In der Schweiz wachsen schätzungsweise 100’000 Kinder in einem Elternhaus auf, das von Alkohol oder anderen Substanzen schwer belastet ist. Die jährliche, von der Stiftung Sucht Schweiz koordinierte Aktionswoche findet heuer vom 11. bis zum 17. März statt, zahlreiche Organisationen in 14 Kantonen führen über dreissig Aktionen durch.
Auch von immer mehr Kulturproduktionen wird das Thema aufgegriffen. Nach Filmen wie Trinkerkinder, Platzspitzbaby oder Prinzessin wird nun der Dokumentarfilm „Löwenzahnkind“ während und nach der Aktionswoche an mehreren Orten gezeigt. Der Film begleitet Jasmin, ehemalige Betroffene, auf ihrer Reise nach Portugal, wo sie ihren ehemals heroinabhängigen Vater besucht. Sie und weitere Betroffene erzählen ihre Geschichte und von Herausforderungen und Vorurteilen, mit denen betroffene Kinder konfrontiert sind.
Näher hinsehen und die Hand reichen – das kann die Bevölkerung tun
Die Aktionswoche soll die Bevölkerung dazu ermutigen, die Augen offenhalten und dazu beizutragen, dass betroffene Kinder Halt und Unterstützung finden. Die Broschüre „Was kann das Umfeld tun?“ gibt Anleitung, wie mit betroffenen Eltern und Kindern das Gespräch gesucht werden und wie man für betroffene Kinder da sein kann. Gleichzeitig wird gezeigt, welche Instanzen im Notfall helfen.
„Das Kind soll geschützt werden. Vertraut es sich Ihnen an, betrachten sie dies als Geschenk, nicht als Belastung… Erkennen sie ein kindliches Leiden, ein Flehen, ein wortloses Signal. Hören Sie hin. Setzen Sie sich damit auseinander, auch auf die Gefahr hin, dass gar nichts ist“, sagt z.B. Marc*, der bei Eltern aufgewachsen ist, die eine Suchterkrankung hatten.
Die Situation der Kinder
Wenn ein Elternteil suchtkrank ist, leidet die ganze Familie darunter. Für die Kinder bedeutet dies oftmals, dass das Familienklima angespannt, konfliktbeladen und unberechenbar ist. Sie sind täglich mit Angst, Scham, Schuldgefühlen, Unsicherheit und nicht zuletzt mit Isolation konfrontiert. „Da man in einem Dorf wohnt, weiss man sehr gut, dass ‚jeder Bescheid weissʻ. Als Erwachsene blicke ich mit Bitterkeit auf diese Zeit zurück, vor allem gegenüber den Erwachsenen, die mich damals umgaben. Nur sehr wenige kümmerten sich um das, was ich durchmachte. Ich war brav und schulisch erfolgreich, also ‚warum sich Sorgen machenʻ“, erklärt beispielsweise die 34-jährige Aline*, die bei ihrer alkoholabhängigen Mutter aufwuchs.
Kinder aus suchtbelasteten Familien lieben ihre Eltern und wollen sie schützen. Umgekehrt wollen auch suchtkranke Eltern gute Eltern sein und verheimlichen aus Angst und Scham ihre Probleme. Deshalb bleibt die schwierige familiäre Situation meist geheim und die Kinder tragen die Last dieses Geheimnisses während der ganzen Kindheit. Ihr Leiden wird deshalb oft nicht erkannt.
Auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene
Die Aktionswoche in der Schweiz ist Teil einer internationalen Bewegung: Verschiedene Länder wie Deutschland, Irland, Schweden, Finnland, Slowenien, USA, Südkorea und Indien führen z.T. seit mehreren Jahren eine solche Aktionswoche durch. In der Schweiz beteiligen sich zahlreiche Organisationen und führen in 14 Kantonen über 30 öffentlichkeitswirksame Aktivitäten durch. Eine Liste der Aktivitäten und der Organisatoren findet sich hier:
Aktivitätenliste: Aktionswoche für Kinder von suchtkranken Eltern
Weitere Informationen sowie Betroffenenberichte finden sich unter: www.kinder-von-suchtkranken-eltern.ch
*Pseudonym