Ein seltsames Phänomen macht sich in der deutschen Sprache breit. Es ist der Versuch, es allen recht zu machen: Männer, Frauen und allen scheinbaren Varianten davon. Die politische Korrektheit ist dabei aber bei weitem nicht erreicht. Wir sagen deshalb: Wenn schon, dann richtig. Oder vielleicht doch dem Ursprung und der Sprache zuliebe: zurück auf Feld 1.
Vorerst ein kurzer Streifzug durch die jüngste Sprachgeschichte: In „männlich” klingenden Substantiven wie „die Eidgenossen” waren früher die Frauen mitgemeint. In seltenen Fällen war auch das Umgekehrte möglich, etwa bei „die Leichen”. In einem Zwischenschritt versuchte man/frau, dieses Mitmeinen durch die Nennung beider Geschlechter zu korrigieren. So hiess es dann also am 1. August: „Liebe Eidgenossinnen und Eidgenossen”! Verbunden mit dem unguten Gefühl, dass es wahrscheinlich auch hier Grenzen gibt. Wie wollen Sie etwa die männlichen Leichen politisch korrekt ansprechen?
Ein möglicher Ausweg tat sich mit sprachlich etwas holprigen Ableitungen auf: Aus dem Partizip „studierend” wurden die Studierenden geschaffen, eine Tätigkeit, die ja gleichermassen auf Studentinnen und Studenten zutreffen sollte. So war ich während des Studiums zusammen mit meiner Frau noch Mitglied der Studentenbibelgruppe. Später referierte ich dann als Mitarbeiter der Vereinigten Bibelgruppen (VBG) neu in „Bibelgruppen für Studierende”. Klingt eigentlich ganz gut.
Sprachliche Abwege
An dieser Stelle geriet die politische Korrektheit dann aber auf sprachliche Abwege. Ein fröhliches Sprache-Basteln machte sich breit. Das begann mit Wortkonstruktionen wie StudentInnen. Hier waren die Studenten mitgemeint.
Dann kam die Idee mit den Sternchen. Zuerst noch bescheiden in Form von Student*nnen. Nun gibt es aber – auch an der Uni – Menschen mit unterschiedlichen geschlechtlichen Vorlieben. Sie liegen mit ihrem Empfinden neben der heterosexuellen Norm und drohen deshalb, diskriminiert zu werden. Auch sprachlich. Das Sternchen-System erwies sich als ausbaufähig, frei nach dem Motto: Jedem und jeder und allen dazwischen ein Sternchen: lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, intersexuellen und asexuellen Menschen. Also 6 Sternchen. Und falls irgendwann noch eine neue Variante auftauchen sollte, geben wir zur Sicherheit gleich noch ein Sternchen mehr dazu. Sieben Sterne für die politische Korrektheit! Sonst könnte die geschlechterungerechte Sprache bei der schriftlichen Prüfungsarbeit – wie an der Uni Kassel – schlimmstenfalls zu einem Noten-Abzug1 führen.
Wir aber meinen: Wenn schon, dann richtig. Was ist die fehlende sprachliche Berücksichtigung der Geschlechtervarianten im Vergleich zur Diskriminierung der Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe? Hier werden mit unserer schwarzen Typographie eindeutig die Black-People bevorzugt. Als Kompensation ihrer historischen Diskriminierung durchaus sympathisch. Aber was ist mit den Menschen mit gelblicher, brauner oder rötlicher Haut? Schliesslich dürfen wir auch die Weisshäutigen im Namen der politischen Korrektheit nicht ganz vergessen. Deshalb fordern wir an dieser Stelle eine konsequent diverse Typographie: abwechslungsweise in gelber, roter, weisser, brauner und schwarzer Schrift. Für weitere Farbstufen sollten wir offen bleiben …
Warum die Sprache nicht politisch korrekt sein muss
Im Ernst: Das an sich sympathische Bemühen um politische Korrektheit ist zumindest im Bereich der Sprache in den letzten Jahren aus dem Ruder gelaufen. Unterdessen tauchen die Sternchen auch in Publikationen von kirchlichen bzw. Publikationen mit christlichem Absender auf. Klar, man will ja mit der Zeit gehen (bevor man mit der Zeit geht). Halten wir die Zeit also mal kurz an und überlegen uns, wohin die Reise gehen soll.
Sprache ist formbar. Sie entwickelt sich. Und sie drückt Gedanken, Weltbilder und Ideologien aus. Der Versuch, gendergerecht zu schreiben, ist nur das aktuellste Beispiel davon. Um einer babylonischen Sprachverwirrung vorzubeugen, sollten wir zurückfinden zu einer verständlichen Sprache, die zwar nicht alles, aber doch das Wesentliche ausdrückt.
Fragen wir im Rahmen eines biblischen Weltbildes nach dem Ursprung unserer Spezies, erhalten wir zwei Antworten: Da gibt es einen Schöpfer, der einen Menschen formt. Anthropologisch heisst das: Egal wie wir über Gott denken, wir alle sind zuerst einmal von Gott geschaffene (und geliebte) Menschen. Wir sind somit weder Gott noch Tier. Dafür aber Wesen mit einer vom Schöpfer garantierten Menschenwürde. Diese Würde kann uns die Evolution, obwohl sie das Geschehen naturwissenschaftlich gut auf den Punkt bringt, bekanntlich nicht geben.
Bei genauerem Hinsehen entdecken wir, dass dieser Gott noch einen Schritt weiter geht. Er schafft diesen Menschen als Mann und Frau, beide nach seinem Bild geschaffen. „Der Mensch” tönt in der deutschen Sprache männlich. Die Menschin2 – die Frau – ist also beim Menschen definitiv mitgemeint. Von daher können wir ohne schlechtes Gewissen mit Allgemeinbegriffen arbeiten, die grammatikalisch männlich (der Mensch) oder weiblich (die Leiche) tönen und trotzdem beide Varianten mitmeinen. Bei passender Gelegenheit können und sollen wir aber die beiden Grundvarianten auch sprachlich sichtbar machen: Männer und Frauen. Mehr braucht es nicht. Oder sind etwa Leute, die in ihrer geschlechtlichen Ausrichtung nicht der heterosexuellen Norm entsprechen, keine Menschen? Auch wenn sie noch auf der Suche nach ihrer Identität sind, vielleicht wechselnd oder noch unsicher: In der Realität werden sie als Mann oder Frau leben müssen.
Mogelpackung „Ehe für alle”
Je nach Thema – so etwa im juristischen Bereich – können und müssen wir Mann und Frau aber auch mal präziser definieren. Etwa wenn wir unterschiedliche geschlechtliche Neigungen und die dazu passenden rechtlichen Verbindungen juristisch erfassen wollen. Da mag zwar die Verallgemeinerung „Ehe für alle” politisch korrekt sein. Hier ist aber Sorgfalt gefragt: Jedes Sternchen führt zu neuen juristischen Fragen. Der schwammige Begriff „Ehe für alle” schafft wegen seiner fehlenden Klarheit mehr Probleme als Lösungen.
So oder so: Über allem steht die Tatsache der Schöpfung, die uns alle zu Menschen und zugleich zu Frauen und Männern mit Würde und Menschenrechten macht. Daran gilt es festzuhalten. Dies, obwohl wir aus der Schöpfungsordnung herausgefallen sind. Die Beziehungen zwischen Mann und Frau sind in der heutigen Schöpfungsunordnung anspruchsvoll geworden und müssen sorgfältig gestaltet werden. Da helfen sieben Sternchen und ein schwammiger Ehebegriff nicht weiter.
1 siehe den Fall des Sprachstudenten Lukas Honemann an der Uni Kassel (Der Bund, 24.4.21)
2 in 1. Mose 2,23 arbeitet die hebräische Sprache tatsächlich mit einem solchen Wortspiel