Der 20. November ist der internationale „Tag der Kinderrechte“ und einmal mehr wurde in Zeitungen und Fernsehen dafür plädiert, die vor 30 Jahren in Kraft gesetzte UNO-Kinderrechtskonvention konsequent umzusetzen.
Von Regula Lehmann
Kinder sollen als Teil der Gesellschaft mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit akzeptiert werden, forderte beispielsweise Bettina Junker, Geschäftsleiterin von Unicef Schweiz in ihrem Kommentar in der NZZ. Mit der Kinderrechtskonvention sei, so Junker, ein Paradigmenwechsel eingeläutet worden. Kinder seien nicht mehr Objekt der Fürsorge und elterlicher Gewalt, sondern eigenständige Individuen. „Konsequent, einheitlich, ausnahmslos“ sollten Kinder als Experten in eigener Sache gesehen werden. „Das übergeordnete Kindesinteresse gilt es vorrangig zu berücksichtigen“. Was auf den ersten Blick unterstützenswert erscheint, erweist sich in der gesellschaftlichen Umsetzung als problematisch und es muss die Frage gestellt werden, welche politische Agenda hier am Werk ist. Staatliche Gewalt statt elterlicher Gewalt? Kesb statt Kinderstube?
Kinder sind naturgegeben noch nicht eigenständig, sondern brauchen Fürsorge, um zu gesunden Menschen heranzuwachsen. Kann der Staat mit seinen Behörden und Einrichtungen diese tatsächlich besser leisten als die Eltern? Wohl nur in Ausnahmesituationen.
Der Verdacht, dass unter dem Deckmantel des Kinderschutzes die Abwertung der leiblichen Elternschaft und die Verstaatlichung der Erziehung vorangetrieben wird, sollte nicht vorschnell vom Tisch gewischt werden. Die massive Bewerbung und Förderung ausserfamiliärer Betreuungsstrukturen durch den Staat macht hellhörig. Ebenso die Tatsache, dass Eltern zunehmend das Recht abgesprochen wird, ihre Kinder nach eigenen Wertvorstellungen zu erziehen. Insbesondere christliche Eltern werden zunehmend kritisch beäugt und vorschnell unter Verdacht gestellt, ihre Kinder „allzu religiös oder ideologisch zu erziehen“. Gleichzeitig werden zutiefst ideologisch geprägte Inhalte, beispielsweise im Rahmen des schulischen Sexualkundeunterrichts, zum Kinderrecht erklärt und dem Elternrecht auf Erziehung übergeordnet. Eine Dispensation von diesen Lektionen ist vielerorts selbst dann nicht möglich, wenn Kinder weinend erklären, dass sie „solch eklige Dinge“ weder hören noch sehen wollen. Das kindliche Nein – sonst immer als A und O der Prävention beschworen – wird rücksichtslos überfahren und urplötzlich ist das Kind kein „Experte in eigener Sache“ mehr. Dies, obwohl Sexualkunde durchaus ohne schamverletzende Bilder und Inhalte erteilt werden könnte.
Dasselbe Phänomen zeigt sich in den aktuellen Debatten über den Zugang gleichgeschlechtlicher Paare zur Fortpflanzungsmedizin. Was heterosexuellen Paaren bisher aus Rücksicht auf das Kindes- und das Frauenwohl verweigert wurde, wird neu zum berechtigten Anspruch hochstilisiert. Artikel 7 der UNO-Kinderrechtskonvention, der dem Kind das Recht zugesteht, bei seinen biologischen Eltern aufzuwachsen, wird kurzerhand ignoriert oder für irrelevant erklärt. Man darf Kinder nicht schlagen, aber man darf sie handeln…
Die in der UNO-Kinderrechtskonvention festgehaltenen Rechte gelten bedauerlicherweise nur, wenn sie den Interessen bestimmter Erwachsenengruppen nicht im Wege stehen. Wann immer Gesetze und Massnahmen mit den Kinderrechten begründet werden, muss deshalb kritisch hingehört werden. Kinderrechte oder Erwachseneninteressen? Das ist hier die Frage!