Aktivistische Studentenverbände protestieren seit Wochen gegen eine noch nicht veröffentlichte Studie, die untersucht, weshalb noch immer viele Frauen aus einer Universitätskarriere aussteigen. Erstellt wurde die „Studentinnen-Studie“ im Auftrag der Universität Zürich (UZH) von der Soziologieprofessorin Katja Rost und der emeritierten Wirtschaftsprofessorin Margit Osterloh. Weil die Studienergebnisse den Aktivistinnen nicht passen, werden Rost und Osterloh auf sehr persönlicher Ebene attackiert, wie die NZZ am 2. Juni 2023 berichtete.
Von Regula Lehmann
Unwissenschaftlich, fragwürdig und manipulativ soll die Studie sein, die darlegt, dass Studentinnen bezüglich Karriere und Familie tendenziell noch immer anders ticken als ihre männlichen Kollegen. Weil die Ergebnisse nicht ihren feministischen Idealen entsprechen, haben Aktivistinnen einen Kampf lanciert, der sich weder an der Wissenschaftlichkeit noch am guten Ton orientiert. Während die grünliberale Nationalrätin Kathrin Bertschy der Soziologieprofessorin Katja Rost eine „verdächtige politische Haltung“ unterstellte, erklärte die SP-Politikerin und Aktivistin Tamara Funiciello Margit Osterloh zur „Verbündeten des Patriarchats“. Journalisten, welche über die Umfrageergebnisse berichtet hatten, wurden der Undifferenziertheit bezichtigt.
Wahr ist, was zur Ideologie passt
Nicht nur die Verfasserinnen der Studie, sondern auch ihre Auftraggeber werden seit rund vier Wochen von Gleichstellungs-Aktivistinnen attackiert. Der Verband der Schweizer Studierendenschaften verurteilt das „unverantwortliche Vorgehen der Professorinnen und der Medien“ und fordert die UZH auf, Stellung zu beziehen. Von der Universitätsleitung wird verlangt, sich vom Artikel in der Sonntagszeitung wie auch von den Interviews, die Osterloh und Rost gegeben haben, zu distanzieren. Veröffentlich werden soll aus der Sicht vieler Studentinnen und Studenten ganz offensichtlich nur noch, was ihnen gefällt und ihrer eigenen Ideologie entspricht. Seriosität und Wissenschaftlichkeit werden dadurch zweitrangig. Statt ein Ort des Wettbewerbs der Ideen und Theorien zu sein, verkommen Universitäten zunehmend zur konturlosen, woken Bildungsblase. Die Aktivisten beanspruchen unlegitimiert eine Zensurhoheit, die wir beispielsweise aus dem Kultur-Marxismus nur allzu gut kennen.
Kind statt Kaderposition?
Frauen in frauendominierten Studiengängen, etwa Psychologie, Tiermedizin oder Soziologie, sind laut der Studie von Rost und Osterloh eher dem traditionellen Familienbild zugeneigt. Frauen in männerdominierten Fächern dagegen haben grössere Karriereambitionen. Margit Osterloh erklärt sich dieses Ergebnis im SRF-Interview vom 6. Juni 2023 damit, „dass diejenigen, die einen männerdominierten Studiengang wählen, von vornherein ambitionierter sind.“ Es sei ein sogenannter Selbstselektionseffekt, der erkläre, dass sie die anspruchsvolleren und vielleicht auch schwierigeren Studiengänge wählten. Frauen in diesen Studiengängen seien offensichtlich bereit, die Doppelbelastung von Karriere und Kind auf sich zu nehmen. Auf die Frage, was sie vorschlage, damit in Zukunft mehr Frauen Professorinnen würden, erklärte Osterloh, man müsse zunächst fragen, ob dies überhaupt wünschenswert sei. „Vor allem, wenn die Frauen mit ihrem Lebensweg durchaus zufrieden sind, wie die Glücksforschung zeigt.“
Glücksfaktor Familie
Dass viele Frauen im Muttersein keinen Karriereknick, sondern einen Glücksfaktor und die beste aller Weiterbildungen sehen, scheint vielen Aktivistinnen nicht ins Weltbild zu passen. Beharrlich werden Kinder als Karriereknick und Armutsfaktor diffamiert. Damit die Kleinen ihren Müttern auf der Karriereleiter ja nicht in den Weg kommen, wird massiv mehr Geld für Kitas gefordert. Wohlgemerkt: Ich habe nichts gegen Frauen, die Karriere machen. Aber es stört mich, wenn Frauen nicht sein sollen, was viele von ihnen nun mal gerne sind: Mütter, die einen wichtigen Karriereschritt darin sehen, eine kostbare, nächste Generation grosszuziehen.
Gleichstellung, aber keine Gleichmacherei
Zu hoffen ist, dass Katja Rost und Margit Osterloh sich von der harschen Kritik nicht in ihrer Forschung beschränken lassen. Auch wenn die grosse Mehrheit sich im Moment gegenüber der lauten Minderheit noch zurückhält, scheint für die Gleichmacherei der Zenit allmählich erreicht zu sein. Aus einerkürzlich veröffentlichten, repräsentativen Umfrage von Tamedia geht hervor, dass eine Mehrheit der Bevölkerung frauenfördernde Massnahmen am Arbeitsplatz ablehnt. Der grösste Widerstand gegen Quoten im Beruf kommt dabei interessanterweise von jungen Männern.
Angst um Gleichstellungs-Gelder
Mit ein Grund für den wütenden Widerstand gegen die Studie dürfte laut NZZ vermutlich sein, „dass die Untersuchung von Osterloh und Rost den Sinn vieler Massnahmen für Gleichstellung, die heute an den Universitäten, in Firmen usw. ergriffen werden, infrage stellt.“ Nicht zuletzt gehe es auch um Geld, das die Gleichstellungsstellen nur dann erhielten, wenn das „Dogma der allgegenwärtigen Diskriminierung der Frauen“ aufrechterhalten werde. Die „Studentinnen-Studie“ dürfte zu einer Art Präzedenzfall werden, der sichtbar macht, wie es gegenwärtig an den Schweizer Universitäten um die Meinungs- und Forschungsfreiheit bestellt ist.
Die Universität Zürich führte am 15. Juni 2023 eine Podiumsdiskussion durch, an der sowohl Margit Osterloh als auch Katja Rost teilnahmen. Hier kann man die Diskussion nachschauen:
Podium: UZH-Auftrags- und Folgestudie zum Phänomen der «Leaky Pipeline»