Vor mehr als zehn Jahren erhoben sich auch in Mitteleuropa Stimmen, die sogar bei uns an eine globale Islamisierung die Einführung oder zumindest Berücksichtigung des Religionsrechtes der Scharia gefordert haben. Während sich Menschenrechtler und sogar reformwillige Musliminnen und Muslime weltweit für die Abschaffung des islamischen Rechts engagierten, wurde die Idee aufgebracht, Satzungen der Scharia für muslimische Einwanderer einzuführen.
Von Heinz Gstrein
Den Anfang machte ausgerechnet in der Schweiz der Freiburger Professor Christian Giordano: „Rechtspluralismus: ein Instrument für den Multikulturalismus?“ hiess der Aufsatz, den er in der Zeitschrift der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus publizierte. Der Text barg Sprengstoff. Laut NZZ war das, was der Sozialanthropologe forderte, nicht weniger als ein Bruch mit der bestehenden Rechtsordnung in den modernen westlichen Staaten. Nicht mehr alle sollten vor dem Gesetz gleich sein: Je nach Herkunft, Ethnie oder Religion müsste künftig anderes Recht gelten und von anderen Gerichten beurteilt werden. Für die Muslime in unserer Mitte eben die Scharia.
In Deutschland liess sich der Justizminister von Rheinland-Pfalz für diese Idee begeistern. Der Sozialdemokrat Jochen Hartloff dachte laut über die Einführung islamischer Gerichte nach. Sie könnten dem inneren Frieden dienen, meinte er. Die Scharia sollte im Rahmen des auch in Deutschland angewandten Internationalen Privatrechts eingeführt werden. In Wien entschied sogar 2011 der Oberste Gerichtshof, dass die Scharia für Österreich angewandt werden darf.
Der Blick auf die Realität
Inzwischen sollte die Scharia-Realität im Machtbereich des „Islamischen Staates“ von 2014 bis 2018 in weiten Teilen des Iraks und von Syrien alle eines Besseren belehrt haben: Enthauptungen, Verbrennungen und Steinigungen, die Versklavung von Nicht-Muslimen wie z.B. Jesidinnen oder anderen Minderheiten als Sklavinnen und die Degradierung der Christen zu einer Schattenexistenz, für deren Gewährung sie noch hohe Sondersteuern zu entrichten hatten, haben die Ungerechtigkeiten des islamischen Religionsgesetzes drastisch vor Augen geführt. Niemand sollte sich daher heute weiter für die Scharia stark machen. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Der zum Ende des Schuljahrs 2018/2019 bekannt gewordene interne Bericht der Wiener Lehrerschaft zeigt Erschreckendes: Bei vielen muslimischen Kindern und deren Eltern steht die Scharia über dem Lernen und den Werten der Mehrheitsgesellschaft. Es gibt eine Zunahme von Gewalt, Lehrkräfte werden beschimpft und körperlich bedrängt. Religiös motivierte Konflikte nehmen zu, islamische Religionslehrerinnen und Religionslehrer vermitteln ein sehr fragwürdiges Islamverständnis. Die Situation in den Worten des Chefs der Pflichtschullehrergewerkschaft, Paul Kimberger: „An manchen Schulen ist ein geregelter Unterricht so gar nicht mehr möglich. Wer den Islam kritisiert, ist immer schon islamophob.“ Eine fortgesetzte Realitätsverweigerung oder die stille Hoffnung, dass das Thema von anderen Themen bald verdrängt wird, wären grob fahrlässig, konstatiert die sonst ganz und gar nicht “islamophobe“ Tageszeitung „Der Standard“.
2015 musste auf dem Höhepunkt der Scharia-Ausschweifungen des Islamischen Staates die aus Pakistan stammende, von Islam zum Christentum konvertierte Sabatina James auf die anhaltende Propagierung und Anwendung des islamischen Rechts in einem aufrüttelnden Buch hinweisen; „Scharia in Deutschland – Wenn die Gesetze des Islam das Recht brechen.“ Dem deutschen Staat wirft sie darin im Umgang mit selbsternannten muslimischen „Friedensrichtern“ und Scharia-Gerichten in Hinterhöfen eine „schockierende Ignoranz“ vor. So hat bereits – wie der Bonner „Generalanzeiger“ berichtet – eine Frankfurter Familienrichterin einem seine Frau prügelnden Marokkaner sein „Züchtigungsrecht“ aufgrund des Scharia zugestanden und die Forderung der Misshandelten nach Scheidung ablehnt.
Petition für Verbot der Scharia
Kein Wunder, dass 2019 bereits mehr als eine halbe Million Deutsche Einzelpetitionen im Rahmen der Kampagne „Für ein Verbot des Scharia-Rechts in Deutschlands“ eingebracht haben. In der Petition wird gefordert, die Anwendung der Scharia und die Gründung und Anrufung von Scharia-Gerichten unter Strafe zu stellen. Organisationen und Netzwerke, die eine Anwendung des Scharia-Rechts in Deutschland fördern, sollen vom Verfassungsschutz überwacht und als verfassungsfeindlich verboten werden.
In der Petition heisst es: „Die Islamisierung Deutschlands und Europas ist in vollem Gange. Ein konkretes Anzeichen dafür, dass jede Debatte im Keim erstickt werden soll, ist die Tatsache, dass der Begriff ‚Islamisierungʻ als politisch inkorrekt gebrandmarkt worden ist. Wer den Begriff benutzt, macht sich verdächtig. Wenn über die Umwidmung von Kirchen in Moscheen geredet wird, wenn Weihnachtsmärkte in Wintermärkte umbenannt werden, wenn ahnungslose Ignoranten sich dafür stark machen, dass in den Weihnachtsgottesdiensten muslimische Lieder gesungen werden, wenn die Generalsekretärin der SPD den Begriff ‚Islamischer Staatʻ mit einem Bann belegen möchte, weil er die Ehre der Muslime verletzt, dann kann von der Gefahr einer Islamisierung nicht die Rede sein, dann ist sie bereits in vollem Gange“.
„Molekularer Bürgerkrieg“
In 29 islamischen Staaten ist das islamische Recht der Scharia einzige Quelle oder Hauptquelle des Rechts. In weiteren 26 Staaten ist sie Teil des Zivilrechts. Die islamischen Staaten erkennen auch die allgemeinen Menschenrechte nicht an, sondern beziehen sich in ihrem Gegenentwurf wie der Kairoer Erklärung ausdrücklich auf die Scharia. Das zeigt, dass der Islam in diesen Ländern ein politischer Islam ist, der nicht zwischen Religion, Recht und Politik unterscheidet. Dieses Recht ist mit einer säkularen Demokratie und dem Rechtsstaat unvereinbar.
Der politische Lyriker und Essayist Hans Magnus Enzensberger hat in seinem Buch zur ausufernden muslimischen Gewalt „Schreckens Männer“ schon 2006 das Eindringen der Scharia als einen „molekularen Bürgerkrieg“ entlarvt, der auf die Transformation der staatlichen Ordnung abzielt. Seine Warnung sollte jedenfalls jetzt beherzigt werden.
Mehr zur Scharia im aktuellen Infodossier der Stiftung Zukunft CH: Scharia in Europa – Schon Realität?