Bundesrat und Parlament haben entschieden: Zukünftig sollen Organe ohne ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Person entnommen werden dürfen. Die explizite Zustimmung ist nicht mehr erforderlich mit gravierenden Folgen: Das Recht jedes Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit wird dadurch untergraben. Gegen dieses revidierte Transplantationsgesetz hat ein überparteiliches Komitee das Referendum ergriffen.
Von Ralph Studer
Geht es nach Bundesrat und Parlament, sollen zukünftig Organtransplantation durchgeführt werden können, wenn die betreffende Person nicht ausdrücklich zu Lebzeiten einer Organspende widersprochen hat. Diese sog. Widerspruchslösung würde die bisherige Rechtslage auf den Kopf stellen. Bis anhin galt genau das Umgekehrte: Eine Organspende durfte nur bei ausdrücklicher Zustimmung der betroffenen Person durchgeführt werden (https://www.zukunft-ch.ch/und-ploetzlich-ist-jeder-ein-moeglicher-organspender/) Die bisherige Regelung war auch im Einklang mit den rechtlichen Grundsätzen der Schweiz. In der Rechtslehre war unumstritten, dass schwere Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit einer Person einer expliziten Zustimmung bedürfen. Dies ist Ausdruck des Persönlichkeitsrechts und der Menschenwürde, die jedem Menschen zusteht. Doch nun soll der Zweck offenbar die Mittel heiligen: Mehr Organe sind das Ziel und dieses soll auf dem Weg der nun vorliegenden Widerspruchslösung erreicht werden.
Freiwilligkeit der Spende?
Gerade die explizite Zustimmung gewährleistet, dass kein Mensch Eingriffe gegen seinen Willen in seine körperliche Integrität zu dulden hat. Das Schweigen eines Menschen zukünftig als faktische Zustimmung zu einer Organspende auszulegen, nimmt dem Einzelmenschen und seine Person nicht mehr ernst. Nützlichkeitserwägungen und politische Zielsetzungen dürfen nicht dazu führen, dass der einzelne Mensch plötzlich der Gefahr ausgesetzt ist, nicht gewollten medizinischen Eingriffen ausgesetzt zu sein. Ethisch und moralisch ist ein solches Vorgehen nicht vertretbar.
Eine Organspende als gravierender Eingriff in die menschliche Integrität muss ein freiwilliger Akt bleiben, eben eine Spende. Wie Markus Müller, Rechtsprofessor an der Universität Bern, zu Recht festhält, würde künftig der Staat für alle Menschen entscheiden, die sich nicht rechtzeitig entschieden haben (K-Tipp vom 17. November 2021). Von Freiwilligkeit kann in einem solchen Fall keine Rede sein.
Organspender sind keine Toten
In der aktuellen Diskussion wird in erster Linie davon gesprochen, dass durch Organspende Leben gerettet werden kann. Doch von wem stammen diese Spenderorgane? Es ist wichtig, sich bewusst zu werden, dass Organe nur Personen spenden können, die im Spital auf einer Intensivstation oder Notfallstation einen Hirntod infolge Hirnschädigung oder Herz-Kreislauf-Stillstand erleiden. Die Hirntoddefinition ist in Fachkreisen umstritten. Markus Müller weist zu Recht daraufhin, dass die Organentnahme nicht bei einem Verstorbenen vollzogen wird, sondern bei einem Menschen, der sich im Sterbeprozess befindet. Dies ist ein wesentlicher Unterschied und sollte uns zum Nachdenken Anlass geben.
Schutz der betroffenen Person muss in den Vordergrund
Jeder Mensch ist ein einzigartiges Individuum, der ein Recht auf körperliche Integrität bis zu seinem Lebensende hat. Die Menschenwürde hört nicht plötzlich auf und kann nicht einfach willkürlich aufgrund von Nützlichkeitserwägungen beschnitten werden. Ethisch ist ein solches Vorgehen klar abzulehnen. Die Menschenwürde ist unantastbar und darf nicht nach Belieben begrenzt werden.
Zum Unterschriftenbogen für das Referendum (Sammelfrist bis 20. Januar 2022): Organspende nur mit Zustimmung – Unterschriftenbogen