Anfang November war eine Zeitungsmeldung zu lesen, die etwas Ungeheuerliches enthielt: Die Richter des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hatten entschieden, dass das obligatorische Anbringen von Kruzifixen in Schulräumen gegen die Menschenrechtskonvention verstosse. Damit würde die Religionsfreiheit verletzt, so die Strassburger Richter.
Geklagt hatte eine Italienerin, deren Kinder eine staatliche Schule besuchten, in der alle Klassenzimmer ein Kreuz an der Wand hatten. Der Gerichtshof, dem auch die Schweiz angehört, sah in dem Verfahren gegen Italien eine Verletzung des Rechts der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder und einen Verstoss gegen die Religionsfreiheit der Kinder. Das obligatorische Anbringen des Symbols einer bestimmten Glaubensüberzeugung in Klassenzimmern beschränke unzulässig das Recht der Eltern, ihre Kinder in Übereinstimmung mit ihren Überzeugungen zu erziehen, sowie „das Recht der Kinder, zu glauben oder nicht zu glauben“. (Welt online vom 3. November 2009)
Was nun? Italien muss 5‘000 Euro Schadensgeld zahlen und aus den Schulen das Kreuz entfernen. Denn das Kreuz ist lästig geworden, entzieht angeblich die Freiheit und beschränke die Erziehung. Italien hatte argumentiert, das Kreuz sei ein Landessymbol. Schliesslich hatte das oberste italienische Verwaltungsgericht 2006 entschieden, das Kreuz sei zu einem Symbol für die Werte Italiens geworden, und wies die Klage der Mutter damals ab. Die Richter in Strassburg hingegen erklärten, die Kruzifixe seien eindeutig ein religiöses Symbol. Dies könne für Kinder, die anderen oder keiner Religion angehörten, verstörend wirken.
Verstörend? Die Frage drängt sich auf, was hier wirklich verstörend wirkt: ein Symbol für die jahrtausendalte Religion und Kultur eines Landes, das in einem Klassenzimmer hängt, oder ein Gerichtsurteil, das sich über ein vorangegangenes Urteil des obersten Verwaltungsgerichtes hinwegsetzt und ebendieses Symbol aus dem Bereich Bildung und Erziehung verbannt – wo doch diese Religion Fundament und wesentlicher Teil der betroffenen Gesellschaft ist und einen wertvollen Beitrag für die Bildung und das innere und moralische Wachsen der Menschen leistet.
Das Urteil hat nicht nur für Italien Bedeutung. Es reicht in seiner Wirkung weit über die Landesgrenzen Italiens hinaus, denn das Gericht hat damit die Rolle, die das Christentum in der Identität Europas spielt, schlichtweg negiert. Das Christentum hat Europa nicht nur geprägt, sondern bildet das Fundament dieses Kontinents. Ob Rechtswesen, Kunst und Kultur, Wertesystem oder soziale Verantwortung: All das hat seinen Ursprung im Christentum. Das Kreuz ist das Symbol für diese Basis, die Europa trägt. Und das Kreuz ist ein Zeichen der Liebe Jesu Christi zu uns Menschen. Diese selbst- und grenzenlose Liebe sollte uns Vorbild sein – und nicht verbannt werden aus unserem Bewusstsein. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn kommentierte den Gerichtsentscheid mit den Worten: „Mit seinem Urteil hat der Menschenrechtsgerichtshof Europa wirklich keinen Dienst getan. Dieser Kontinent hat dann eine Zukunft, wenn er seine Wurzeln nicht leugnet. Das Kreuz ist ein Sinnbild dieser Wurzeln.“ Diese Worte sollten wir uns zu Herzen nehmen, denn sonst muss befürchtet werden, dass das Kreuz nicht nur aus sämtlichen Klassenzimmern verschwindet, sondern auch von den Berggipfeln, den Kirchtürmen und aus zahlreichen Nationalfahnen – und somit vielleicht auch aus der schweizerischen.
Von Beatrice Gall (Zukunft CH)