Nach dem Riesenerfolg in den USA läuft „Sound of Freedom“ mittlerweile auch in Europa. Im Zentrum des Dramas stehen der Handel und die sexuelle Ausbeutung von Kindern. Dem Film ist es gelungen, dass sich ein breites Publikum mit diesem ernsten Thema befasst. Doch das passt längst nicht allen.
Von Ralph Studer
„Sound of Freedom“ ist einer der meistdiskutierten und erfolgreichsten Filme des Jahres 2023. „Kinderhandel ist ein globales Problem, und wir hoffen, dass wir auf der unglaublichen Dynamik hier in den USA aufbauen und die starke Botschaft des Films weltweit verbreiten können“, erklärte Jared Geesey von Angel Studios, Filmvertriebsstudio von „Sound of Freedom“, im Juli 2023.
Dass dieser Film überhaupt produziert wurde und den Weg in die Kinos fand, grenzt an ein Wunder. Zunächst scheiterte es an der Finanzierung und der Suche nach einem Filmvertrieb. Hollywood winkte ab. Dann kam die Wende. Angel Studios brachte fünf Millionen US-Dollar per Crowdfunding auf, um den Film zu vertreiben, nachdem 20th Century Fox die Rechte an dem Film 2019 an die Walt Disney Company verkauft hatte. Disney legte den Film auf Eis. Der Executive-Produzent des Films und mexikanische Präsidentschaftskandidat, Eduardo Verástegui, schaffte es, die Rechte zurückzubekommen, um den Film schliesslich in diesem Jahr zu veröffentlichen, obwohl die Produktion des Films bereits 2018 abgeschlossen worden war.
Zum Film
„Sound of Freedom“ ist ein spannender Actionfilm zu einem Thema von trauriger Aktualität: Es geht um Kinderhandel in Amerika. Der Film basiert auf der wahren Geschichte des Ex-Spezialagenten der US-Heimatschutzbehörde Timothy (Tim) Ballard, der sich auf Fälle von Pädophilie und Kinderhandel spezialisiert hat und entführte Kinder aus den Fängen von Menschenhändlern rettet. Ballard ist auch der Gründer der gemeinnützigen Organisation „Operation: Underground Railroad“, die sich für die Rettung von Kindern aus dem Sexhandel einsetzt.
Der Film hat sich zu einem stillen Hit entwickelt, der mit wenig Marketing an die Spitze der Kinokassen gelangt ist. Bereits am ersten Kinotag in den USA am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, spielte der Film seine Produktionskosten von 14,2 Millionen US-Dollar wieder ein. Im Laufe des US-Kinosommers avancierte er wider alle Erwartungen zum Überraschungshit.
Ballard wird auf eigenen Wunsch hin vom bekannten Schauspieler Jim Caviezel gespielt, der in Mel Gibsons „Die Passion Christi“ Jesus dargestellt hatte. Der Film ist eine emotionalisierende Reise, die dem Zuschauer die Augen öffnet und einen unauslöschlichen Eindruck hinterlässt. „Sound of Freedom“ ist ein Zeugnis für die unerschütterliche Entschlossenheit und den Mut, den Stimmlosen Gerechtigkeit zu verschaffen und ihre Würde zu verteidigen. Denn „Gottes Kinder“, so der Hauptdarsteller Caviezel, „stehen nicht zum Verkauf!“
Moderne Sklaverei
Zunehmend wird Menschenhandel als moderne Sklaverei betrachtet und umfasst eine Vielzahl von Strafdelikte: sexuelle Ausbeutung, Zwangsarbeit, häusliche Knechtschaft, Schuldknechtschaft, Organentnahme, Zwangsbettelei, Rekrutierung von Kindersoldaten oder Zwangsehe. Menschenhandel ist ein Geschäft, das jährlich zwischen 120 und 150 Milliarden Dollar einbringt und das weder moralische noch geographische Grenzen kennt. Er übertrifft, so Sarah Kunz von Hoyningen-Huene, Staatsanwältin im Kanton Thurgau, sogar den Umsatz im Bereich von Waffen und Drogen. UNICEF hat die Zahl der entführten Kinder bereits 2002 mit 1,2 Millionen pro Jahr beziffert und schreibt auf ihrer Website, „dass zwischen 2012 und 2014 mehr als 60’000 Fälle von Kinderhandel in mehr als 100 Ländern aufgedeckt wurden; die tatsächliche Zahl der Opfer dürfte jedoch deutlich höher sein.“
Vor allem die USA zeigen die wachsende Tragödie des Menschenhandels: „Die Vereinigten Staaten stehen“, so Ballard unlängst in einem Interview, „an dritter Stelle der Zielländer für Menschenhandel, an erster Stelle für den Konsum von Kindervergewaltigungsvideos. Und wir nähern uns jetzt der Nummer eins bei der Produktion von Material zur Ausbeutung von Kindern.“
Doch auch die Zahlen in Europa sprechen Bände. Die deutsche polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2021 berichtet davon, dass sich die Fälle von Kinderpornografie auf 39’000 Fälle mehr als verdoppelt hätten (+ 108,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Hinter jedem Fall steht ein sexuell missbrauchtes Kind, das ein Leben lang mit den gravierenden Folgen zu kämpfen haben wird. Die Dunkelziffer dürfte auch hier weitaus höher sein.
„Was kann ich tun?“
Die Filmemacher wollen mit „Sound of Freedom“ die Menschen wachrütteln. Sie wollen Alarm schlagen und auf die verborgenen Verbrechen an Kindern aufmerksam machen. „Für mich ist Kindesmissbrauch ein Problem“, betont der Regisseur Alejandro Monteverde, „das nicht nur ein Problem eines Landes oder eines bestimmten Zeitalters ist. Es ist eine Situation, gegen die wir alle etwas unternehmen müssen“. So sieht es auch der Produzent Verástegui: „Ich hoffe“, so Verástegui, „dass sich die Menschen, wenn sie den Film sehen, fragen werden, was ich mich vor acht Jahren gefragt habe: Was kann ich tun? (…) Ich würde nicht erwarten, dass mir jemand sagt, was ich tun soll. Das ist eine Sache zwischen Ihnen und Gott. Fragen Sie Gott, was Sie tun können, und er wird Ihnen antworten.“
Verantwortung der Filmemacher
Bereits 1919 hatte der russische Revolutionär Lenin die Filmindustrie verstaatlicht, nachdem er die Massenwirksamkeit des Mediums Film erkannt hatte. Während die Kommunisten Filme für ihre revolutionären Ideen missbrauchten, will Verástegui mit Hilfe von Filmen wie „Sound of Freedom“ positive Akzente in der Gesellschaft setzen: „Wir [die Filmemacher] übernehmen die Verantwortung, weil wir wissen, dass alles, was wir tun, ob es uns gefällt oder nicht, einen Einfluss auf die Denkweise der Menschen haben wird, im Guten wie im Schlechten. Es ist sehr wichtig für uns, uns an Projekten zu beteiligen, die dem Publikum helfen, mehr zu lieben, mehr zu verzeihen, sich weniger zu beschweren, die beste Version von sich selbst zu werden, ihr volles Potenzial zu erreichen, um diese Welt zu einem besseren Ort zu machen.“
Wenn gute Menschen schweigen…
Verástegui ist ein Mann, der Klartext spricht und die Dinge beim Namen nennt. Wenn gute Menschen schweigen, triumphiert das Böse, sagt Verástegui überzeugt. „Als ich hörte“, führt er weiter aus, „was sie diesen Kindern antun, war es für mich kein Projekt mehr, sondern ein Aufruf. Wenn man einem Ruf folgt, darf man nicht zögern. Ein Ruf ist etwas, das grösser ist als man selbst, man muss ihm folgen, egal, welche Konsequenzen das hat.“ Besonders beeindruckend ist das, wenn man weiss, dass viele seiner Freunde ihn gewarnt hatten, dass ein Film über dieses Thema „sehr gefährlich“ sei.
Doch durch diese Warnungen lässt sich Verástegui nicht entmutigen. Er will die Kultur positiv verändern: „Ich glaube, dass diese weltweite Bewusstseinsbewegung, die der Film auslöst, sehr viel Gutes bewirken wird. Sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Ich möchte, dass sie auch den Schwächsten hilft, denjenigen, die keine Stimme haben und sich nicht wehren können.“
Licht ins Dunkel
Gerade in diesem Punkt setzt „Sound of Freedom“ ein starkes Zeichen und dies trotz heftigem Gegenwind. Am Ende des Films bemerkt der Hauptdarsteller Caviezel in einer separaten Botschaft, dass dieser Film „bis jetzt nicht veröffentlicht wurde, da ihm alle möglichen Hindernisse in den Weg gelegt wurden.“ Die Wahrheit passt eben nicht allen. Und dabei bringt „Sound of Freedom“ gerade das Entscheidende, was dieses traurige Thema unbedingt braucht: Licht in die dunkle Realität des Menschen- und Kinderhandels.