Auch auf Pfingsten hört der Raketenhagel von Gaza auf Israel nicht auf, nachdem er schon zuvor das jüdische „Wochenfest“ Schawuot überschattet hat. Die Angriffe sind das Ergebnis dessen, was die Hamas aus der im Jahr 2005 im Gaza gewährten Freiheit nun gemacht hat.
Dr. Heinz Gstrein, Orientalist
An den Festtagen bis zum 18. Mai 2021, zu denen alle Juden der Offenbarung des Gesetzes Mose am Sinai gedachten, war die Zahl der Opfer sogar besonders hoch: Bei immer häufigeren Angriffen von Hamas und dem islamischem Dschihad, gegen die Israels Abwehrsystem „Kipat Barzel“ (Eisenhaube) zu versagen begann, wurden zwölf Menschen getötet und weiter Hunderte verletzt.
Ohne diesen Schirm am Himmel über Israel wären die Opfer, wenn es nach den radikalen Islamisten in Gaza ginge, viele Tausende, wenn nicht noch mehr. Da aber in der Hamas-Hochburg eigene und aus Iran entsandte Spezialisten Tag und Nacht an neuen Flugkörpern feilen, denen die „Eisenhaube“ nicht mehr gewachsen ist, sehen sich die Israelis in bedrängter Selbstverteidigung gezwungen, die Raketensachmieden und Abschussrampen in dem Küstenstreifen zu bombardieren und unter Feuer zu nehmen. In dem heute fast völlig verbauten Gaza, wo sich auf einem Gebiet, das etwas kleiner ist als der Kanton Appenzell, mehr als zwei Millionen Menschen drängen, sind entsprechend Leiden und Verluste der Zivilbevölkerung nicht zu vermeiden. Der Trend in vielen Medien, friedliebenden Palästinensern, die den Israelis fast nichts zuleide tun, einen „Bösewicht Israel‟ gegenüberzustellen, der in Gaza wehrlose Kinder, Frauen und Alte tötet, stellt daher eine böswillige Verzerrung der Realität dar.
Kaum irgendwo ist davon die Rede, dass im Gazastreifen noch an die 1000 Christen in ständiger Angst vor Gewaltakten der Islamisten und der durch sie gezielt provozierten israelischen Gegenbombardierungen leben. Wer nur kann, hat diese Hölle längst verlassen. Von den noch vor einem Jahrzehnt über 3000 bodenständigen arabischen Orthodoxen scharen sich nur mehr wenige Hundert im „Olivenviertel“ der Altstadt um ihre Porphyrios-Kirche, die an einen frühchristlichen Bischof von Gaza erinnert. Die alte orthodoxe Johannes-Kathedrale ist inzwischen zur Moschee gemacht worden. Nicht einmal mehr 100 Katholiken werden von der Pfarre zur heiligen Familie betreut, die auf den Tiroler Pilgerseelsorger Georg Gatt zurückgeht. Charismatischer Rückhalt sind die Rosenkranzschwestern, eine Stiftung der christlich-palästinenischen Mystikerin Maria Ghattas. Evangelische Christen gibt es in Gaza keine mehr, seit die Baptisten nach Machtergreifung der Hamas 2007 regelrecht „hinausgemordet“ wurden. Die 2003 während der „Zweiten Infifada“ ausgebombte Saint-Philipp-Church und daneben das Al-Ahli-Arabische-Spital gehören zwar noch dem Jerusalemer Anglikanischen Erzbistum, sind aber ganz in palästinensischer Hand.
Das Krankenhaus hatten mitsamt der nahen Kirche 1882 britische Missionare in der damals grossen Erwartung begründet, Palästina wieder verchristlichen zu können. Etwa ein Drittel der Bevölkerung waren noch Christen verschiedener Kirchen, die 1200 Jahre einer verhältnismässig toleranten islamischen Herrschaft von Arabern und osmanischen Türken durchgehalten hatten. Auch die Muslime im Heiligen Land waren, wie der Orientalist Ernst Bannerth bezeugt, die „friedlichsten und ruhigsten“ im ganzen Nahen Osten. Das änderte sich nach dem Ersten Weltkrieg unter englischer Herrschaft. Gern werden dafür Zionisten und andere jüdische Einwanderer ins „Gelobte Land“ ihrer Väter verantwortlich gemacht. Diese suchten jedoch die Zusammenarbeit mit den arabischen Muslimen und Christen, um ein aufblühendes Palästina zum künftig gemeinsamen Heimland zu machen. Natürlich gab es auch auf jüdischer Seite feindselige Ausnahmen. Doch die Radikalisierung und Islamisierung der „Palästinenser“ war bis um den Kampf für die israelische Unabhängigkeit 1948 hinein das Werk der ägyptischen Muslim-Bruderschaft.
Als diese dann am Nil von Präsident Nasser unterdrückt wurde, der gleichzeitig die nationalistisch-säkuläre „Palästinensische Befreiungsorganisation“ (PLO) gründete, ging der Einfluss der Muslim-Brüder in Arabisch-Palästina zurück. Neben der PLO waren es linksradikale „Volksfronten“, die sich ab den 1960er Jahren im regionalen und internationalen Terror gegen alles Israelische und Jüdische hervortaten.
2005 gab Israels Ministerpräsident Ariel Sharon den Palästinensern in Gaza Gelegenheit, ihre Beteuerung von friedlichem Zusammenleben der beiden Völker im Heiligen Land wahrzumachen, wenn sie nur frei und nicht besetzt wären: Er räumte den Gazastreifen militärisch und liess sogar die israelischen Siedlungen räumen. Gaza sollte zum Modell guter Nachbarschaft von Juden und Arabern im Heiligen Land werden.
Inzwischen waren aber in Ägypten die Islamisten unter dem alten Muslim-Bruder Anwar as-Sadat neu erstarkt. Er selbst schloss zwar Frieden mit Israel, liess seinen „Brüdern“ aber freie Hand, die Palästina-Araber neu zu infiltrieren, besonders in Gaza. Dort etablierten sie sich zunächst als „Islamische Gemeinschaft“ (Mugama al-Islami), gingen aber bald als Hamas in den Terroruntergrund. Nach Israels Rückzug vergingen keine zwei Jahre, und die Hamas übernahm 2007 im Gazastreifen die Macht. Es zeigte sich, was passiert, wenn Israel Palästina-Araber beim Wort nimmt und in die Freiheit entlässt. Gaza wäre heute kein islamischer Kleinstaat mit einem jedoch grossen Angriffspotential, hätte Sharon nicht gewagt, was sich seitdem als Fehlentscheidung erwiesen hat …