Das indische Parlament hat kürzlich eine Gesetzesnovelle verabschiedet, die die Finanzierung von NGOs durch ausländische Geldgeber deutlich stärker als bisher einschränkt. Darüber hinaus sind weitere Anti-Konvertierungs-Gesetze geplant. Dies berichtet die Menschenrechtsorganisation Open Doors Schweiz in einer Medienmitteilung vom 8. Oktober 2020.
Betroffen sind davon auch zahlreiche christliche Werke und Gemeinden, deren Arbeit auf Spenden aus dem Ausland angewiesen ist; etliche fürchten um die Existenz. Die jetzt in Kraft getretene Ergänzung des FCRA (The Foreign Contribution Regulation Act) reguliert die finanzielle und anderweitige Unterstützung lokaler NGOs durch Einzelpersonen oder Organisationen aus dem Ausland. „Es ist ein weiteres Beispiel für die nationalistische, hinduistische Agenda der derzeitigen Machthaber. Sie wollen die Nation ‚hinduisierenʻ: Eine Kultur (die hinduistische Kultur), eine Nation (Hindustan), eine Sprache (Hindi) und eine Religion (Hinduismus). Dies ist Teil des Versuchs, Minderheiten wegzudrängen“, erklärt Jan Vermeer, Asien-Kommunikationsleiter von Open Doors.
NGOs spielen eine grosse Rolle
Bereits vor der Verschärfung dieses Gesetzes mussten rund 20’000 NGOs – darunter Compassion und Amnesty International – ihre Indien-Büros schliessen. Nun verschärft sich die Lage weiter. „NGOs spielen in Indien eine grosse Rolle. Sie leisten viel Sozialarbeit, unterstützen Arme, kümmern sich um die Witwen, geben Waisen ein Zuhause, bieten Alphabetisierungskurse an. Aber extremistische Hindus werfen christlichen Organisationen, die mit ausländischen Spenden finanziert werden, armen Hindus Geld anzubieten, um sie dazu zu bewegen, Christen zu werden. Das ist nicht der Fall, aber es ist die gängige Unterstellung. Wenn NGOs ihre Arbeit nicht mehr tun können, werden die Minderheiten noch verletzlicher“, erklärt Jan Vermeer. Denn die aktuelle Erweiterung des FCRA unterstellt die gesamte Tätigkeit von NGOs direkt der Kontrolle der Regierung. Die meisten christlichen Organisationen und Kirchen in Indien sind als NGOs registriert. Deshalb trifft die Neuerung insbesondere christliche Werke, die seit langem mit internationalen Kirchen und Organisationen zusammenarbeiten.
Angesichts der Folgen der Corona-Pandemie stehen lokale Partner von Open Doors derzeit vor grossen Herausforderungen. Bislang konnten sie in Indien Nahrungsmittel und andere dringend benötigte Hilfsgüter verteilen. Der jüngste Erlass dürfte ihre Arbeit zusätzlich erschweren.
Weitere Anti-Konvertierungsgesetze geplant
Mittlerweile neun Bundesstaaten verfügen über ein Anit-Konvertierungs-Gesetz: Odisha (seit 1967), Madhya Pradesh (1968), Arunachal Pradesh (1978), Chhattisgarh (2000), Gujarat (2003), Himachal Pradesh (2006), Jharkhand (2017), und Uttarakhand (2018) und Himachal Pradesh (2019). In Uttar Pradesh ist ebenfalls die Einführung eines solchen Gesetzes geplant. „Wir befürchten, dass die AK-Gesetze zu einem Bundesgesetz werden, sobald die BJP genügend Macht im Land und insbesondere im Senat hat“, erklärt Jan Vermeer.
Seit dem Amtsantritt von Premierminister Modi im Jahr 2014 hat die Ideologie der Hindu-Nationalisten massiv an Bedeutung gewonnen. Ihre Verfechter bekämpfen den Einfluss nicht-hinduistischer Religionen auf allen Ebenen der Gesellschaft. Neben dem deutlichen Anstieg von gewaltsamen Übergriffen auf Christen und christliche Gemeinden durch extremistische Hindus, haben auch Regierungsbeamte und Behörden Anteil an der wachsenden Diskriminierung von Christen.
„Gegenwärtig, inmitten der Covid-19-Pandemie wird Christen Nahrung und andere Hilfsgüter verweigert. Viele, vor allem in ländlichen Gebieten, sind anfällig für Sozialboykott, Vertreibung und Gewalt. Die physischen Bedrohungen reichen von Beschimpfungen bis hin zu Prügel, Vergewaltigung, Entführung, Folter, Erniedrigung und Mord.“
Indien steht auf dem Weltverfolgungsindex 2020 an zehnter Stelle unter den Ländern, in denen Christen am stärksten wegen ihres Glaubens verfolgt werden.
Quelle: Medienmitteilung Open Doors Schweiz, 8. Oktober 2020