In der Vorweihnachtszeit gibt es tausend Dinge zu erledigen. Und dann bricht sich Mias Mama auch noch das Bein.
Eine Weihnachtsgeschichte von Regula Lehmann
Es ist Advent. Kein Advent wie jeder andere. Mias Mama hat sich bei einem Ausflug das Schienbein gebrochen und humpelt jetzt mühsam an Krücken durch die Wohnung. „Zu dumm“, findet Papa, „wir wollten übers Wochenende doch zur Shopping-Arena fahren, um Weihnachtsgeschenke einzukaufen. Und überhaupt ist in der Vorweihnachtszeit immer so viel los. Die Kinder müssen zu Proben und Konzerten chauffiert werden, es gibt tausend Dinge zu organisieren und im Geschäft steht der Jahresabschluss an. Keine Ahnung, wie ich das schaffen soll – Beinbruch im Januar wäre deutlich praktischer gewesen.“
„Das merke ich mir, für nächstes Mal!“, lacht Mama, die mit hochgelagertem Bein auf dem Sofa sitzt und in einem Buch schmökert, „Meine Chefin war auch nicht begeistert, als ich mich krankmelden musste. Machen wir einfach das Beste draus. Für dieses Jahr werde ich Mia und Toby vom grossen Weihnachtskonzert abmelden und die Geschenklisten werden drastisch gekürzt. Was meinst du dazu, Mia-Kind?“ Mia findet es wunderbar. Noch nie hatte Mama so viel Zeit, um zu spielen oder vorzulesen. Und, auch wenn es manchmal ganz schön anstrengend ist, fühlt sie sich wichtig, wenn sie für alle einkaufen fährt oder Papa beim Hausputz zur Hand geht. „Ist doch eigentlich viel schöner, Dinge gemeinsam zu erledigen“ überlegt Mia, während sie genüsslich die Zimtsternreste aus der Teigschüssel kratzt. Plätzchen backen funktioniert trotz Mamas Hinkebein prima!
An Heiligabend herrscht ein herrliches Durcheinander. Der Weihnachtsbaum, den Toby und Papa beim Förster geholt haben, ist so hoch, dass er gar nicht ins Wohnzimmer passt und erst tüchtig gekürzt werden muss. Nun sieht er etwas zerzaust aus – „passend zum Familienalltag“, – wie Mama sagt. Weil sie dieses Jahr nicht auf die Leiter klettern darf, schmückt Papa den oberen Teil des Baumes ausgiebig mit Lametta und dem grössten Stern, der sich im Christbaumschmuck findet. „Ganz schön erschlagend“ findet Mama, aber Papa lässt sich nicht beeindrucken und behauptet, Mama verstehe eben keine „Männerkunst“. Was Toby breit grinsend bestätigt und eine breite Glitzerschleife um Mamas Gipsbein bindet.
Halb so schlimm, dass nicht alle gewünschten Geschenke unter dem Weihnachtsbaum liegen, es gibt ja noch Geburtstage und andere gute Gelegenheiten. „Und, überhaupt: wir haben das, was alle sich wünschen“, denkt Mia glücklich und kuschelt sich in ihre neue, flauschige Decke, die Papa für sie in knallbuntes Schneemannpapier eingewickelt hat; „fröhliche Weihnachten!“