In Labors wird mit menschlichen Föten in künstlichen Gebärmuttern experimentiert. Diese sollen in absehbarer Zukunft die vollständige Entwicklung eines Menschen ausserhalb des Körpers der Frau ermöglichen. Doch hätte die Frau ohne Mutterschaft überhaupt eine Zukunft? Die Bioethikerin vierfache Mutter Laetitia Pouliquen hat darüber ein Buch geschrieben.
Von Dominik Lusser
Der Muttertag vom 14. Mai ist eine gute Gelegenheit, sich über das Genie der Frau, die Mutterschaft, und dessen Zukunft Gedanken zu machen. Eine, die dazu viel zu sagen hat, ist die in Belgien lebende Bioethikerin Laetitia Pouliquen. Als Gründerin der Organisation Woman Attitude und mit dem Slogan „Rechtsgleichheit, Komplementarität, Verschiedenheit“ ist sie bestrebt, die Fehlleistungen des Radikalfeminismus zu überwinden.
2016 ist Pouliquens Buch „Femme 2.0“ erschienen. Darin zeigt sie, wie Feminismus, Gender-Ideologie und Transhumanismus Hand in Hand an einer Entwicklung arbeiten, die letztlich zu einem gänzlichen Verschwinden der Frau führen könnte. Dieser Entwicklung stellt sich Pouliquen mutig entgegen, u.a. im Umfeld des EU-Parlaments in Brüssel. Sie zeigt Frauen Alternativen zum Mainstream-Feminismus auf, ermutigt sie dazu, „ganz Frau zu sein“, über das eigene Frausein zu staunen und ihre Rolle als Schützerinnen des Lebens wahrzunehmen.
Radikalfeministisches Erbe
Der Radikalfeminismus seit den 1960er-Jahren sei über sein Ziel hinausgeschossen, warnt Pouliquen: „Dieser stellte die Sexualität ins Zentrum, indem er sie als Hauptursache der Unterdrückung der Frau ausmachte.“ Die durch Relativismus, Liberalismus und Existentialismus geprägte Theorie der Frauenbewegung habe Frauen allerdings dazu angestiftet, sich von moralischen Normen, von der Kultur und den geschlechtlichen Unterschieden zu befreien: Ein durch Relativismus und Individualismus geprägter Feminismus forderte Unabhängigkeit und sexuelle Freiheit. „Die Frau wurde so zum Konkurrenten des Mannes“. Für Pouliquen bedeutet dies das Ende der Anerkennung der Komplementarität und Unterschiedlichkeit von Mann und Frau.
In der tiefgreifenden Veränderung, welcher die Frau in unserem Jahrhundert unterworfen ist, sieht Pouliquen das Ergebnis dreier politischen Agenden, „die eng zusammenhängen, und die zur Schöpfung einer ‘Frau 2.0’ führen könnten, einem genderneutralen, ‘technisch verbesserten’ Individuum ohne Nachkommenschaft.“
Die politische Agenda des radikalen Feminismus der 1960er-Jahre mit seiner Devise „Mein Körper gehört mir“ basiert laut Pouliquen auf der technischen Manipulierbarkeit der Fruchtbarkeit der Frau durch Verhütung, Abtreibung, Eispende, künstliche Befruchtung, Leihmutterschaft, und letztendlich die künstliche Gebärmutter. Diese wäre eine Maschine, welche die Entwicklung eines menschlichen Embryos bzw. Fötus von der Empfängnis bis zur Geburt ausserhalb des weiblichen Körpers bewerkstelligen könnte. Dazu wird gegenwärtig in amerikanischen und südkoreanischen Labors mit lebenden menschlichen Föten tatsächlich geforscht, wie Pouliquen aufzeigt. Bereits die Radikalfeministin Shulamith Firestone hatte 1970 in „Die Dialektik der Geschlechter“ Schwangerschaft und Geburt als Quelle der Geschlechterungleichheit benannt und postuliert, dass eine künstliche Gebärmutter „die Frauen von der Tyrannei ihrer reproduktiven Biologie befreien“ würde.
Der manipulierte Körper
Wesentliche Konsequenzen dieser politischen Agenda sind laut Pouliquen u.a. ein verschärfter Konkurrenzkampf zwischen Mann und Frau auf verschiedenen Ebenen: wirtschaftlich, verhaltensmässig und psychologisch; eine Zunahme von Frauengewalt und paradoxerweise die Schaffung eines Marktes für die fruchtbarkeitsrelevanten Nebenprodukte des weiblichen Körpers: Verkauf von Eizellen, Menstruationsblut und Muttermilch sowie die Vermietung der Gebärmutter. „Und im Namen der Geschlechtergleichheit, die sich auf die politische Gender-Agenda stützt, lässt die Antwort des ‘Hirten’ auf die ‘Hirtin’ nicht auf sich warten: Manche Männer fordern bereits ein ‘Recht’ auf Mutterschaft, indem sie durch Fortpflanzungstechnologie die natürliche Abstammung verdrehen und den männlichen Zugang zum Stillen und zur Schwangerschaft fordern.“ Überhaupt führe die Gender-Ideologie zu einer Einebnung der Geschlechtsunterschiede, weil Geschlecht und Körper angeblich nichts mehr über die Person aussagten.
Bereits die politischen Agenden des Radikalfeminismus und des Genderismus schaffen also, wie Pouliquen resümiert, eine von ihrer Fruchtbarkeit und ihrem geschlechtlichen Körper „befreite“ Frau: Diese wird zu einem geschlechtslosen Wirtschaftsfaktor.
Ende oder Renaissance der Frau?
Doch der Transhumanisus als weitere politische Agenda „wird eine noch gefährlichere, weil irreversible Transformation mit sich bringen“: Diese Ideologie gebe sich nicht damit zufrieden, den Tod zu überwinden. Sie wolle „ein ganz und gar neues Wesen schaffen, das weder Mann noch Frau sein soll“. Die Fortschritte der Nano-, Bio-, Informations- und Kognitionswissenschaften könnten so das Ende der Mutterschaft bedeuten, und aus Gründen sozialer Eugenik ein geschlechtsloses, „verbessertes“ Individuum ohne Nachkommenschaft hervorbringen, in dem man weder Mann noch Frau wird erkennen können.
Als ermutigende Nachricht für alle Frauen und Mütter hält Pouliquen aber auch eine Alternative zu dieser Entwicklung bereit. „So viel ist klar: Der Transhumanismus würde der Identität von Frau und Mann ein Ende setzen.“ Pouliquen schlägt darum als Gegenmittel einerseits vor, die biologische Abhängigkeit und die Verletzlichkeit des menschlichen Lebens neu zu akzeptieren; anderseits müsse eine grosse Liebe zur Menschheit den Erfinderdrang dazu führen, die neue Technologie in den Dienst eben dieser Menschheit zu stellen. „Das Staunen über die Schönheit des Frauseins sowie über die Komplementarität zum Mann ist also heute nötiger denn je zuvor!“
Mutterschaft: Das Genie der Frau
Für den Fall, dass das nicht gelingen sollte, prognostiziert Pouliquen das „désenfantement“ der Menschheit, also das Verschwinden der natürlichen Mutterschaft und somit der Frau überhaupt. Denn ein komplett vom Muttersein losgelöstes Frausein ist für Pouliquen nicht denkbar, wie sie im April in einem TV-Interview sagte. Nicht, dass es nicht auch eine geistige Fruchtbarkeit der Frau geben könnte. Rede man mit nicht-ideologischen Frauen im Alltag, stelle man allerdings fest: Die Mehrheit wünscht sich, Kinder zu bekommen. Nehme man der Frau die Mutterschaft, raube man ihr „ihre Spezifizität, das ihr eigentümliche Genie, ihre Grosszügigkeit. Die Frau verzehrt sich, gibt all ihre Kraft in die Geburt hinein; sei es physiologisch, oder auch als eine Öffnung zum anderen hin, als eine Beziehung zum anderen.“ Die Frauen sind, wie die Mutter von vier Söhnen nicht ohne gesunden Stolz sagt, diejenigen, „die Liebe ermöglichen, und die den Kindern erlauben, die Liebe weiterzugeben. Sie sind es, die dem Mann sagen: Du wirst nun Vater.“ So entstehe eine Bewegung der Liebe, die durch die Frau und niemanden sonst angestossen werde.
Wenn allerdings, wie Pouliquen kritisiert, nach den Zielen der EU bald alle Frauen arbeiten sollen, wird der Frau genau diese Spezifität genommen. Sie wird dann – „wie alle anderen“ – zu einem simplen Konsumenten. Dass die engagierte Frauenrechtlerin dies mit allen Kräften zu verhindern versuchen wird, nimmt man ihr ab. Wären alle Feministinnen wie sie, es stünde besser um unsere Gesellschaft, auch um uns Männer und Väter!