Der ghanaische Kardinal Peter Turkson hat Europa ermahnt, seine demografischen Probleme nicht auf Afrika abzuwälzen, indem man die Einwanderung junger Afrikaner fördere. Damit widerspricht er der fatalistischen Willkommenskultur, der viele europäische Bischöfe huldigen.

Von Dominik Lusser

Wie katholisches.info am 26. Juni 2018 von einer Entwicklungshilfetagung im ligurischen Albenga berichtete, soll laut Kardinal Turkson der Fokus auf Massnahmen in den Heimatländern gesetzt werden, um es gar nicht zur Auswanderung kommen zu lassen. Bereits 2017 hatte der ghanaische Kardinal in diesem Sinne davon gesprochen, „den Hahn zuzudrehen“. Während westliche Kirchenvertreter inklusive Papst Franziskus meist eine (eher) unkritische Haltung zur Masseneinwanderung einnehmen, kommt von afrikanischen Bischöfen oft eine gegenteilige Botschaft, die allerdings kaum Gehör findet.

Vereinnahmung des Evangeliums

Die meisten katholischen Bischöfe Westeuropas, aber auch ihre evangelischen Mitbrüder, haben der fatalistischen Willkommenskultur, die Europas Identität radikal verändern dürfte, längst ihren christlichen Segen erteilt. Wir erinnern uns, dass der Münchner Kardinal Reinhard Marx die Migrationspolitik der offenen Grenzen von Bundeskanzlerin Angela Merkel im letzten Jahr als „Politik aus dem christlichen Glauben heraus“ gelobt hat. Im Umkehrschluss würde dies bedeuten: Wer etwas gegen die Masseneinwanderung einzuwenden hat, kann kein guter Christ sein.

Angesichts dieser ebenso verbreiteten wie irreführenden Behauptung ist es Augen öffnend, wenn ausgerechnet afrikanische Kirchenvertreter die Sache ganz anders beurteilen. Kardinal Turkson, Präfekt des von Franziskus 2016 neuerrichteten „Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen“ ist dafür ein prominentes Beispiel. Der ghanaische Kardinal wehrt sich gegen die Vereinnahmung des Evangeliums für eine bestimmte Migrationspolitik. Es sei wichtig, so der Kardinal, dass der „gute Samariter denen hilft, die in Schwierigkeiten sind“. Das sei eines der ausdrucksstärksten Gleichnisse des Evangeliums. Damit sei aber nicht eine ganz bestimmte Form von Hilfe gemeint, geschweige denn ein bestimmtes politisches Programm. Turkson plädiert seinerseits für Hilfe vor Ort, was seiner Meinung nach sowohl für Afrikaner wie Europäer die vorteilhaftere Lösung darstellt.

Gesunder Menschenverstand

Auch Stephen Smith, Professor für Afrikastudien an der amerikanischen Universität Duke in North Carolina, hält es für unmoralisch, Europas demografischen Niedergang durch Migranten aus Afrika zu stoppen. „Dass junge Afrikaner unseren alternden Gesellschaften als ‚Rentenfutter‘ dienen sollen, ist unsinnig und empörend“, sagte der Autor des Buches „La ruée vers l’Europe“ („Der Ansturm auf Europa“), das im Oktober in deutscher Fassung erscheint, im Juli gegenüber der Basler Zeitung. Die Lebenserwartung in Europa sei so gestiegen, dass man dort besser über eine Erhöhung des Rentenalters nachdenken sollte. Die jungen Afrikaner würden am meisten in ihren Heimatländern gebraucht.

Was notut ist also nicht eine pseudo-theologische Überhöhungen politischer Probleme, sondern gesunder Menschenverstand: „Wo es mehr Gäste als Kinder gibt, kommt es immer zu starken Spannungen“, hatte Turkson schon 2017 gesagt. Asyl könne dann gewährt werden, wenn die einheimische demografische Entwicklung gesichert sei. „Die Nationalismen entstehen gerade wegen der Sorge der einheimischen Bevölkerung eines Landes, durch die Einwanderung einer neuen Bevölkerung geschluckt zu werden.“ Soweit die Klarsicht eines schwarzafrikanischen Kardinals. Wer hingegen ernsthaft der Meinung ist, der viel bemühte christliche Universalismus ziehe die Abschaffung von Grenzen, Völkern und kulturellen Identitäten nach sich, ist einer sozialistisch-säkularen Verfälschung des Evangeliums auf den Leim gegangen.

Lassen wir in der Migrationsdebatte also endlich Sachlichkeit und Nüchternheit Einzug halten. Und denken wir dabei auch daran, was der Massenexodus junger Afrikaner für die Zukunft der afrikanischen Völker bedeutet.