Der Fall Isabel Vaughan-Spruce sorgte international für Schlagzeilen: Sie wurde zweimal in Grossbritannien verhaftet, weil sie still in der Nähe einer Abtreibungsklinik gebetet hatte. Mittlerweile ist Vaughan-Spruce wieder frei. Sie erhielt für die ungerechtfertigte Verhaftung eine Entschädigung von 13‘000 Pfund. Doch damit sind die Anklagen gegen solche „Gedankenverbrechen“ im Vereinigten Königreich (UK) noch nicht zu Ende. Im Gegenteil: Die Meinungsfreiheit wird zunehmend kriminalisiert.  

Von Ralph Studer

Es ist unfassbar, was in UK passierte und weiterhin passiert. „Stilles Gebet“, so Vaughan-Spruce, „ist kein Verbrechen. Niemand sollte allein wegen seiner Gedanken verhaftet werden – doch genau das ist mir zweimal durch die West Midlands Police passiert, die mir ausdrücklich mitteilte, dass ‚Gebet eine Straftat ist‘.“

Angesichts dessen fragt man sich, ob man sich in einem totalitären Staat befindet, der eine rigorose Gedankenpolizei auf seine Bürger loslässt und Exempel statuiert, um jegliche nicht tolerierte Meinung zu unterdrücken. Würde dies in Nordkorea passieren, wäre niemand überrascht. Aber dieser Fall ereignete sich in Grossbritannien, in einem sogenannten „freiheitlich-demokratischen“ Staat. Und leider ist dieser Fall keine Ausnahme.

Verurteilt wegen Verstosses gegen örtliche „Bannmeile“

Ähnlich erging es auch dem Armeeveteran Adam Smith-Connor. Auch ihm wird vorgeworfen, gegen eine örtliche „Bannmeile“ verstossen zu haben, die es untersagt, „Zustimmung oder Ablehnung oder den Versuch der Zustimmung oder Ablehnung in Bezug auf Abtreibungsdienste zu bekunden“.

Das dreiminütige stille Gebet von Smith-Connor kostete ihn mehr als zwei Jahre Gerichtsverfahren. Zugleich häuften sich für dieses angebliche „Verbrechen“ über 100‘000 Pfund Gerichtskosten an. Zum Vergleich: Die Höchststrafe für dieses „Verbrechen“ beträgt 1000 Pfund.

Das Gericht sprach im Oktober 2024 ein Urteil gegen ihn, setzte die Strafe zur Bewährung aus und verurteilte ihn zur Zahlung von Strafverfolgungskosten in Höhe von 9000 Pfund. Im Urteil begründete das Gericht, so die christliche Menschenrechtsorganisation ADF International, die Smith-Connor vor Gericht vertrat, seine Entscheidung damit, dass sein Gebet einer „Ablehnung der Abtreibung“ gleichgekommen sei, da er einmal den Kopf leicht gesenkt und die Hände gefaltet habe. Gegen dieses Urteil wird ADF International bei der nächsten Instanz Berufung einlegen.

Auch Unterstützung in Notsituationen strafrechtlich geahndet

Sogar das Hochhalten eines Schildes „Ich bin da, wenn Sie reden wollen“ vor einer Abtreibungsklinik kann zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen. Diese Erfahrung macht Livia Tossici-Bolt. Die Behörden bestraften die Frau, weil sie ein Gespräch in der Nähe einer Abtreibungseinrichtung anbot, wobei ihre Bemühungen einvernehmlich waren und der Unterstützung von Frauen in Notsituationen dienten.

Tossici-Bolt weigerte sich, das auferlegte Bussgeld zu zahlen. Sie beschloss mutig, ihr Recht auf Meinungsfreiheit zu verteidigen, so wie es durch den britischen „Human Rights Act“ zugesichert ist. Der Prozess soll in diesem Jahr stattfinden.

Ausweitung der Bannmeilen in UK

Bereits im Oktober 2024 weitete die britische Regierung ihre Restriktionen gegen Lebensschützer aus. Im Rahmen des „Public Order Act 2023“ richtete sie landesweit Bannmeilen um jede Abtreibungseinrichtung in England und Wales ein. Abgesehen von dieser eklatanten Einschränkung der Meinungsfreiheit ist diese Gesetzgebung zur Bannmeile vor allem deshalb auch problematisch, weil die rechtlichen Bestimmungen vage und weit gefasst sind. Die Auswirkungen auf die Grundfreiheiten in UK sind daher enorm.