Bruder Andrew, der durch seinen unerschrockenen Einsatz für Christen in Verfolgung weltweit bekannt wurde, starb am Dienstag, den 27. September 2022, im Alter von 94 Jahren in seinem Haus in den Niederlanden, gab die Menschenrechtsorganisation „Open Doors“ in einer Medienmitteilung bekannt. Anne van der Bijl, so sein bürgerlicher Name, war der Gründer von Open Doors, dem weltweit ältesten Werk für verfolgte Christen, das 2015 sein 60-jähriges Bestehen feierte.
1955 besuchte Bruder Andrew in Begleitung einer niederländischen Delegation das Weltfest der kommunistischen Jugend in Polen. Dort entdeckte er die Existenz einer christlichen Kirche hinter dem Eisernen Vorhang, die dringend Bibeln brauchte. Bruder Andrew verteilte einen Koffer voll christlicher Literatur, der die bescheidenen Anfänge von Open Doors bedeutete. Heute arbeitet die Organisation in mehr als 70 Ländern mit rund 1400 Mitarbeitern, um verfolgte Christen zu unterstützen.
Vom kommunistischen Polen bis zum Ende der Welt
Bruder Andrew erklärte oft: „Unser Dienst heisst ‚Open Doorsʻ, weil wir glauben, dass alle Türen offen stehen, jederzeit und überall. Ich glaube buchstäblich, da alle Türen offen sind, um ein Land zu betreten und Christus zu verkünden, solange man bereit ist zu gehen und sich keine Sorgen darüber macht, ob man zurückkehren wird. Ein russischer Pastor sagte einst: „Bruder Andrews wahre Leidenschaft und Hingabe für leidende Christen auf der ganzen Welt bewegte mein Herz und ermutigte mich, selbst in den dunkelsten Stunden meines Lebens hinter Gittern.“
Der Schmuggler mit dem VW Käfer
Die Autobiographie von Bruder Andrew namens „Der Schmuggler Gottes“ ist zu einem internationalen Bestseller geworden. Seit 1967 wurde das Buch über zehn Millionen Mal verkauft und in 35 Sprachen übersetzt. Es beschreibt den mutigen Weg des Gründers von Open Doors. Die Geschichte erzählt die packendsten Momente seiner Reisen, darunter die gefährlichen Grenzübertritte in seinem VW-Käfer, die Verfolgungsjagden durch den KGB und die bewegenden Begegnungen mit isolierten Christen, wenn sie ein Exemplar der Bibel erhalten konnten.
Eine aktualisierte Ausgabe zum 60-jährigen Bestehen von Open Doors wurde im Jahr 2015 gedruckt. Es enthält einen 20-seitigen Epilog, der weitere Begebenheiten, die nach der Veröffentlichung des ursprünglichen Buches stattfanden, beleuchtet. Es wird geschätzt, da Bruder Andrew 125 Länder besucht und mehr als eine Million Meilen zurückgelegt hat, um das Evangelium zu predigen und Bedürftigen zu begegnen.
Die Liebe zu den Muslimen
In den vergangenen Jahrzehnten hat Bruder Andrew seine Aufmerksamkeit auf die muslimische Welt gerichtet. Er reiste hauptsächlich in den Nahen Osten und nach Südasien. Er war zutiefst davon überzeugt, da die rasche Ausbreitung des Islam eine viel grössere Herausforderung für die christliche Kirche in der ganzen Welt darstellen würde, als es der Kommunismus je tat.
Gleichzeitig führte ihn seine Liebe zu anderen dazu, das Wort ISLAM als Akronym für „I Sincerely Love All Muslims“ zu verwenden, was übersetzt heisst: „Ich liebe alle Muslime aufrichtig“. Er sagte: „Wenn wir eine politische oder religiöse Gruppe oder eine Nation als unseren Feind wahrnehmen, kann die Liebe Gottes uns nicht erreichen, um uns aufzurufen, etwas für ihn zu tun.“
Seine Freundschaft und Liebe zu Gott veranlasste ihn zu privaten Treffen mit den Leitern mehrerer islamisch-fundamentalistischer Gruppen, darunter der Hamas und Hisbollah. Sein 2004 erschienenes Buch „Licht zwischen den Fronten: Neues vom Schmuggler Gottes“ (deutsche Ausgabe 2005), mitverfasst von Open-Doors-Mitarbeiter Al Janen, beschreibt seine Aktivitäten im Nahen Osten. Drei Jahre später folgte das Buch „Verräter ihres Glaubens: das gefährliche Leben von Muslimen, die Christen wurden“, ebenfalls gemeinsam mit Al Janen.
Bruder Andrew erhielt viele Auszeichnungen für seine Arbeit. 1993 wurde er von Königin Beatrix von den Niederlanden zum Ritter geschlagen. Im Jahr 1997 erhielt er den Preis für Religionsfreiheit der „Weltweiten Evangelischen Allianz“ als Anerkennung seines Dienstes für leidende Christen und seiner Leidenschaft für die Verbreitung des Evangeliums.
Gerne erzählte Bruder Andrew jedoch, die Auszeichnung, die ihn am stolzesten machte, wäre, dass er in den 1980er-Jahren vom indianischen Apachenstamm als „Blutsbruder“ bezeichnet wurde. Als Teil der Zeremonie wurde ihm ein Apachenname gegeben, der „Einer, der die Grenzen überschreitet“ bedeutet.
Mitgefühl und entschlossenes Handeln
Er öffnete Türen zu Orten, an die die meisten Christen nicht hingehen. Sein inoffizielles Netzwerk von jeweils einheimischen Christen hat dazu beigetragen, dass jedes Jahr Millionen von Bibeln in der ganzen Welt verteilt und Hunderttausende von Gemeindeleitern ausgebildet wurden. Das Werk Open Doors leistet drüber hinaus sozioökonomische Hilfe, Alphabetisierungsunterricht sowie Berufsausbildung in den gefährlichsten Ländern der Welt.
Philippe Fonjallaz, Leiter von Open Doors Schweiz, erklärt: „Bruder Andrew ist für mich das Beispiel eines Christen, der sein Leben dem Dienst an Gott gewidmet hat. Er folgte dem Ruf, sein Leben in den Dienst der verfolgten Kirche zu stellen und er nahm hohe persönliche Risiken in Kauf, um diese Mission zu erfüllen. Gemäss seinem Vorbild als Mann des Gebets, des Mitgefühls und des entschlossenen Handelns führt Open Doors seinen Auftrag weiter, diejenigen zu erreichen, die wegen ihres christlichen Glaubens leiden.“
Bruder Andrew war 59 Jahre mit seiner Frau Corry verheiratet, die am 23. Januar 2018 starb. Sie hinterlassen fünf Kinder und elf Enkelkinder.