Etwa 80 zumeist männliche Besucher fanden sich auf Einladung der Interessengemeinschaft Antifeminismus (IGAF) am 3. November 2012 in einem Tagungshotel in der Nähe von Zürich zum 3. Internationalen Antifeminismus-Treffen der Schweiz ein. Den genauen Tagungsort erfuhr man erst nach Bestätigung der Anmeldung, welcher man eine Kopie des Passes beilegen musste. Doch trotz dieser Sicherheitsvorkehrungen hatten sich über Nacht feministisch motivierte Sprayer an den Mauern des Tagungsgebäudes zu schaffen gemacht: „Gegen das Patriarchat! Frauenkampf jetzt!“
Von Dominik Lusser
Allein schon die Aggressivität, mit der radikale Feministinnen immer wieder kundtun, dass sie keinen Widerspruch zu ihrer Ideologie dulden, weckt Verständnis für die IGAF und ihr Anliegen, „die vollständige Beseitigung der feministischen Ideologie aus Politik und Öffentlichkeit“ anzustreben. Anders als der Name Antifeminismus vielleicht vermuten lässt, will sich die bereits über 5‘000 Mitglieder zählenden Bewegung aber nicht als Gegenpol im feministischen Geschlechterkampf verstanden wissen. Urs Bleiker, Präsident der IGAF, hält den Feminismus zu Recht für eine Spielart des Marxismus, welche ihre Dynamik aus einem unversöhnlichen Gegensatz zwischen einem guten und einem Bösen Prinzip beziehe. Die „guten“ Frauen seien in diesem Kampf angetreten, ihre Unterdrücker, die „bösen“ Männer, auszuschalten. Die IGAF für eine grundsätzlich frauenfeindliche Bewegung zu halten, ist also falsch, was auch durch die Tatsache bestätigt wird, dass drei der fünf Tagungsreferate von Frauen gehalten wurden.
Mehrere Referenten und Teilnehmer des anschliessenden Podiums betonten, dass man nicht gegen Frauen sei, dass man im Gegenteil gerade deren weibliche Seiten schätze und liebe. Die Kontrollfrage, mit welcher der effektive Wert dieser Beteuerungen ermessen werden kann, lautet: Worin aber besteht denn die authentische Weiblichkeit bzw. Männlichkeit? Auf diese entscheidende Frage hatte – wie mir scheint – das Antifeminismustreffen keine überzeugenden Antworten zu bieten.
Denn viel mehr als ein pseudowissenschaftliches, evolutionistisch-biologistisches Modell, nach welchem normale Frauen stark und selbstsicher auftretende, sogenannte Alpha-Männer erotisch fänden, respektierten und für die Zeugung ihre Nachwuchses bevorzugten, während sie die genetisch minderwertigen, unterwürfigen und verständnisvollen Beta- oder Gamma-Männer nur als nützliche Idioten duldeten und schikanierten, hat die Antifeministenszene als Einblick in das Wesen der Geschlechter offenbar nicht zu bieten.
Gleichberechtigung oder Gleichstellung?
Das grosse Anliegen der IGAF sei die wahre Gleichberechtigung von Männern und Frauen, verkündete Bleiker im Eröffnungsreferat. Durch die Vorherrschaft des Feminismus in Politik, Bildung und Justiz sei diese Gleichberechtigung allerdings bedroht. Anstatt Gleichberechtigung, verstanden als Chancen- und Rechtsgleichheit, habe der Feminismus die Gleichstellung der Geschlechter gebracht. Diese meine aber eine Gleichheit im Ergebnis, zum Beispiel eine Frauenquote, und stehe der wahren Gleichberechtigung im Wege.
Die IGAF hält den Feminismus zu Recht für äusserst problematisch. So kritisiert sie eine vom Feminismus ausgehende Tendenz zur Zerstörung der traditionellen Familie mit Vater, Mutter und Kindern, welche zu einem Zusammenbruch der Reproduktionsrate der Bevölkerung unter die Erhaltungsschwelle geführt habe. Weiter geisselt die IGAF auch die feministische Inbeschlagnahme der Sprache und bekämpft den Genderismus, nach dem „Geschlechter lediglich beliebig veränderbare Konstruktionen“ darstellen, die „nach ideologischen Vorstellungen umgeformt werden sollen“. Frühkindliche Sexualerziehung, Homo-Lobbying sowie die Institutionalisierung der Kindheit diagnostiziert sie treffsicher als wichtige Instrumente dieser vom Staat geförderten Umerziehung.
„Männer sind die besseren Mütter!“
Doch bei allem Scharfblick für die Gefahren der feministischen Ideologie gelingt es der Antifeminismusbewegung dennoch nicht, ein zukunftsfähiges Konzept für das Miteinander der Geschlechter zu präsentieren. Mit der Forderung beispielsweise, den Wehrdienst auch für Frauen obligatorisch oder aber für beide Geschlechter freiwillig zu erklären, verneinen sie, dass es für diese – so paradox es klingen mag – gerechte Ungleichbehandlung einen in der Sache (dem Wesen der Frau bzw. des Mannes) selbst liegenden Grund geben könnte. So aber geraten die Antifeministen ein Stück weit selbst ins Fahrwasser der Gender-Agenda, durch welche die Unterschiede zwischen den Geschlechtern nivelliert werden sollen.
Auch wenn es unmöglich ist, die sehr heterogen zusammengesetzte Antifeminismus-Bewegung in allen grundlegenden Fragen auf eine einheitliche Meinung festlegen zu können, nimmt man doch bei nicht wenigen Vertretern mehr oder weniger deutlich war, dass auch hier das wahre Wesen der Frau als Mutter verkannt wird. Nicht nur der Mythos „Väter sind Täter“, sondern auch der „Muttermythos“ müsse aufgegeben werden, so die deutsche Familientherapeutin Ursula Kodjoe. Die Vorstellung der sich aufopfernden Mutter, welche den angeblich überholten Gedanken nähre, dass die Frau irgendwie wichtiger sein könnte für ihr Kind als der Vater, müsse verabschiedet werden. Nun zweifle auch ich in keinster Weise daran, dass auch der Vater für die Erziehung und Bildung seiner Kinder schlichtweg unersetzlich ist und dass diese Rolle – wie Kodjoe treffend bemerkte – noch viel zu wenig ins Bewusstsein der Leute getreten ist. Der Hinweis der IGAF aber, dass die jeweiligen Rollen der Ehepaare in der Ehe „als Resultat einer freien und selbstgetroffenen Wahl“ – und also nicht als irgendwie sachlich begründet – zu verstehen seien, rückt die Antifeministen wiederum in die Nähe des Genderismus, den sie doch eigentlich ablehnen. So konnte denn Ursula Kodjoe, die ansonsten sehr viel Intelligentes über den Umgang mit Kindern im Scheidungsfall zu sagen hatte, ohne dafür kritisiert zu werden, behaupten, dass das Gender-Verhalten soziales Konstrukt sei und dass die Unterschiede innerhalb der Geschlechter wesentlich grösser wären als zwischen den Geschlechtern. Die Gedankengänge in diese Richtung gipfelten in dem vom Schauspieler Mathieu Carrière vorgeschlagenen Werbeslogan: „Männer sind die besseren Mütter!“, der aber bei weitem nicht bei allen Tagungsteilnehmern Zustimmung fand.
Dennoch scheint es so, dass zahlreiche Antifeministen genauso wie die Feministen die tiefe Identität der Frau als Mutter verneinen oder zumindest herunterspielen, nur jeweils aus einer entgegengesetzten Motivation: Der Feminismus deswegen, weil die Frau als Mutter durch ihre Bindung ans Kind die gesellschaftliche Vormachtstellung dem Mann überlassen muss. Der Antifeminismus deswegen, weil die Frau als Mutter auf die dauerhafte Fürsorge und den Schutz ihres Mannes angewiesen ist und dies vielleicht auch nach der Scheidung bleibt. Bei der IGAF tönt es dann freilich so, dass sich die Frau während der Ehe hinter ihrer Mutterschaft verstecken könne, um nicht arbeiten zu müssen, und darüber hinaus im Falle einer Scheidung auch noch finanziell profitiere, weil nach heutigem Scheidungsrecht der Mann weiterhin Unterhaltszahlungen leisten müsse, wenn die Frau kein ausreichendes Auskommen habe.
Individualistische Absicherung
Den Antifeministen wäre es also lieber, nach der Scheidung so tun zu können, als wenn nie etwas gewesen wäre: „Männer und Frauen sollen beide nach einer Scheidung wieder für ihr Auskommen sorgen, wie es sich für moderne, selbstverantwortliche Menschen gehört“. Mit diesem Statement aus dem Programm der IGAF wird gleichsam deutlich, wieso auch der Antifeminismus genauso wie der Feminismus nur eine von vielen Spielarten des individualistischen Zeitgeistes ist, welcher als das zentrale Problem unserer Gesellschaft begriffen werden muss.
Jede Ehe ist ein Wagnis und jede gescheiterte eheliche Beziehung hinterlässt tiefe Wunden. Sie aufgrund traumatischer Erlebnisse im Sinne der individuellen Absicherung umzubauen hiesse aber, sie in ihrem Kern zu zerstören. Die Ehe ist und bleibt das Wagnis einer Frau und eines Mannes, die sich aus Liebe vorbehaltlos und opferbereit aufeinander einlassen, und dadurch – wenn es klappt – reicher werden!
Das Wissen darum, dass die gesunde Entwicklung unserer Kinder wesentlich vom Gelingen dieses Wagnisses abhängt, müsste uns anspornen wirklich nichts unversucht zu lassen, jede einzelne Ehe zu retten. Und auch wenn eine Ehe scheitert, sollte – wie bei der Tagung einhellig betont wurde – stets das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen. Denn was nützt die vom Parlament jüngst beschlossene Gleichberechtigung der Väter beim Sorgerecht, wenn diese ihr neues Recht dahingehend begreifen, den auf dem Rücken der Kinder ausgetragenen Beziehungsstreit mit der Exfrau künftig mit gleich langem Spiess führen zu können? Die Vermutung, dass es bei der IGAF aber ab und zu doch mehr um Väterrechte denn um das Kinderwohl gehen könnte, zeigt auch die aus der Perspektive des Lebensschutzes nicht nachvollziehbare Ambivalenz bei der Forderung, entweder Abtreibung als Frauenrecht ganz zu verbieten, oder aber dem Vater ein Mitspracherecht bei der Abtreibung zu geben.
„Zurück zur Frau“
Dass Frau und Mann füreinander geschaffen sind und füreinander und für ihre Kinder Glück, Halt und Geborgenheit bedeuten, daran ändert auch eine Scheidungsquote von 50 % nichts. Anstatt an der Institution Ehe bzw. am Scheidungsrecht herumzubasteln, sollte man sich eher der Frage widmen, wieso so viele Männer und Frauen mit falschen Vorstellungen und Erwartungen in die Ehe gehen. Denn das ist ja wohl der wahre Grund für die steigende Anzahl gescheiterter Ehen. Zu sagen, der Feminismus habe das weibliche Geschlecht in der Schweiz vergiftet, genügt wohl als Erklärung des nationalen Ehe-Notstandes nicht.
Vielmehr sollte jede Frau und jeder Mann tief in sich hineinhorchen um zu entdecken, wer sie bzw. er ist und dabei authentische Neigung von egoistischem Begehren zu unterscheiden lernen. Zumindest 50 Prozent der Eheleute scheint dies, zum Wohl ihrer Kinder, ausreichend gelungen zu sein.
Ob jedoch die antifeministische Bewegung zu dieser Wiederentdeckung der Berufung von Mann und Frau einen positiven Beitrag wird leisten können, wage ich zu bezweifeln. Ich befürchte eher eine Verhärtung der Fronten, wenn ich lese, wie sich etwa René Kuhn, Gründer der IGAF in seinem Buch „Zurück zur Frau – Weg mit den Mannsweibern und Vogelscheuchen“ (2010) die Frau der Zukunft vorstellt. Frauen, die ihre weiblichen Reize, sprich einen „wohlgeformten Po, lange, schlanke Beine oder auch einen weitläufigen Busen“ nicht durch entsprechende Kleidung zur Schau stellen wollen, bezichtigt er des Verrats an ihrer weiblichen Identität. Die Ahnung, wie stark das Frauenbild mancher Antifeministen wortwörtlich an der Oberfläche der Frau hängen bleibt, und dabei wohl Wesentlicheres ausblendet, bestätigt sich auch beim Podiums-Teilnehmer Detlef Bräunig, dessen Blog das-maennermagazin.com. das Anstands-Niveau der Gürtellinie deutlich unterschreitet.
Zudem klingen mir zu viele Parolen der Antifeminismusbewegung doch zu sehr nach Konfrontation mit der „Frau an sich“ und nicht bloss mit ihrer feministischen Fratze. Der Aufruf an Männer, Frauenparkplätze demonstrativ zu besetzen ist ebenso anstössig und realitätsfremd wie der IGAF-Prospekt „Warnung vor dem Ehevertrag“, welcher Frauen unter den Generalverdacht der Hinterlistigkeit stellt.
Wo bleibt der Gentleman?
Bleibt nur noch zu fragen, wo bei all dem die echten Gentlemen unter den Antifeministen geblieben sind? Monika Ebeling, ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Gosslar, stellte in ihrem Referat eine interessante Frage in den Raum, von deren Beantwortung – wie ich finde – viel abhängt: „Ist es akzeptabel, wenn (wie im Film Titanic) der männliche Held am Ende elendig ersäuft, während die Schöne nahezu 100 Jahre alt wird?“ Ich wünsche mir, dass wenn in 100 Jahren wieder eine Titanic untergehen sollte, die Frage der Rettungsboote noch immer und hoffentlich spontaner als 1912 nach dem Gentleman-Prinzip gelöst werden wird. Wer hingegen in solchen Fällen, wo es um Liebe und Leben geht, auf Chancengleichheit oder Quotenregelung setzt, der hat ganz Entscheidendes vom Menschen nicht begriffen!