„Im Bereich der Lehre wird besonders darauf geachtet, dass Studentinnen karriereförderliche Kompetenzen und Grundeinstellungen erwerben.“ Diesen Satz fand ich kürzlich– nein, nicht bei der HSG in St. Gallen – im Gleichstellungskonzept einer deutschen pietistischen Ausbildungsstätte für zukünftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter christlicher Organisationen.
Gastbeitrag von David Gysel
Angesichts dieser „karriereförderlichen Grundeinstellungen“ erinnere ich mich als Kontrast an Worte, die mir ein Mitarbeiter der Müllabfuhr, gelernter Detailhandelsfachmann, einmal in einem Interview gesagt hat: „Mit meiner Arbeit einen notwendigen Beitrag zum Funktionieren der Gesellschaft zu leisten, gibt mir einen würdigenden Blickwinkel auf meine eigene Arbeit … Fast nebenbei ist es ein Vorrecht, in diesem Beruf besser zu verdienen als im Verkauf und damit eine Chance zu haben, vielleicht auch einmal eine eigene Familie ernähren zu können.“ (MÄNNER aktuell Juli 2014)
Für eine gesunde Gesellschaft
Ja, eine funktionierende Gesellschaft und Wirtschaft braucht reife und fähige Führungspersönlichkeiten ebenso wie Personen, welche „schmutzige“ Arbeiten übernehmen. Sich am richtigen Platz zu wissen – wie dieser junge Mann – trägt wesentlich zum würdigen Erleben der Lebenssituationen bei – bei Männern und Frauen. Dabei scheinen mir das Bewusstsein des richtigen Platzes und der Gedanke vom „Beitrag zum Funktionieren der Gesellschaft“ sowie eine gute Vorbereitung, Verantwortung zu übernehmen, wesentlich förderlicher als die eigene Ausrichtung auf „Karriere“.
Weiter stelle ich fest: Eine gesunde Gesellschaft lebt im Besonderen auch von gesunden Familien. Eine Familie durch seine Arbeit ernähren resp. finanzieren zu können ist dafür ein wichtiger Faktor. Ich weiss, wovon ich spreche, habe ich doch jahrelang in Frankreich gearbeitet. Dort ermöglichte mein Lohnniveau trotz anspruchsvoller Arbeit keinen Einverdienerhaushalt, was uns zur Fremdbetreuung unserer Kinder zwang, obwohl wir es lieber anders gehabt hätten. So geht es in unseren Nachbarländern wegen ihrer Sozialstrategie einem grossen Teil der Bevölkerung. Die bisherige Schweizer Sozial- und Lohnstruktur mit familiärer Kinderbetreuung ist ein hoch zu achtendes Gut, dem es angesichts des ideologischen internationalen Drucks Sorge zu tragen gilt.
Quoten – logisch?
Im eingangs erwähnten deutschen Gleichstellungskonzept werden auch Quoten angestrebt. Quoten haben direkten Einfluss auf Karrieren und darauf, ob Personen in den für sie geeigneten Aufgaben eingesetzt werden können. Für die Schweizer Bundesverwaltung – um ein Beispiel aus unserem eigenen Land zu nennen – legt der Bundesrat in der „Personalstrategie 2016–2019“ unter der Überschrift „Potenzial der Vielfalt nutzen“ den Sollwert für den Frauenanteil auf 44 bis 48 Prozent fest. Man könnte dazu sagen: Glück für die Männer – eine knappe Mehrheit ist ihnen weiter in Aussicht gestellt. Pech aber auch für all jene, die wegen dieser Strategie den für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erhalten, oder diejenigen, die unter einer Fehlbesetzung zu leiden haben.
Interessanterweise stehen hinter der Forderung nach Frauenquoten insgesamt Kreise, die gleichzeitig das Geschlecht nicht mehr biologisch, sondern sozial (als „Gender“) definieren wollen. „Vielfalt“ wird da jeweils auf die Vielzahl von sexuellen Orientierungen und postulierten „Geschlechtsidentitäten“ bezogen. Die gleichen Kreise fordern also Frauenquoten für Institutionen und betonen dafür die Wichtigkeit der femininen Einflüsse, negieren dasselbe aber in ihren allgemeinen Vorstellungen, z.B. beim Thema Elternschaft – da ist es ihnen wichtig, dass „Eltern“ auch zu 100 Prozent einem einzigen Geschlecht angehören dürfen. Eine Beobachtung, welche die deutsche Journalistin und Bestsellerautorin Birgit Kelle zu recht auch schon ausgesprochen hat.
Dieselben Kreise äussern sich überdies am lautesten gegen „Diskriminierung“. Dabei fällt auch hier sofort ein Widerspruch ins Auge: Wenn nämlich eine Quote erreicht werden soll, ist es eigenartigerweise plötzlich keine Diskriminierung mehr, dass jemand wegen seines Geschlechts eine Stelle trotz bester Qualifikation nicht erhält.