Jeder dritte 15-Jährige hat in den letzten 30 Tagen vor einer Befragung mindestens ein Tabak- oder Nikotinprodukt konsumiert, zeigt die repräsentative Studie HBSC (Health Behaviour in School-aged-Children) unter 11- bis 15-jährigen Schülern. Die höchsten Raten werden bei der E-Zigarette verzeichnet. Der Konsum von Medikamenten zusammen mit anderen psychoaktiven Substanzen gibt ebenfalls Anlass zur Sorge.
Die nationale Studie, die im letzten Jahr im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit von Sucht Schweiz durchgeführt wurde, deckt eine besorgniserregende Entwicklung auf. Der Vergleich zu 2018 zeigt: Der Konsum konventioneller Zigaretten wie auch jener von Alkohol bleibt insgesamt ähnlich hoch wie vor der Pandemie. Aufhorchen lässt, dass 9 Prozent der 15-jährigen Mädchen mindestens einmal im Leben Medikamente mit Alkohol mischten (Jungen: 5 Prozent).
7 Prozent der Jungen und 6 Prozent der Mädchen im Alter von 15 Jahren konsumierten im Jahr 2022 konventionelle Zigaretten an mindestens 10 Tagen im Laufe der letzten 30 Tage. Dieser Konsum ist im Vergleich zu 2018 etwa gleich hoch. Ein häufiger Konsum ist bei den 13-Jährigen selten. Doch 6 Prozent der Mädchen und ebenso viele Jungen rauchten mindestens einmal im Monat. Dies stellt im Vergleich zu 2018 eine Verdoppelung dar.
Zunahme von Nikotinprodukten bei Mädchen
Eine starke Zunahme, vor allem bei den Mädchen, gab es beim Konsum weiterer Nikotinprodukte. Der Konsum von E-Zigaretten, darunter Puff Bars und Nachahmerprodukte, an mindestens zehn Tagen im Laufe der letzten 30 Tage betrifft 7 Prozent der Jungen und 8 Prozent der Mädchen im Alter von 15 Jahren. Dieser häufige Konsum nahm im Vergleich zu 2018 vor allem bei den Mädchen zu. Bei den 15-Jährigen ist im Vergleich zu 2018 ein deutlicher Anstieg bei zwei weiteren Tabak- oder Nikotinprodukten zu beobachten.
Verdreifachung bei Tabakerhitzern, Verdoppelung bei Snus
Tabakerhitzer wurden von 4 Prozent der Jungen und 3 Prozent der Mädchen im Alter von 15 Jahren mindestens einmal in den letzten 30 Tagen gebraucht. Dies ist drei Mal mehr als im Jahr 2018. 13 Prozent der 15-jährigen Jungen haben Snus in den letzten 30 Tagen mindestens einmal konsumiert; das sind doppelt so viele wie im Jahr 2018. Auch bei den gleichaltrigen Mädchen gab es eine deutliche Zunahme (von 1 Prozent auf 6 Prozent).
Insgesamt haben 10 Prozent der Jungen und 11 Prozent der Mädchen häufig mindestens eines der drei folgenden Produkte konsumiert (an mind. zehn Tagen oder mehr in den letzten 30 Tagen): konventionelle Zigarette, E-Zigarette und Tabakprodukt zum Erhitzen. Dies bedeutet einen Anstieg bei den Mädchen im Vergleich zu 2018.
Erstmals Daten zum Mischkonsum mit Medikamenten
4 Prozent der 15-Jährigen haben in ihrem Leben mindestens einmal ein Medikament eingenommen, um sich zu berauschen. Dieser Wert ist ähnlich hoch wie vier Jahre zuvor. 2 Prozent der 15-jährigen Jungen und 5 Prozent der gleichaltrigen Mädchen haben mindestens einmal im Leben starke Beruhigungs- oder Schmerzmittel genommen, um sich zu berauschen. Oft scheint es jedoch ein einmaliger Probierkonsum zu sein. Besorgniserregend ist allerdings, dass 5 Prozent der 15-jährigen Jungen und 9 Prozent der gleichaltrigen Mädchen mindestens einmal im Leben Medikamente mit Alkohol gemischt haben – dies gilt als besonders gefährlich. Bei Mischgetränken mit Hustensaft sind es 6 Prozent bzw. 2 Prozent.
Alkohol und Cannabis
43 Prozent der 15-jährigen Jungen und ebenso viele gleichaltrige Mädchen haben im befragten Zeitraum mindestens einmal Alkohol getrunken. Diese Prävalenzen sind ähnlich hoch wie im 2018. Das Rauschtrinken bleibt auf etwa gleich hohem Niveau wie schon vier Jahre zuvor. Etwa ein Viertel der 15-Jährigen haben mindestens einmal in den letzten 30 Tagen fünf oder mehr alkoholische Getränke bei einer Gelegenheit getrunken.
12 Prozent der 15-jährigen Jungen und 8 Prozent der gleichaltrigen Mädchen konsumierten mindestens einmal illegalen Cannabis. Dies entspricht ungefähr dem gleichen Niveau wie im 2018.
Handeln gefordert: Gesundheit der Jugendlichen besser schützen
Der Jugendschutz hat bislang versagt in Anbetracht der Tatsache, dass jeder dritte 15-Jährige in den 30 Tagen vor der Befragung mindestens ein Tabak- oder Nikotinprodukt konsumiert hat. In einem Umfeld, wo digitale Medien fürs Marketing intensiv genutzt werden und wo der Jugendschutz schwach ist oder fehlt, müssen Kinder und Jugendliche besser geschützt werden.
Die Ausweitung des Konsums von Produkten wie E-Zigaretten oder Snus muss gestoppt werden. Es braucht dringend regulatorische Massnahmen, um die Attraktivität und den Zugang zu reduzieren. „Damit nicht neue nikotinabhängige Generationen heranwachsen, muss dieser Konsumtrend unbedingt gestoppt werden“, betont Grégoire Vittoz, Direktor von Sucht Schweiz. Die Politik ist gefordert, zumal für diese Produkte auf Bundesebene bis heute weder ein Abgabealter noch griffige Werbeeinschränkungen bestehen. Strukturelle Massnahmen bei der Werbung, dem Zugang, bei Preis, Verpackung und Aromen sind nötig. Das sind mehr Bereiche als im zukünftigen neuen Tabakproduktegesetz vorgesehen sind. Gleichzeitig können alle Personen im Umfeld der Jugendlichen, insbesondere die Eltern, aber auch Lehrpersonen, individuelle Präventionsmassnahmen ergreifen.
Der Konsum von Medikamenten zusammen mit anderen psychoaktiven Substanzen gibt ebenfalls Anlass zur Sorge. Hier braucht es mehr Forschung und mehr Sensibilisierung aller Beteiligten im Gesundheits- und Sozialbereich. Die Angebote der Prävention müssten spezifischer auf Jugendliche ausgerichtet sein.
Jugendliche sind anfälliger
Zur Adoleszenz gehört u. a. ein ausgeprägtes Bedürfnis, Neues auszuprobieren sowie die Bereitschaft, Risiken einzugehen, z.B. beim Konsum psychoaktiver Substanzen. Dies könne kurzfristig negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben und sich zu einem häufigen Konsum entwickeln, so Sucht Schweiz. Das Gehirn und der Körper von Jugendlichen reagierten besonders sensibel auf psychoaktive Substanzen. Jugendliche seien deshalb auf vielfältige Arten gefährdet. Zum Thema hat Sucht Schweiz ein Factsheet herausgegeben: Konsum psychoaktiver Substanzen bei Jugendlichen.
Die Schülerinnen- und Schülerstudie HBSC (Health Behaviour in School-aged-Children) ist eine internationale Studie, welche in mehr als 50 Ländern durchgeführt wird. An der nationalen Studie beteiligten sich in der Schweiz im Erhebungsjahr 2022 total 636 Klassen mit 9345 Schülerinnen und Schülern im Alter von 11 bis 15 Jahren.
Quelle: Medienmitteilung Sucht Schweiz