Was passiert, wenn Israel den Krieg gegen die Hamas und ihre Verbündeten nicht gewinnt? Im neuen Buch von Giuseppe Gracia „Wenn Israel fällt, fällt auch der Westen“ geht es um Judenhass und um die untrennbare Verbundenheit des Westens mit dem jüdischen Volk. Der deutsche Publizist Henryk M. Broder schreibt im Vorwort: „Die Frage, um die es in diesem Buch geht, ist so grauenhaft, so unerträglich, dass man sie nicht zulassen möchte, aber es muss sein. Auf dem Spiel steht unsere Freiheit, unsere Demokratie.“ Regula Lehman von Zukunft CH sprach mit Giuseppe Gracia.

 Zukunft CH: Herr Gracia, das Thema Israel ist ein „heisses Eisen“. Verbrennen Sie sich gerne die Finger?

Gracia: Nein, ich mag guten Wein und schöne Abende mit meiner Frau oder Spaziergänge mit dem Hund. Aber bei der grassierenden Herdenmentalität unter Publizisten kann ich nicht schweigen. Ob es um Antisemitismus geht, Islam, Migration, Klima, Gender. Die tonangebenden Damen und Herren der Politik oder der akademischen Welt reden bei diesen Themen, wenn überhaupt, angepasst und lauwarm, um ihre Stellung und das Salär nicht zu riskieren. Ab und zu wird einer nach seiner Pensionierung mutig, wenn es nichts mehr kostet. Mehr ist von der etablierten Intelligenzia heute wohl nicht zu erwarten.

Zukunft CH: In Ihrem Buch geht es um Antisemitismus. Wie definieren Sie diesen Begriff? Gibt es aus Ihrer Sicht heute einen neuen Antisemitismus?

Gracia: Antisemitismus ist Judenhass. Es ist das verbreitete Gefühl, die Juden seien ein besonders problematisches Volk, Ursache von viel Unrecht, Unruhe und Gewalt, statt umgekehrt Opfer von viel Unrecht, Unruhe und Gewalt. Dieser Hass existiert seit 3000 Jahren. Es gibt christlichen, linkssozialistischen, nationalsozialistischen, neonazistischen und islamistischen Judenhass. Und heute grassiert der grün-woke Judenhass im politisch-medialen Komplex, mitgetragen von gehirngewaschenen Studenten mit Talking Points der Hamas.

Zukunft CH: Sie wagen die steile Behauptung, das Schicksal des Westens hänge von Israel ab. Wie begründen Sie diese?

Gracia: Israel ist nicht nur ein Land, sondern eine biblische Grösse, Heimat des Judentums. Israel zu schützen bedeutet, das Judentum zu schützen. Das ist in unserem Interesse, denn ohne Judentum gibt es kein Christentum, ohne Christentum keine Menschenrechte und ohne Menschenrechte keine Freiheit, keine westliche Zivilisation. Der Kampf um Israel ist der Kampf um unsere geistige Wurzel.

Zukunft CH: Am 27. Januar 2025 fand einmal mehr der Holocaust-Gedenktag statt. Wie ernst ist es dem Westen mit „Nie wieder ist jetzt“?

Gracia: Ich habe den Eindruck, dass das Parolen sind, die zum Politbetrieb gehören wie die Betonung der Menschenrechte oder des Klimaschutzes. Es bedeutet nicht viel, wie man am Umgang der EU oder der UNO mit Israel sieht, besonders seit dem 7. Oktober 2023, der blutigsten Barbarei gegen Juden seit dem Holocaust. In Deutschland ist der Antisemitismus, würde ich sagen, wieder fast so salonfähig wie unter den Nazis, diesmal mit dem Etikett der Israelkritik. Die geistigen Brandstifter sind vor allem die öffentlich-rechtlichen Medien und die Unis, die seit Jahren eine Opfer-Täter-Umkehr betreiben und vom Genozid Israels an den Arabern sprechen. In Wahrheit wollen die Islamisten alle Juden vernichten, das sagen sie ganz offen seit Jahrzehnten, ganz unabhängig von Gaza. Wer das ausblendet, schürt Hass auf die Juden, weil er so tut, als seien die Juden eigentlich das Problem, nicht die Islamisten.

Zukunft CH: Gibt es aus Ihrer Sicht Hoffnung für Israel – und damit auch Hoffnung für den Westen?

Gracia: Ja. Die USA sind in Politik und Alltag stärker beeinflusst von den christlichen Wurzeln und überhaupt vom Bewusstsein der Bedeutung von Religion. Das könnte sich positiv auf Europa auswirken, bis auch wir uns erinnern: Judenhass ist in der Tiefe ein Hass auf den Gott der Bibel, der die Juden zu Auserwählten gemacht und ihnen die Standards für alle Menschen anvertraut hat. Die Juden erinnern uns daran, dass der Mensch unmenschlich wird, wenn er sich selbst zum obersten Massstab erhebt. Nur Diktaturen können auf die jüdische und christliche Religion verzichten, aber nicht die Freiheit. Wenn uns diese Erkenntnis wieder mehr leitet, besteht Grund zur Hoffnung, für uns wie für Israel.

Zukunft CH: Vielen Dank für das Gespräch.

Mehrfach warnte Zukunft CH schon vor dem wachsenden Antisemitismus und seinen Folgen. Lesen Sie hier ein Interview zum Thema.

Giuseppe Gracia: Wenn Israel fällt, fällt auch der Westen, Fontis Verlag, 120 Seiten, 18.90 CHF, ISBN 9783038482963