Seit ihrer Einführung im Jahr 2013 sorgt die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB immer wieder für Schlagzeilen. Während die einen beklagen, dass Interventionen zu spät eingeleitet werden, empfinden andere die Arbeit der Behörde als unverhältnismässigen Eingriff in die Privatsphäre. Gegen den KESB-Präsidenten von Dornach BL wurde laut der BaZ vom 15. Mai eine Aufsichtsbeschwerde aufgrund „systemischer Mängel“ eingereicht.
Von Regula Lehmann
Die KESB Dorneck-Thierstein/Thal-Gäu (DTTG) sieht sich massiven Vorwürfen ausgesetzt. Die emeritierte Professorin Annelies Münch, früheres Mitglied einer Fachkommission für das Amt für soziale Sicherheit in Solothurn (ASO), weist in ihrer Stellungnahme auf ein „geschlossenes Machtsystem“, eine „Vernetzung von Gleichgesinnten“ und auf „willkürliches Handeln“ hin. Die Solothurner Kantonsrätin Stephanie Ritschard spricht von rund 100 Fällen, in welchen sie „systematische Mängel“ entdeckt hat.
Im Fall eines Vaters in Dornach, welcher seinen beiden Kindern nie etwas angetan hat, diese aber schliesslich im Rahmen von sogenannten Erinnerungskontakten nur noch viermal im Jahr sehen darf, hat Ritschard beim Regierungsrat eine Aufsichtsbeschwerde gegen den KESB-Präsidenten Rolf Eggenschwiler eingereicht. Stossend ist für Ritschard, dass von Kinderschutz gesprochen wird, obwohl einvernehmliche Lösungen von der KESB her weder bestehen noch gewünscht werden und keine Unterstützung der Betroffenen stattfindet. Zudem stellt sie die Frage, wer verantwortlich ist, wenn der kooperative Elternteil ausgegrenzt und der unkooperative Elternteil in seinen kindesschädigenden Handlungen noch gefördert wird.
Auch in anderen Regionen der Schweiz sorgte die KESB in den letzten Jahren für Unmut. Dass Angehörige die administrativen Angelegenheiten ihrer betagten Eltern nicht mehr erledigen dürfen, weil diese keinen Vorsorgeauftrag verfasst haben, irritiert und verärgert nicht nur, sondern verursacht auch Kosten: Während Angehörige sich gratis um Einzahlungen und Buchhaltung kümmern, verrechnet die Kesb ihren Aufwand.
Dass die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde 2013 keine leichte Aufgabe angetreten hat, ist offensichtlich. Gefährdungen richtig einzuschätzen und verhältnismässig zu agieren erfordert einerseits Fingerspitzengefühl und andererseits den Mut, Massnahmen einzuleiten und dabei – zugunsten der gefährdeten Kinder oder Erwachsenen – manchmal auch den Unmut von Eltern oder Angehörigen auszuhalten. Wird aufgrund der Umstände wie beispielsweise fehlender Betreuung oder Drogensucht eines Elternteils, eine Massnahme gesprochen, ist die KESB an den verfassungsmässigen Grundsatz der Verhältnismässigkeit gebunden. Was im Fall einer Kindsgefährdung bedeuten kann, dass eine Fachperson in Erziehung zur Unterstützung in die Familie geschickt oder eine Beistandsperson eingesetzt wird, die den Eltern in Rat und Tat bei der Erziehung hilft. Schärfere Mittel, wie beispielsweise die massive Einschränkung des Besuchsrechtes oder die Fremdplatzierung eines Kindes, sollen möglichst zurückhaltend eingesetzt werden.
Bei all diesen Überlegungen geht die KESB vom Begriff des „Kindeswohls“ aus. Schwierig an diesem Begriff ist, dass er unscharf und deshalb auslegungsbedürftig ist. Allgemein kann der Begriff „Kindeswohl“ wie folgt definiert werden: „Kindeswohl ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der im Einzelfall zu konkretisieren ist. Das Kindeswohl umfasst alle Aspekte der Persönlichkeit des Kindes: die körperlichen, sozialen, emotionalen, kognitiven und rechtlichen. Dabei gilt der Grundsatz, dass das Kindeswohl dann gewährleistet ist, wenn die Grundbedürfnisse von Kindern befriedigt und die Grundrechte gesichert sind. Ein am Kindeswohl ausgerichtetes Handeln orientiert sich an diesen Aspekten und wählt die am meisten dienliche und am wenigsten schädliche Handlungsweise.“
Im Fall der KESB Dornach wird das laufende Verfahren zeigen, ob diesem Grundsatz entsprochen wurde. Dass die Arbeit der KESB im Spannungsfeld zwischen notwendigem Schutz und unverhältnismässigem Eingriff in die Privatsphäre auch weiterhin für Aufmerksamkeit sorgen wird, liegt auf der Hand.