des Heiligen. In diesem Sinn ist es eine postmoderne Figur, hin- und hergerissen zwischen Materialismus und der Sehnsucht nach Ewigkeit. Das ist jedenfalls meine Lesart, dass der rettende Gott stillschweigend immer anwesend ist. Aber jeder liest ein Buch natürlich anders. Oft holen Leser mehr aus einem Buch heraus als das, was der Autor hineingelegt hat. Literatur lebt von dieser Magie.
Zukunft CH: Vielen Dank für das Gespräch!
Giuseppe Gracia: „Auslöschung“. Basel: Fontis, 2024.8.01. ISBN 978-303848-278-9, 128 Seiten