Das „traditionelle Familienmodell“ bestehend aus Vater, Mutter und Kind(ern) wird gerade in der westlichen Gesellschaft immer rückläufiger. Galt es vor wenigen Jahrzehnten noch als Unglück, den Nachwuchs alleine aufziehen zu müssen, weil der Partner gestorben oder es zu einer Trennung gekommen war, wird „Alleinerziehend“ in der heutigen westlichen Gesellschaft als ein „Familienmodell“ unter einer „grossen Vielfalt“ verstanden, zu der neben der klassischen, heterosexuellen Familie auch so genannte „Patchwork-„ und „Regenbogenfamilien“ gezählt werden.
Von Nina Stec
Der derzeitige Trend zeigt für Deutschland eine tendenzielle Zunahme von Kindern an, die bei nur einem Elternteil aufwachsen: Von etwa 1,9 Millionen im Jahr 1996 auf 2,3 Millionen im Jahr 2016. Auf diese Kinder kamen im selben Jahr 1,6 Millionen alleinerziehende Elternteile. Knapp 20 Prozent von den gut 8,2 Millionen Haushalten mit minderjährigen Kindern in Deutschland bestanden 2016 aus Alleinerziehenden, darunter 1,4 Millionen alleinerziehende Mütter und 182‘000 alleinerziehende Väter.
Fast 90 Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland sind demnach Mütter. Dies liegt daran, dass Kinder im Falle einer Scheidung, die in rund zwei Drittel aller Fälle von der Frau eingereicht wird, gerichtlich meistens der Mutter zugesprochen werden und bei nicht verheirateten Paaren, die sich trennen, ebenfalls meistens bei der Mutter bleiben, da sich die gesellschaftliche Annahme durchgesetzt hat, dass Kinder irgendwie in erster Linie „zur Mutter gehören“, während dem Vater eine geringere Wichtigkeit beigemessen wird. Warum es allerdings problematisch ist, wenn Kinder auf ein Elternteil generell, bzw. konkret auf ihren Vater verzichten müssen, zeigt sich in diversen Lebenssituationen und Konflikten, die vor allem alleinerziehende Mütter und ihre Kinder durchlaufen.
Vaterlos und arm
Obwohl alleinerziehende Mütter statistisch gesehen in allen Bildungsschichten vorkommen, sind sie weit überdurchschnittlich oft von Armut betroffen. Fast die Hälfte aller Kinder in Deutschland, die in Armut leben oder von Armut bedroht sind, leben in alleinerziehenden Haushalten. 37.6 Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland bezogen im Jahr 2015 Sozialleistungen, fünfmal so häufig wie Paarhaushalte mit Kindern. Das liegt vor allem daran, dass alleinerziehende Eltern minderjähriger Kinder meistens nicht die Zeit haben, neben Kindererziehung und Haushaltsführung Vollzeit zu arbeiten. Deswegen mangelt es an Geld. Da Arbeitgeber oft skeptisch gegenüber der Einstellung alleinerziehender Frauen sind, da diese als zeitlich unflexibel gelten, kommt es nicht selten zur Langzeitarbeitslosigkeit. Symptome der schwierigen Konstellation aus Zeit- und Geldmangel sind etwa Stress, Überforderung, Unzufriedenheit und Burnouts. Alleinerziehende Mütter leiden verstärkt darunter und schämen sich oft, ihrem Kind nicht genügend bieten zu können: seien es materielle Zuwendungen wie Taschengeld oder auch zeitaufwendige gemeinsame Projekte.
Die Abwesenheit des Vaters kann nach wissenschaftlichen Erkenntnissen dauerhafte körperliche und seelische Folgen für die Kinder nach sich ziehen. Studien an Personen, die in den 1930er und 40er Jahren geboren wurden und die aufgrund des 2. Weltkrieges sehr häufig vaterlos aufwuchsen, ergaben, dass diese ihr Leben lang unter der Abwesenheit ihrer Väter, die sie nie kennengelernt hatten, litten. Sie waren öfter müde, misstrauischer, und ängstlicher im Umgang mit anderen Menschen und neigten doppelt so häufig zu Depressionen und psychosomatischen Erkrankungen wie andere Menschen ihrer Generation, die auch Kriegsleid erlebt hatten, aber dennoch mit beiden Elternteilen aufgewachsen waren. Aber auch in der heutigen, jungen Generation, die nicht in Kriegszeiten aufwachsen muss, zeigen sich die gleichen Symptome.
Der Vater, eine natürliche Autorität
Des Weiteren fehlt mit dem Vater von Anfang an eine unersetzbar wichtige Identifikationsfigur. Psychologen gehen bei der Beziehung zwischen Vater, Mutter und Kind von einer Dreierbeziehung unterschiedlicher, aber gleichwertiger Aufgaben aus: Während die Mutter in den ersten Lebensjahren vor allem Nähe und Geborgenheit, damit aber auch Abhängigkeit vermittle, liege es besonders am Vater, das Kind in die notwendige Selbstständigkeit zu begleiten und ihm dabei Sicherheit und Selbstbewusstsein zu geben. Vater und Mutter dienen dem Kind als erstes Beispiel für die Entwicklung der eigenen persönlichen und sexuellen Identität und für ihre spätere Beziehungsfähigkeit. Am Elternteil des eigenen Geschlechts orientiert sich das Kind in der Entwicklung seiner eigenen Identität als Mann oder Frau, während es am gegengeschlechtlichen Elternteil den Umgang mit dem „Entgegengesetzten, Fremden“ erlernt.
Wenn der Vater fehlt, suchen sich die Kinder oft andere, gegengeschlechtliche Bezugspersonen, die nicht unbedingt gute Vorbilder sind. Gerade Jungen neigen zu diesen schlechten Vorbildern, da sie in einem weiblich dominierten Umfeld – 96 Prozent aller Erzieher in Kindergarten und Hort sowie die meisten Grundschullehrer und Pädagogen sind weiblichen Geschlechts – Schwierigkeiten haben, überhaupt ein passendes Idol, mit dem sie sich identifizieren können, zu finden.
Ihr Männerbild entnehmen sie dann häufig aus dem Fernsehen oder Internet in Form von idealisierten Actionhelden oder wen sie sonst für erfolgreich halten. Vor allem der „aggressive Siegertyp“ mit Machogehabe wie die sogenannten „Gangsterrapper“ wird zum angestrebten Vorbild. Unter Umständen neigen sie auch dazu, sich gewaltbereiten Jugendgruppen anzuschliessen, die ihnen vermeintliche Sicherheit und Macht versprechen. Psychologen und Psychiater weisen darauf hin, dass eine auffällige Mehrheit aller jugendlichen männlichen Straftäter vaterlos aufgewachsen ist. Dies liegt vor alldem daran, dass der Vater für Jungen die wichtigste natürliche Autoritätsperson ist, die im Idealfall Grenzen setzt und Regeln aufstellt, deren Einhaltung er konsequent einfordert.
Der Vater gibt Töchtern Sicherheit
Der Vater ist in einer intakten Familie der erste Mann, der seiner Tochter auf positive Weise Aufmerksamkeit schenkt und ihr das Gefühl gibt, wichtig zu sein und damit Sicherheit im Umgang mit anderen Personen männlichen Geschlechts vermittelt. Kleine Mädchen ohne Vater fühlen sich dagegen im Umgang mit Männern häufig eher unwohl und werden darin oft noch bewusst oder unbewusst durch die Erfahrungen der Mutter bestärkt, deren Status als Alleinerziehende schliesslich das Zeugnis des Scheiterns einer Mann-Frau Beziehung darstellt. Ab der Pubertät kann diese Furcht des Mädchens eher in Sehnsucht nach männlicher Zuwendung und Bestätigung umschlagen, weshalb vaterlos aufgewachsene Mädchen in der Regel früher und mit mehreren Partnern Sexualkontakt haben und ein erhöhtes Risiko von Schwangerschaft im Jugendalter aufweisen.
Sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen wirkt sich die Vaterlosigkeit auch auf die schulischen Leistungen, die spätere berufliche Laufbahn und das zukünftige Einkommen aus: Im Grossen und Ganzen sind Kinder alleinerziehender Mütter weniger erfolgreich als solche, die bei Mutter und Vater aufwachsen, da ihnen grundsätzliche Erfahrungen und Lektionen verwehrt bleiben.
Selbstverständlich treffen diese Probleme nicht auf alle alleinerziehenden Mütter und ihre Kinder zu, dennoch ist es gut und wichtig für ein glückliches, erfülltes Leben, dass Kinder Vater und Mutter haben, wenn es irgendwie möglich ist.
Quelle: Kultur und Medien Online