Weil sie sich und andere Menschen mit Down-Syndrom aufgrund der geltenden Abtreibungsrechtslage diskriminiert sah, zog eine junge Frau vor Gericht.
Bereits Anfang 2020 entschied sich die damals 24-jährige Engländerin Heidi Crowter, die das Down-Syndrom hat, den Rechtsweg einzuschlagen. Besonders die Tatsache, dass Kinder bei Verdacht auf Down-Syndrom in England bis zur Geburt abgetrieben werden können, wollte und will die junge Frau nicht hinnehmen. Der Abortion Act 1967 sieht grundsätzlich vor, dass Abtreibungen bis zur 24. Schwangerschaftswoche legal sind. Nach der 24. Woche sind Abtreibungen nur dann gesetzlich erlaubt, wenn das Leben der Frau in Gefahr ist, eine schwerwiegende fetale Anomalie vorliegt oder wenn eine ernste Gefahr für die seelische oder körperliche Gesundheit der Schwangeren besteht. „Sie beziehen mich in diese Definition von „schwer behindert“ mit ein, nur weil ich ein zusätzliches Chromosom habe“, kritisierte Crowter die Regelung. Damit würde man ihrem Leben seinen Wert absprechen und das sei eine ausgesprochene Diskriminierung, so Crowter damals anlässlich ihrer Klage. Im Oktober 2021 urteilte das Oberste Gericht, dass die betreffende Passage im Abortion Act 1967 nicht diskriminierend gegenüber Menschen mit Down-Syndrom sei und wies Crowters Klage ab. Crowter, enttäuscht und wütend über die Entscheidung des Gerichts, legte Berufung gegen das Urteil ein. Die Entscheidung fiel kürzlich, zulasten von Crowter und allen Menschen mit Down-Syndrom.
Gericht: Ungewollte Schwangerschaft unzumutbarer
In seinem Urteil wies das Berufungsgericht zunächst darauf hin, dass die Rechtsmittelführer, Heidi Crowter und Aidan Lea-Wilson, die Mutter eines Sohnes mit Down-Syndrom, nicht von der angefochtenen Bestimmung, nämlich Artikel 1 Absatz 1 lit d des Abortion Acts, betroffen seien, da sie und der Sohn von Lea-Wilson bereits geboren seien und sich die Bestimmung doch nur auf ungeborenes Leben beziehe. Die Richter würden Verständnis dafür zeigen, dass Art. 1 eine gewisse diskriminierende Botschaft vermitteln würde. Aus der Perspektive der Rechtsmittelführer sei deren Unmut über die Bestimmung daher durchaus zu verstehen. Jedoch sei das nicht die einzige Perspektive, die man berücksichtigen müsse. Andere Menschen würden mit dem Zeitpunkt der Geburt eine klare Grenze ziehen und sähen keine Entwertung des Lebens behinderter Menschen, wenn die Abtreibung von Föten mit Anomalien erlaubt bleibe, so die Richter. Dass die entsprechende Gesetzesbestimmung zu einer generellen gesellschaftlichen Diskriminierung führe, überzeuge die Richter jedenfalls nicht. Zudem sei nicht jede Familie in der Lage, für ein behindertes Kind ein fürsorgliches und unterstützendes Umfeld zu schaffen. Abschliessend betonten die Richter in ihrem Urteil, dass sie keine Zweifel daran hätten, dass sich die Rechtsmittelführer durch die Botschaft, die die entsprechende Gesetzespassage vermittle, persönlich angegriffen fühlten. Jedoch sei es viel weniger schwierig, einen Eingriff dieser Art zu rechtfertigen, als eine Frau dazu zu zwingen, eine ungewollte Schwangerschaft fortzuführen. Ausserdem sei die Frage, ob und unter welchen Umständen ein Fötus, der womöglich behindert sei, abgetrieben werden dürfte, Sache des Parlaments und nicht der Gerichte.
Ein Gesetz, wie der Abortion Act, das den Schutz des Lebens an Kriterien wie Gesundheit oder Behinderung des Kindes knüpft, ist objektiv betrachtet diskriminierend. Dieser Sachverhalt konstituiert unabhängig von persönlicher Betroffenheit oder hervorgerufenen negativen Gefühlen, eine nicht gerechtfertigte Schlechterbehandlung von Menschen mit Behinderung. Mit der Aussage, dass man die Abtreibung eines Kindes mit Trisomie 21 eher rechtfertigen könne, als eine Frau zu einer Schwangerschaft mit einem behinderten Kind zu verpflichten, nimmt das Gericht eine Wertung menschlichen Lebens vor und verstösst gegen die europäischen Grundwerte der Würde eines jeden Menschen, unabhängig von jeglichen Kriterien wie Herkunft, Alter, Gesundheit oder Status. Das Argument der nicht bestehenden unmittelbaren Betroffenheit der Rechtsmittelführer scheint hier ad absurdum geführt zu werden, zumal das ungeborene Leben sich nicht selbst verteidigen kann und wenn es persönlich betroffen ist, so ist es nicht mehr am Leben. Das Gericht missachtet überdies, dass es hier um die Abwägung zweier Leben geht: dem des Kindes und jenem der Frau. Ohne Zweifel ist eine Schwangerschaft ein Wagnis und eine Hingabe. Die Gesellschaft und vor allem die Politik sind genau hier angehalten, den betroffenen Frauen Unterstützung, sowohl finanziell als auch psychosozial, zukommen zu lassen, um sich für ihr Kind entscheiden zu können. Es gibt etliche Kampagnen, wie etwa die britische Kampagne „Don’t Screen Us Out“, die sich für die Gleichberechtigung von Menschen mit Trisomie 21 einsetzen und signalisieren wollen, dass ein extra Chromosom das Leben nicht weniger lebenswert macht. Jedes Jahr zum Welt-Down-Syndrom-Tag am 21. März wird überdies auf die Bedürfnisse von Menschen mit Down-Syndrom aufmerksam gemacht und darauf, dass sie, genau wie wir alle, ein normales Leben führen können.
Stimmen zum Urteil
Crowter, enttäuscht über den Ausgang des Verfahrens, möchte dennoch nicht aufgeben. „Ich werde weiterkämpfen, weil wir bereits die Herzen und Gedanken der Menschen und durch unsere Information auch deren Meinung zu diesem Gesetz verändert haben. Das Gesetz wurde 1967 beschlossen. Damals durften wir nicht einmal in die Schule gehen aufgrund unseres extra Chromosoms. Daher denke ich, dass es an der Zeit ist, dass die Richter mit der Zeit gehen und wirklich einmal Menschen mit Down-Syndrom treffen“, so Crowter. Die Prozessgebühren haben Crowter und ihr Team allein durch Spenden finanziert. Sie konnten 148.000 Pfund sammeln. Crowter ist nicht die einzige, die Politiker bezüglich des Abtreibungsgesetzes konfrontiert hat. Unlängst traf die 18-jährige Millie Prelogar, ebenfalls eine junge Frau mit Down-Syndrom, Premierminister Rishi Sunak, um mit ihm über die aktuelle Situation von Menschen mit Behinderung in Grossbritannien und auch über das geltende Abtreibungsgesetz zu reden.
Abgeordnete gegen ein „Recht auf Abtreibung“
Während Crowter vor Gericht gegen die aktuelle Abtreibungsrechtslage kämpfte, debattierte das britische Parlament unlängst über die Einführung eines „Rechts auf Abtreibung“. Dabei sprach sich die Mehrheit gegen ein solches „Recht“ aus. Abgeordneter Jacob Rees-Mogg brachte vor, dass allein im Jahr 2021 214.869 Babys abgetrieben wurden. Dies sei eine Tragödie. Die Abgeordnete Fiona Bruce wies indes darauf hin, dass ein vermeintliches „Recht auf Abtreibung“ gegen internationales Recht verstosse und ausserdem das nationale Recht verkomplizieren würde. „Die Aufnahme von Abtreibung in eine Menschenrechtscharta ist unangemessen und wird wahrscheinlich zu einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten führen, was der Umfang eines solchen Rechts bedeute“, so Bruce. Auch der Abgeordnete Jim Shannon stimmte Bruce zu, dass das Völkerrecht kein „Recht auf Abtreibung“ kenne und der Europäische Gerichtshof seit 30 Jahren nichts daran geändert habe. Bruce fragte noch, welche Art von Gesellschaft man für Grossbritannien schaffen wolle. Sie plädiert für eine Kultur, die das Leben, das ungeborene Leben inklusive, hochhalte und respektiere. Abgeordneter Scott Benton betonte, dass laut Umfragen von Savanta ComRes lediglich 1 Prozent der Frauen eine Verlängerung der derzeit geltenden 24-wöchigen Abtreibungsfrist wünschten. 70 Prozent hingegen plädierten für eine Verkürzung der Abtreibungsfrist.
Auch in Frankreich hat sich der Senat kürzlich gegen die Aufnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten „Rechts auf Abtreibung“ ausgesprochen. (TS)
Quelle: Institut für Ehe und Familie