„Glauben Sie noch, oder denken sie schon? Sie planen den Kirchenaustritt? Wir beraten Sie gerne. Freidenker Winterthur.“
Diese Zeilen waren als Inserat im Winterthurer „Landboten“, immerhin der drittgrössten Tageszeitung im Kanton Zürich, am 2. Juni 2010 zu lesen. Besucht man die angegebene Homepage, stösst man auf die bekannten Forderungen dieser radikal aufklärerisch-atheistischen Gruppierung: Da der Mensch „Schöpfer und Herr der Norm“ ist, soll er uneingeschränkt tun dürfen, was sich „humanistisch“ vertreten lässt. Solange keine erwachsenen Mitmenschen zu Schaden kommen, soll Frau und Mann schalten und walten dürfen, wie immer sie wollen, denn ausser dem Mitmenschen, der Umwelt und sich selber gegenüber ist man niemandem Rechenschaft schuldig. Die Ausrottung von Religiosität als Fernziel, das Entsetztsein über die bisherige (mystische) Menschheitsgeschichte, bedingungslose Rationalität, der Mensch als souveränes Wesen, die Selbstanklage des Menschen über eine „rückständige“ Wissenschaft, gezieltes Handeln gegen göttliche Gebote, Abtreibung von Kindern, die Darstellung der Frauen als permanente Opfer sowie die grosse Sorge um Wohlstandsverlust bei weiterem Anstieg der Weltbevölkerung gehören zum Pflichtgesinnungsrepertoire solch moderner „Freidenker“. Die Aufklärung als Erlösung der Menschheit, ein zu ihren Gunsten instrumentalisierter Charles Darwin, Naturwissenschaft, die alleinige menschliche Vernunft und eine gottlose Ethik sind ihre „Gottheiten“.
Sie sind alle sehr gebildet, die Frontmänner dieser Denkbewegung. Als wohl bekannteste Leader gelten die Engländer Prof. Dr. Richard Dawkins und Prof. Dr. Christopher Hitchens. Gott sei „eifersüchtig und ungerecht, ein Rassist, Schwulenhasser und Kinderkiller, ein übler Korinthenkacker und ethnischer Säuberer“ – so pflegt Dawkins seine Lesungen jeweils zu beginnen. Gott sei unlogisch, überflüssig – und schlimmer noch: Er sei gefährlich. „Glauben ist und bleibt ein infantiles Verhalten.“ „Religion vergiftet alles. Sie ist der Feind der Wissenschaft und beruht grossteils auf Lügen!“ ergänzt Kollege Hitchens. Mutter Theresa sei ein „leichenfressender Dämon“ und jeglicher Religion solle man „mit Hass und Spott“ begegnen. Aus Italien stammt der „Segensspruch“ der Wortgewaltigen, vom Mathematiker Piergiorgio Odifreddi: „Der allmächtige Logos segne euch, im Namen des Vaters Pythagoras, des Sohnes Archimedes und des Heiligen Geistes Newton.“
Sie nennen sich „The Brights“, die Anhänger des neuen Atheismus, was soviel wie „die Hellen, die Leuchtenden, die Strahlenden“ heisst und haben bereits so genannte „Atheistenlager“ aufgebaut, wo speziell Kindern jegliche metaphysischen Zugänge ausgetrieben werden.
Wie auch immer – unumstössliche wissenschaftliche Tatsache ist, dass auch die „Hellen“, die „Wissenden“, nur einem Glauben folgen, denn eine Nichtexistenz Gottes haben sie wissenschaftlich bis heute nicht beweisen können. Genau diesen Beweis wären sie der Welt aber schuldig, wenn sie ihr des Menschen Existenz als „selektiven Zufall“, den Gottesglauben als „Gift“ und „Lüge“ und ihre Dogmen „Kein Krieg und kein Sterben eines Kindes ist jemals hinweggebetet worden“ und „je grösser die Menge des Gebets, umso grösser das Unrecht“ ins Hirn waschen.
Es ist wahrlich eine erhellende Freude, nicht mehr wie die Freidenker glauben zu müssen, sondern schon denken, erfahren und kennen zu dürfen.
Quellen: Der Landbote, 2.6.2010; www.atheisten.ch; www.infidels.org; www.religionisbullshit.net; Smoltczyk A. (2007): Der Kreuzzug der Gottlosen. In: Der Spiegel, Nr. 22/2007; Onfray M. (2007): Zurück zur Fackel der Aufklärung. In: Der Spiegel, Nr. 22/2007; Kneip A. (2007): Beten verboten! In: Der Spiegel, Nr. 22/2007; www.wikipedia.org
R.W.