Ein Aufruf von fast 200 renommierten Linguisten und Philologen hat den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (ÖRR) kalt erwischt. Sie fordern von ARD und ZDF die Abkehr von der Gendersprache. Darunter zu finden sind Prof. Gisela Zifonun (Grammatik-Expertin), Prof. Martin Neef (TU Braunschweig), Dr. Olaf Krause (Deutscher Rechtschreibrat), Dr. Claudia Guderian (PEN-Zentrum Deutschland). Initiiert hatte den Aufruf der Germanist und Romanist Fabian Payr, der auch VDS-Mitglied ist.
Die Unterzeichner kritisieren die Ignoranz, womit der ÖRR am Hörer und Zuschauer vorbeisendet. ARD und ZDF seien „Vorbild und Massstab für Millionen von Zuschauern, Zuhörern und Lesern“, und daraus erwachse die Verpflichtung, sich an geltende Sprachnormen zu halten und „mit dem Kulturgut Sprache regelkonform, verantwortungsbewusst und ideologiefrei umzugehen“, zitiert die „Welt“ den Aufruf. Geltende Rechtschreibregeln dürften nicht missachtet werden, Gendersterne und andere Zeichen seien nicht mit dem Bildungsauftrag der Sender vereinbar, die Sprechpause vor dem „innen“ entspreche nicht geltenden Aussprachenormen. Zu beachten sei ohnehin das Prinzip der politischen Unparteilichkeit, dem der ÖRR durch den Medienstaatsvertrag verpflichtet ist. Die feministische Linguistik der späten 1970er-Jahre, auf die das Gendern zurückgeht, sei unwissenschaftlich und ideologisch, zu ihr müsse der ÖRR eine kritische Distanz wahren. Vielmehr müssten die betreffenden Medien anerkennen: Es gibt im Deutschen einen Unterschied zwischen dem grammatikalischen und dem biologischen Geschlecht. Die Sprachgemeinschaft lehne Gendersprache mehrheitlich ab, die ständige Nutzung sorge daher für einen „erheblichen sozialen Unfrieden.“
Der ÖRR, der in den Programmen der Sender unterschiedlich stark gendert (im Internet jedoch nahezu durchgängig), behauptet gern, das Gendern sei in der Sprachwissenschaft längst Konsens. Die Unterzeichner bringen die Rundfunkanstalten nun in die Defensive, denn die Argumente für korrektes Deutsch fussen auf der Arbeit von zu vielen namhaften Linguisten und Philologen, als dass man sie übergehen könnte. Während nach der Veröffentlichung des Aufrufs alle grossen Medien (Welt, FAZ, Rheinische Post, Berliner Zeitung) direkt berichteten, brauchten ARD und ZDF zwei Tage, um eine Stellungnahme abzugeben. Erst am Montag kam die Reaktion: Die ARD teilte mit, das Thema werde in den Rundfunkanstalten „durchaus unterschiedlich diskutiert und gehandhabt“. Das ZDF betonte, es gebe keine Vorgaben, einige „‘Moderator*innen‘ und ‘Korrespondent*innen‘ gendern gelegentlich“, zitiert die Berliner Zeitung das ZDF. Die Ausdrucksweise gibt offenbar die Stimmung in dem Sender wieder.
Quellen: welt.de , linguistik-vs-gendern.de, VDS vom 6. August 2022