In Deutschland sind etwa 270’000 Jugendliche süchtig nach dem Internet, zum Beispiel nach sozialen Medien wie Instagram, Snapchat oder Whatsapp. Das zeigt der aktuelle Drogen- und Suchtbericht 2019 der Bundesregierung. Die Zahl solcher internetbezogenen Störungen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.
Rund 85 Prozent der 12- bis 17-Jährigen nutzen Social Media jeden Tag, im Durchschnitt knapp drei Stunden. Nach derzeitiger Schätzung sind 7,1 Prozent der 12- bis 17-jährigen Mädchen und 4,5 Prozent der gleichaltrigen Jungen von internetbezogenen Störungen betroffen, insbesondere der suchtartigen Nutzung von Online-Computerspielen oder Social Media. Das sind 270’000 Jugendliche und damit doppelt so viele wie 2011.
Extreme Computernutzung führt in vielen deutschen Familien zu Problemen. Jedes fünfte Kind reagiert ruhelos und gereizt auf Online-Einschränkungen. Elf Prozent der 12- bis 17-Jährigen haben mehrfach erfolglos versucht, ihre Internetnutzung in den Griff zu bekommen. Oft geben Eltern ihren Kindern keine Regeln zum Umgang mit Laptop oder Smartphone. Das zeigt die neue Studie der DAK-Gesundheit und des Deutschen Zentrums für Suchtfragen zur Internetsucht im Kinderzimmer. Krankenkasse und Institut starten jetzt eine Aufklärungskampagne.
Krankhafte Folgen der Internetnutzung
„Die aktuelle Befragung macht deutlich, dass Suchtgefährdung auch im Kinderzimmer besteht“, erklärt Professor Dr. Rainer Thomasius, Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). „Die Daten deuten darauf hin, dass etwa fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland unter krankhaften Folgen ihrer Internetnutzung leiden.“
Laut Studie haben die Kinder im Durchschnitt im Alter ab zwölf Jahren begonnen, das Internet selbstständig zu nutzen. Bei etwa einem Zehntel der befragten Eltern waren die Jungen und Mädchen aber jünger als zehn Jahre.
Häufig vereinbaren Eltern mit ihren Kindern keine Regeln für den Umgang mit dem Computer: 71 Prozent der Eltern haben keine Regeln, an welchen Orten ihr Kind das Internet nutzen darf; 51 Prozent der Eltern haben keine Regeln, wie lange ihr Kind das Internet nutzen darf; 32 Prozent der Eltern haben keine Regeln, welche Inhalte ihr Kind im Internet nutzen darf.
Auch wenn es Regeln zur Internetnutzung gab, so wurden diese nur von 42 Prozent der befragten Eltern auch „voll und ganz“ umgesetzt. Die Drogenbeauftragte Ludwig betonte in ihrem Statement, dass es bei der Drogen – und Suchtpolitik an der Zeit sei, endlich mehr offene Dialoge zu führen statt ideologiebasierter Debatten. Das gemeinsame Ziel sollte sein, den suchtkranken Menschen und ihren Angehörigen mehr Aufmerksamkeit zu geben und wirkungsvolle Präventionsmassnahmen zu ergreifen.
Um die Suchtgefahr der sozialen Medien einzudämmen, rät Suchtexperte Professor Dr. Rainer Thomasius für Aufklärung und einen verstärkten Jugendschutz. „Eltern, Lehrer und Erzieher brauchen Unterstützung, damit sie Kinder auf ihrem Weg zu medienkompetenten Anwendern begleiten“, sagt Thomasius. „Ausserdem muss der Jugendschutz durch strenge Regeln für die Anbieter sozialer Medien gestärkt werden. Auch technische Lösungen zur Selbstbeschränkung sind sinnvolle Instrumente, um das Konsumverhalten besser zu kontrollieren.“
Quelle: Aktion Kinder in Gefahr