In der Schweiz war 2014 jedes 20. Kind von Einkommensarmut betroffen und jedes sechste Kind armutsgefährdet. Besonders betroffen sind Kinder, die in Haushalten ohne Erwerbstätige oder nur mit einem Elternteil aufwachsen. Sie sind zudem häufiger mit materiellen Einschränkungen und mangelhaften Wohnsituationen konfrontiert. In vielen Haushalten, die materielle Entbehrungen hinnehmen müssen, stellen Eltern die eigenen Bedürfnisse zugunsten ihrer Kinder zurück. Dies sind einige Resultate des neuen Berichts des Bundesamts für Statistik (BFS) zur Armut und materiellen Entbehrung von Kindern, der am 18. November 2016 der Öffentlichkeit zugängig gemacht wurde.
In der Schweiz waren 2014 knapp 73‘000 Kinder unter 18 Jahren einkommensarm und 234‘000 Kinder armutsgefährdet, was einer Armutsquote von 5,0 Prozent (18 bis 64 Jahre: 5,3 Prozent) und einer Armutsgefährdungsquote von 16,0 Prozent (18 bis 64 Jahre: 11,1 Prozent) entspricht. Armut im Kindesalter kann die Teilhabe- und Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder beeinträchtigen und gilt als Risikofaktor für Armut und soziale Ausgrenzung im späteren Lebensverlauf.
Die Erwerbstätigkeit der erwachsenen Personen im Haushalt gilt als Schlüsselfaktor zur Verhinderung von Kinderarmut. In Haushalten ohne Erwerbstätige ist fast jedes zweite Kind armutsgefährdet und jedes fünfte Kind armutsbetroffen. Auch in Bezug auf die materielle Situation und die Wohnbedingungen sind diese Kinder häufig deutlich schlechter versorgt. Rund 30 Prozent der armutsbetroffenen Kinder sind dieser Kategorie zuzuordnen. Die restlichen 70 Prozent – das sind etwas über 51 000 Kinder – leben hingegen in Haushalten, die trotz Erwerbsarbeit kein Einkommen oberhalb der Armutsgrenze generieren können. In vier von fünf Fällen handelt es sich dabei um Alleinverdienerhaushalte.
Kinder in Einelternhaushalten sind besonders häufig benachteiligt: Fast jedes siebte Kind in dieser Situation ist armutsbetroffen, jedes vierte Kind armutsgefährdet und jedes zweite Kind von mindestens einer materiellen Entbehrung betroffen. Zum Beispiel ist bei rund einem Drittel (32,6%) dieser Kinder der Haushalt nicht in der Lage, abgenützte Möbel bei Bedarf zu ersetzen, und 7,8 Prozent verfügen zu Hause nicht über einen angemessenen Ort zur Erledigung der Schulaufgaben. Kinder in Einelternhaushalten leben zudem besonders häufig in Wohnungen mit Feuchtigkeitsproblemen (23,1%), Strassen- oder Nachbarschaftslärm (22,6%) sowie Kriminalität, Gewalt oder Vandalismus im Wohnumfeld (20,4%).
Eltern verzichten vielfach zugunsten der Kinder
In vielen Haushalten, die mit materiellen Entbehrungen konfrontiert sind, stellen die Eltern die eigenen Bedürfnisse zugunsten der Kinder zurück. Dies kann dazu beitragen, die Ressourcen der Kinder zu stärken und negative Folgen der Armut abzumildern. In über der Hälfte der Haushalte, die sich keine Ferien leisten können, haben die Kinder dennoch die Möglichkeit, eine Woche pro Jahr wegzufahren. Bei Haushalten, in denen mindestens ein Erwachsener aus finanziellen Gründen keine regelmässige Freizeitbeschäftigung ausüben kann, wird sogar rund drei Vierteln der Kinder eine kostenpflichtige Aktivität ermöglicht (z.B. Training in einem Sportverein oder Musikunterricht).
Vergleicht man die Situation der Kinder in der Schweiz mit anderen europäischen Ländern, so zeigt sich ein recht positives Bild: Kinder sind in der Schweiz eher selten armutsgefährdet und auch ihre Wohnbedingungen sind vergleichsweise gut. Ähnlich gut oder etwas besser versorgt sind Kinder meist nur in den skandinavischen Ländern sowie den Niederlanden. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern Europas ist auch der Einfluss der sozialen Herkunft (Bildung und Nationalität der Eltern) auf die Armutsgefährdung in der Schweiz gering.
Armut im Kindesalter kann unmittelbare und langfristige negative Auswirkungen nach sich ziehen. Um dem mehrdimensionalen Charakter der Kinderarmut Rechnung zu tragen, werden im Bericht des BFS zwei einkommensbasierte Armutsindikatoren mit Angaben zur materiellen Ausstattung und den Wohnbedingungen kombiniert. Die Auswertungen basieren auf der Erhebung über die Einkommen und Lebensbedingungen SILC 2014.