Immer mehr Mädchen und junge Frauen geben an, im falschen Körper geboren zu sein und bezeichnen sich als „trans“. Seit März 2023 klärt die Internetseite KeinMädchen.de Jugendliche sowie ihre Eltern und Lehrer auf, stellt gezielte Fragen und versucht, Betroffenen eine neue Denkweise zu vermitteln. Ursula Baumgartner von Zukunft CH sprach mit Dr. Martin Voigt, dem Initiator der Seite, über den „Trans-Kult“ und dessen Entwicklung und Hintergründe.
Zukunft CH: Seit März 2023 gibt es die Seite „KeinMädchen.de“. Wie kamen Sie auf die Idee und was möchten Sie mit dieser Seite erreichen?
Voigt: Kinder und Jugendliche, die sich selbst als transgender definieren, sind meist inspiriert durch die sozialen Medien in dieses Fahrwasser geraten. Und sie beziehen ihre sämtlichen Informationen zum Trans-Sein aus dem Internet. Dort fanden sie bis vor kurzem fast nur Seiten mit gewaltiger ideologischer Schlagseite, die sie rundheraus in ihren Selbstdiagnosen bestätigen und Tipps liefern, wie man die neue Identität gegenüber Eltern und Schule durchsetzt, oder wie man medizinische Schritte in die Wege leitet.
Die Initiative, diesen trans-affirmativen Angeboten etwas entgegenzusetzen, stammt von der Aktion „Demo Für Alle“, die mich für die inhaltliche Umsetzung der Seite ins Boot geholt hat. Als Projektleiter hatte ich von der Namensgebung bis zur psychologischen Ausrichtung freie Hand.
Zukunft CH: Handelt es sich also um eine Aufklärungsseite, die vor Pubertätsblockern und Hormonen warnt?
Voigt: Das allein wäre etwas zu plump, und würde die Jugendlichen nicht erreichen. Wir bieten mit KeinMädchen.de einen Raum zum Reflektieren, der zum einen die kulturelle Dynamik aufzeigt, in der sich die Betroffenen befinden – Jugendpsychiater sprechen von einem Hype und Kult rund um Transgender. Zum anderen hinterfragen wir das Heilsversprechen der Transition und lassen die Konsequenzen einer Hormontherapie oder Brustamputation natürlich nicht unerwähnt. Unser wichtigstes Anliegen ist es jedoch, die jungen Menschen dazu anzuregen, die möglichen Ursachen ihrer Identitätskrise zu erkunden, und ihnen alternative Wege zum Trans-Kult zu skizzieren.
Zukunft CH: Viele junge Menschen sind heute bezüglich der eigenen Geschlechtszugehörigkeit verunsichert. Vor allem junge Mädchen sind häufig betroffen. Welche Gründe gibt es hierfür?
Voigt: Ja, der Überhang bei den Mädchen ist hinlänglich beschrieben. Schätzungen zu den Fallzahlen aus den Kliniken variieren zwar, sprechen aber eine klare Sprache: 75 bis über 90 Prozent der Betroffenen sind weiblich. Daher auch die Entscheidung, unsere Seite auf Mädchen auszurichten. Zu den Gründen dieses Phänomens gibt es populäre und weniger bekannte Annahmen. KeinMädchen.de bespricht zunächst äussere, nachvollziehbare Faktoren wie soziale Rollenzwänge oder die für Mädchen ungleich belastenderen Herausforderungen während der Pubertät. Schrittweise sollen die Mädchen jedoch auch jene Konflikte und Verletzungen in der eigenen Bindungsbiographie wahrnehmen, die tatsächlich ein gestörtes Selbstbild verursachen.
Zukunft CH: Können Sie das genauer erklären?
Voigt: Junge Frauen, die ihre Transition bereuen und versuchen, rückgängig zu machen, können ihre Gefühle oftmals recht gut reflektieren. Sie artikulieren die Einsicht, sich als das „ungeliebte Kind“ gefühlt zu haben. Das könne man schlicht nicht wegoperieren. Die neue Identität habe jedoch an den innerseelischen Zuständen nichts geändert. Der Hass auf den Körper zielte im Grunde auf die eigene Existenz. Diese tiefe Wut muss irgendwo herkommen, die entsteht nicht urplötzlich in der Pubertät, da bricht sie nur aus. Auch Gefühle der inneren Leere und Selbstentwertung deuten auf Traumata im frühen familiären Kontext hin, die medizinisch als Persönlichkeitsstörungen beschrieben sind. Hinter der wütend vorgetragenen Selbstdiagnose „Ich will kein Mädchen mehr sein!“ steht oft auch die Botschaft „Ich will nicht mehr eure Tochter sein!“
Zukunft CH: Viele der Mädchen, die in den Gender-Kliniken vorstellig werden, waren bereits wegen Depressionen, Borderline-Symptomen und Angststörungen in psychologischer Behandlung.
Voigt: Persönlichkeitsstörungen mit den bisher bekannten Symptomen bei Mädchen wie Magersucht oder selbstverletzendes Verhalten sind ein Massenphänomen. Der Trans-Kult bedient diese seelische Problematik auf mehreren Ebenen. Da ist erstens das suizidal-autoaggressive Moment der Selbstvernichtung. Das alte Ich wird sozial und physisch ausgelöscht. Typisch ist die Freude über die sich im Zuge der Hormontherapie verändernden Gesichtszüge. Da ist zweitens der Schmerz, der in die Kernfamilie zurückgeworfen wird, also dorthin, wo er oft ursprünglich herrührt: Die alten Kinderfotos müssen weg. Der Vorname, den sich die Eltern bei der Geburt ausgesucht haben, die gesamte Tochter-Identität muss ausgelöscht und den Eltern weggenommen werden. Und da ist drittens das Heilsversprechen, ein neuer Mensch zu werden und als transitioniertes und damit „vollwertiges“ Mitglied in die Ersatzfamilie der Trans-Gemeinschaft aufgenommen zu werden. In einem Satz: Der Trans-Hype ist eine neue Ausdrucksform, man könnte auch sagen, eine kulturelle Überformung weit verbreiteter Persönlichkeits- bzw. Bindungsstörungen.
Zukunft CH: Die steigende Zahl junger Menschen, die sich als „trans“ identifizieren, wird oft mit der verbesserten Toleranz in der Gesellschaft begründet. Ist dies ein ausreichender Grund?
Voigt: Wir haben es tatsächlich mit einem gesellschaftlichen Phänomen zu tun. Wenn vor ein paar Jahren noch eine Klinikabteilung für Genderfragen zwei, drei Patienten pro Jahr hatte, die seit frühester Kindheit an einer Geschlechtsdysphorie litten, dann war das viel. Heute haben wir komplett eigenständige Gender-Kliniken mit randvollen Wartelisten. Fast alles sind Mädchen, die plötzlich während der Pubertät ihr Trans-Sein entdeckt haben wollen, und die in frappierend gleicher Ausdrucksweise Eltern, Lehrern und Ärzten klar machen, wie ihr neuer Name lautet, mit welchen Pronomen sie angesprochen werden wollen, und wie es medizinisch weiterzugehen hat.
Dies liegt aber nicht an verbesserter Toleranz, in dem Sinne, als hätten sich vor 15 Jahren tausende Teenager schlicht nicht getraut, sich als trans zu outen. Sondern wir beobachten einen sich in den Echokammern der sozialen Medien potenzierenden Trend, Hype oder genauer gesagt Kult, der den verletzten und zutiefst verunsicherten Mädchen ein vorgefertigtes Identitäts- und Handlungskonzept bietet, ein neuer, beliebter und glücklicher Mensch zu werden.
Zukunft CH: Der Begriff Trans-Trend oder -Hype erinnert an eine Mode. Verwenden Sie deshalb vor allem den Begriff Kult?
Voigt: Ja, der Sog, in den die Mädchen geraten, ist nicht harmlos und vorübergehend. Ihre Entscheidung, trans zu leben, kann tiefgehend und dauerhaft in ihr Leben wirken. Die sogenannte Trans-Community agiert wie eine Religionsgemeinschaft mit klaren Glaubenssätzen, mit Riten und Regeln, mit eigenen Phrasen und Begriffen und ausgeprägtem Gruppendenken. „Abtrünnige“, also Mädchen, die ihre Transition bereuen und das Testosteron wieder absetzen, werden verstossen und sind heftigen Anfeindungen ausgesetzt. Nichts davon ist natürlich irgendwo festgeschrieben oder wird zentral überwacht. In den sozialen Medien, dem Treffpunkt und Resonanzraum der Szene, gibt es zwar Influencer und Ideologen, die den Ton angeben. Doch ist dort auch jeder Einzelne sozusagen seines Nächsten Priester. Die Dynamik einer sich selbst erziehenden und sanktionierenden Masse, die so nur online entstehen konnte, begünstigte den rasanten exponentiellen Anstieg an Mädchen, die dazugehören wollen und die in die Gender-Kliniken stürmen. Das medizinisch soweit eben möglich totale Abstreifen des alten Körpers kann als Initiationsritus angesehen werden.
Zukunft CH: Das muss doch eigentlich abschrecken?
Voigt: Den Mädchen ist die Wucht des Kults, in den sie da geraten, kaum bewusst, denn sie halten ihre Entscheidung, ihr Outing und ihren Weg in die Transition für selbstbestimmt. Ein Mädchen schrieb uns: „Ich kann mich gut mit dem, was Trans-Menschen schreiben, identifizieren, und wünsche mir einfach, dass ich ich selbst sein kann.“ Sie erkennen den Widerspruch nicht. Daher versuchen wir auf der Seite KeinMädchen.de, die Muster des Kults ersichtlich zu machen. Wenn die Mädchen unsere Texte lesen, stolpern sie über die neuen Schablonen der typischen Trans-Identität und stossen auf die Schemata, die sie übernehmen. Im günstigsten Fall erkennen sie ihr scheinbar individuelles Lebensgefühl dann selbst als Essenz hochgradig standardisierter Vorgaben.
Zukunft CH: Vielen Dank für das Gespräch!
Voigts Warnung vor den Risiken von Pubertätsblockern und seine Analyse des in Deutschland geplanten Selbstbestimmungsgesetzes finden Sie hier.
Dr. Martin Voigt, Jahrgang 1984, ist Jugendforscher und Publizist. Er studierte in München Germanistik und Soziologie. Für die Bundespolizei initiierte er ein Präventionsprojekt, das auf seiner Forschung zur Identitätsentwicklung in den sozialen Medien basiert. Als Buch ist 2015 erschienen: „Mädchen im Netz. Süß, sexy, immer online“ Springer Spektrum.
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