Tausende von Männern wenden sich in der Schweiz und anderen Ländern an Frauen in der Prostitution, um sexuelle Wünsche auszuleben. Das Internet-Projekt „frei statt Freier“ soll nun Männern helfen, über die Folgen des Sex-Kaufs – für sie selbst, ihr persönliches Umfeld und die betroffenen Frauen – sowie über persönliche Freiheit nachzudenken. Beatrice Gall von Zukunft CH im Interview mit dem Initianten und Gründer David Gysel.
Zukunft CH: Herr Gysel, was war der Auslöser für Ihr Projekt?
Gysel: Wie salopp viele Männer in der Schweiz mit dem Thema Sex ausserhalb der Ehe oder ausserhalb einer sonstigen festen Beziehung umgehen, beschäftigte mich schon länger. Im Sommer 2023 hatte ich beruflich mit mehreren Organisationen zu tun, die auf christlicher Basis Frauen begleiten, die in der Prostitution sind, und diese Frauen wenn möglich beim schwierigen Ausstieg unterstützen. Plötzlich setzte sich in mir der bohrende Gedanke: „Da bemühen sich Frauen aus christlicher Motivation, um Frauen in den Nöten der Prostitution zu unterstützen. Was tun wir Männer, damit andere Männer diese Nöte nicht erst schaffen, sich grundlegende Gedanken über ihr Leben mit Sex-Kauf machen und so einen neuen Lebensinhalt finden?“
Zukunft CH: Wie ging es dann weiter?
Gysel: Private Abklärungen zeigten, dass es zwar öffentliche Kampagnen für eine Bestrafung von Freiern, gegen Menschenhandel und zum Porno-Konsum gibt, aber eine öffentliche Kampagne, die Männer auf der persönlichen, seelsorgerlichen Ebene zu ihren Sehnsüchten und Werten anspricht, zu fehlen scheint. Gleichzeitig wurde ich ermutigt, eine Online-Kampagne zu starten, weil in der Schweiz täglich Tausende von Männern Sex kaufen, dies aber weder für diese Männer und erst recht nicht für betroffene Frauen Probleme löst.
Zukunft CH: Prostitution wurde in den letzten Jahrzehnten in vielen Ländern, auch der Schweiz, zunehmend legalisiert und „salonfähig“ gemacht. Man wollte es aus der „Schmuddelecke“ als Thema rausholen und den Prostituierten eine bessere Lebensgrundlage bieten, indem man Prostitution als Job anerkennt. War das der falsche Weg?
Gysel: Dieser Weg löst höchstens das Einkommensproblem für kurze Zeit, wenn eine Frau diesen „Job“ verliert, weil er bei entsprechender Deklaration von Sozialversicherungen anerkannt wird. Der Weg löst aber nicht, dass sehr viele Frauen aus purer Not oder unter Zwang in die Prostitution gelangen. Ebenso wenig werden die psychischen Schäden der Frauen behoben. Ob gesetzlich anerkannt oder nicht anerkannt: Die intimsten Bereiche ihres Körpers am Laufmeter zur Verfügung zu stellen, hinterlässt innert kurzer Zeit tiefe Spuren bei den Frauen. Oft helfen nur Drogen und Alkohol, dies auszuhalten, berichten Fachstellen. „Es ist kein Job wie andere Jobs“, betonte mir gegenüber auch eine im Milieu tätige Polizistin. Dass Medien sogar über Sado-Maso-Sex, Gewalt-„Spielen“ in der Prostitution, immer wieder bagatellisierend berichten, erschüttert mich. Das hat mit einer aufgeklärten Gesellschaft, mit Menschenwürde und mit Freiheit nichts zu tun.
Zukunft CH: Warum ist es wichtig, wie Sie sagen, „frei“ zu werden?
Gysel: Es reicht nicht, einfach etwas anständiger zu einer Frau in die Prostitution zu gehen, ausschliesslich zu Frauen zu gehen, die sozusagen einen Label „nicht aus Menschenhandel“ tragen, oder sich dem Porno-Konsum zuzuwenden. Da macht man sich etwas vor. Menschenwürde kehrt erst ein, wenn Menschen in ihrem Inneren frei sind. Sie müssen sich dem stellen, was sie gefangen nimmt: Sehnsüchte, allfällige erniedrigende Phantasien und Sex-Sucht. Dieser Weg, so Verantwortung für sich und sein Umfeld zu übernehmen, ist oft nicht leicht, weshalb ich externe Beratungsangebote auf christlicher Basis verlinke. Als Christ bin ich der Überzeugung, dass es für jeden wichtig ist, mit der Bibel über Gottes guten Plan für das eigene Leben nachzudenken. In jedem Fall aber beinhaltet die Verantwortung, sich über die Gründe der eigenen Sehnsüchte, die Folgen des Verhaltens und mögliche neue Perspektiven ehrlich Gedanken zu machen.
„frei statt Freier“ ist ein gemeinnütziges Projekt des Verlags Esras.net (Niederbüren SG/CH). Der Verlag Esras.net basiert auf christlichen Werten und publiziert unter anderem zu Themen aus der Lebensberatung, Ethik und Theologie.
Die Website www.frei-statt-freier.net soll Fragen für Männer vor dem Sex-Kauf öffentlich und für private Gespräche in die Runde zu werfen. Sie liefert nicht Antworten, sondern schlägt nach den Fragen vor allem die Brücke zu christlichen Beratungsplattformen, damit Betroffene nicht allein mit ihren Fragen bleiben. Fragen im Gespräch mit einem kompetenten Gegenüber zu klären kann helfen, im Umgang mit Sex-Kauf und letztlich im Umgang mit eigenen Sehnsüchte Schritte zu wagen, die für einen selbst und das Umfeld gewinnbringend sind, so der Initiant David Gysel.