Was macht einen Mann und Vater aus? Eine der wohl entscheidendsten Fragen für unsere Gesellschaff. In der Person Josefs aus dem Neuen Testament (NT) tritt uns ein Mann entgegen, der Eigenschaften aufweist, die ihn zum idealen Vorbild für Männer und Väter machen. In der katholischen Kirche wird sein Fest jeweils am 19. März gefeiert. Begeben wir uns auf eine Reise zu einem Mann, dessen Bedeutung noch viel zu wenig erkannt ist.
Von Ralph Studer
In unserer „modernen Zeit“ ist die Rolle des Mannes und Vaters oft unklar und diffus geworden. Gerade deshalb ist die Frage nach möglichen Vorbildern eine entscheidende. Vorbilder beeinflussen unser Denken, Reden und Handeln und stellen uns etwas Höheres vor Augen, was erstrebenswert ist. Sie beeindrucken uns, sie lassen uns das Beste aus uns selbst herausholen.
Von hoher Abstammung
Und hier lohnt es sich, einen vertieften Blick auf Josef, den Mann Marias und Nährvater Jesu zu werfen. Seine wichtige Rolle zeigt sich bereits an seiner königlichen Abstammung. Er stammt aus dem Haus des Königs David und wird daher „Sohn Davids“ genannt. Diesen Titel, der zugleich messianisch ist, gibt er an Jesus weiter. Auch wenn Josef selbst keine messianische Stellung zukommt, ist er neben Jesus die einzige Person im NT, auf die dieser Titel Anwendung findet. Gerade diese Bezeichnung bezeugt die hohe Würde Josefs.
Diese Würde wird auch in seiner Vaterschaft deutlich. Die jüdische Familie hat die väterliche Autorität sehr stark herausgestellt. Schon die Ehe zwischen Maria und Josef hat mit einem „autoritären Akt“ angefangen. Denn es stand dem Bräutigam zu, die Braut zu sich zu nehmen. Aus dem NT wissen wir, dass Josef aus Achtung vor der geheimnisvollen Mutterschaft Maria zuerst entlassen wollte. Dann aber griff ein Engel ein und befahl Josef, Maria zu sich zu nehmen. Damit nahm er sie nach jüdischer Auffassung als seine Frau an.
Josefs Vaterschaft
Im Matthäusevangelium spricht der Engel zu Josef: „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn, was in ihr gezeugt ist, stammt vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk erlösen von den Sünden.“ Damit bestätigt der Engel die irdische Vaterschaft Josefs, denn nach jüdischer Sitte war es die Aufgabe des Vaters, dem Kind einen Namen zu geben. Mit diesem Namen weihte Josef in einem besonderen Auftrag das Kind seiner Mission als Erlöser.
Treffend sagt Papst Benedikt XVI.: „Der hl. Josef ist ein bemerkenswerter Fall, da er ein Vater ist, der keine Vaterschaft dem Fleische nach hat. Er ist nicht der leibliche Vater Jesu, dessen Vater allein Gott ist, und dennoch lebt er seine Vaterschaft voll und ganz. Vater sein heisst vor allem, im Dienst des Lebens und des Wachstums stehen. In diesem Sinne gab der hl. Josef den Beweis grosser Hingabe.“
Und Papst Paul VI. bestätigt Josefs Vaterschaft in Bezug auf Jesus, indem er ihm den bürgerlichen Stand, die gesellschaftliche Zugehörigkeit, die wirtschaftlichen Bedingungen, die Berufserfahrung, die familiäre Umgebung und die menschliche Erziehung weitergegeben hat.
Von Josef lernen
So wichtig, wie eine Mutter für die menschliche Entwicklung des Kindes ist, sie kann einem Kind, besonders einem Jungen, nur beibringen, was eine Mutter kann. Als Junge brauchte er einen Vater, der ihm beibrachte, was es heisst, ein Mann zu sein. Jesus brauchte die Vaterschaft Josefs als Vorbild der Männlichkeit, die er nachahmen konnte, wie es der katholische Priester Donald Calloway ausdrückt. Nur ein Vater kann dies für seinen Sohn tun.
Wie hat Jesus gelernt, als Mann opferbereit zu sein? Er war Zeuge des täglichen Beispiels seines Vaters. Wo hat Jesus gelernt, wie ein Mann zu arbeiten? Er lernte es in der Werkstatt seines Vaters. Wie hat Jesus gelernt, zu beten und das Benehmen eines Gentleman anzunehmen? Jesus lernte all diese Dinge von seinem Vater Josef.
Jesus verbrachte viele Jahre damit, die Tugenden eines Mannes von seinem irdischen Vater zu lernen. Josef ist der Beweis dafür, so schreibt der Autor und Bibelwissenschaftler Tarcisio Stramare, dass es, um gute und glaubwürdige Nachfolger Christi zu sein, keiner grossartigen Dinge bedarf, sondern nur allgemeine, menschliche, schlichte, aber wahre und glaubwürdige Tugenden erforderlich sind.
Für Josef ist die Autorität ein Ausdruck der Liebe gewesen, die er zum Wohl seiner Familie eingesetzt hat. Er weist somit allen Familienvätern den Weg, ihre Autorität behutsam und in Liebe auszuüben und dabei immer das Wohl und die Entwicklung von allen Beteiligten im Auge haben. Er war sich bewusst, dass er seine Vaterschaft in Stellvertretung des himmlischen Vaters ausübte. Seine grosses Vaterherz ist das Vorbild für alle Familienväter. Er lehrt aber auch alle, wie der katholische Theologe Jean Galot schreibt, die von Gott eine Autorität empfangen haben, den wahren Sinn dieser Gabe zu verstehen. Er fordert sie auf, ihre Verantwortung in Vertrauen und Demut zu übernehmen.
Der Erzieher
Durch seine Vaterschaft war Josef auch Erzieher des Sohnes Gottes. Galot sagt hierzu: „Für jeden Familienvater ist es ehrenvoll, Erzieher zu sein, junge Menschen, die zu ihm gehören, auf ihre Lebensaufgabe vorzubereiten. Durch seine Erziehung übt er einen bestimmenden Einfluss auf die Seele seiner Kinder aus. Es gibt nichts Höheres, als an der Formung des menschlichen Geistes, des Herzens und des Charakters mitzuwirken. Das ist der grösste Vertrauensbeweis, den Gott den Menschen geben kann.“
Man könnte jetzt kritisch fragen, was denn Josef als einfacher Mann und Handwerker Jesus lehren konnte. Er hatte nicht studiert, seine Kenntnisse beschränkten sich auf das, was die Handwerker seines Dorfes wussten. Auch seine religiöse Bildung muss wohl ziemlich einfach gewesen sein. Aber gerade dadurch wird klar, dass das Wesentliche in der Erziehung von der Persönlichkeit dessen abhängt, der sie vermittelt. Erziehung ist, wie Galot schreibt, im Wesentlichen die Vermittlung der Seelenhaltung.
Geistliche Vaterschaft
Wegen seiner Tugenden und Vorzüge feiert die katholische Kirche am 19. März das Fest Josefs und verehrt ihn als Heiligen. Nach katholischer Auffassung ist Josef Vater Jesu, also Vater des Hauptes des mystischen Leibes Christi, nämlich der Kirche. Somit ist er notwendigerweise auch der Vater der übrigen Glieder der Kirche und somit unser geistlicher Vater.
Gerade heute ist diese geistliche Vaterschaft zentral. Warum? Viele Männer, so Calloway, wissen oder verstehen nicht mehr, was es bedeutet, ein Gentleman zu sein, geschweige denn, was es bedeutet, ein guter Vater zu sein. Viele Kinder sind mit einem schlechten Beispiel der Vaterschaft aufgewachsen, wenn sie überhaupt mit einem Vater aufgewachsen sind.
Dazu schreibt Calloway: „Empfängnisverhütung, Pornographie, Abtreibung, Verwirrung der Geschlechter, kulturelles Chaos (…) sind nur einige Früchte einer Gesellschaft, der es an echten Männern und Vätern mangelt. Jesus möchte unsere Aufmerksamkeit auf die geistliche Vaterschaft des hl. Josef lenken, um diese Fehler zu korrigieren und wieder Ordnung in Kirche und Welt zu bringen.“
Josef stellt uns die Wichtigkeit und Erhabenheit der Erzieheraufgabe vor Augen. Denn was gibt es Schöneres und Wertvolleres, als Kinder ins Leben und in die Liebe Gottes zu führen?