Die Zahl der Adoptionen hat in der Schweiz stark abgenommen. Sie liegt noch um die 400 pro Jahr. Dennoch wollen Bundesrat und Ständerat bei der Adoption zugunsten von gleichgeschlechtlichen Paaren vorwärts machen. Dazu einige Überlegungen aus familienpolitischer Sicht.
Bei der aktuellen Vorlage geht es primär um die Stiefkindadoption durch Paare in eingetragener Partnerschaft. Der Partner eines Mannes bzw. die Partnerin einer Frau, der/die ein Kind aus einer früheren (heterosexuellen) Partnerschaft mitbringt, soll dieses Kind adoptieren dürfen. Dasselbe soll auch nichtehelichen heterosexuellen Paarbeziehungen zugute kommen. Die Auflagen bezüglich Dauer der Paarbeziehung und Alter werden gelockert. Befürworter der Stiefkindadoption wie der Appenzeller Ständerat Andrea Caroni sagen aber schon heute, dass sie in dieser Vorlage eine Zwischenstufe zur vollen Adoption sehen.
Die Befürworter der Gesetzesrevision berufen sich auf das Kindeswohl. Es lässt sich leicht argumentieren, dass eine Adoption dem Kind mehr Sicherheit und Vorteile zum Beispiel beim Erbrecht oder beim Tod eines Elternteils gibt. Die Frage muss dennoch gestellt werden, ob nicht primär das Interesse der Erwachsenen im Vordergrund steht. Andrea Caroni argumentierte im Tagesgespräch von SRF1 am Dienstag auffallend oft mit dem Begriff „Freiheit“ für jede Familienform. Er widerspiegelt damit den Zeitgeist. Mit dem Zeitgeist argumentiert auch Martin Della Valle, Co-Präsident des Dachverbandes für Regenbogenfamilien. Die Gesetzesrevision trage ausserdem einem grossen Bedürfnis Rechnung, da es immer mehr Kinder in dieser Situation gebe. Aber auch er macht klar, dass er in der Stiefkindadoption lediglich einen Zwischenschritt sieht.
Bei der Stiefkindadoption ist oft noch ein Vater oder eine Mutter im Spiel, der auf seine elterlichen Rechte verzichtet oder verzichten muss und damit auch auf die Unterstützungspflicht. Wie ist mit dem Dilemma umzugehen, insbesondere aus dem Blick des Kindes? Und wie ist das Recht der leiblichen Mutter zu beurteilen, Kontakt zum Kind zu erhalten. Ist diese vorgesehene Regel wirklich besser als die bestehende, welche die Initiative dazu allein beim Kind belässt?
Die Befürworter der Stiefkindadoption müssten sich die Frage stellen lassen, weshalb sie nicht gleich die Volladoption für unverheiratete Paare gesetzlich verankern wollen. Das jetzige taktische Vorgehen mit dem Hinweis darauf, dass in einigen Jahren wohl auch die Volladoption politisch mehrheitsfähig sei, ist wohl pragmatisch, schadet aber der Glaubwürdigkeit des parlamentarischen Prozesses. Immerhin wurde schon die eingetragene Partnerschaft mit dem Argument durch die Volksabstimmung gebracht, dass die Adoption ausgeschlossen sei. Wenigstens machen die Promotoren der Stiefkindadoption kein Geheimnis daraus, dass sie letztlich bereit sind, den interessierten Paaren die gleichen Rechte wie Ehepaaren einzuräumen. Doch welche gesellschaftlichen Konsequenzen hat dies, gerade heue, wo sich westliche und orientalische Kulturen immer stärker berühren?
Der kommenden Diskussion ist Sachlichkeit zu wünschen. Das gilt zum Beispiel beim Umgang mit Statistiken, welche die grossen Veränderungen der Familienformen belegen sollen. Es muss auch möglich sein, sorgfältig mit Befunden über die unterschiedlichen Einflüssen von Vätern und Müttern auf das Kind bzw. auf Defizite von Kindern in Eineltern- und Regenbogenfamilien einzugehen. Gesetzliche Regelungen haben auch die Wirkung einer Norm. Und es gilt zu bedenken, welchen Einfluss die reproduktiven Techniken oder der Zugang zu Leihmüttern im Ausland auf die Gesetzesrevision hat und umgekehrt. Soll ein Kind, das von einer Leihmutter geboren worden ist, aus Rücksicht auf das Kindeswohl in Zukunft adoptiert werden dürfen? Wo wird es unglaubwürdig, vom Vorrang des Kindeswohls zu reden? Damit es Raum für diese Diskussionen gibt, wäre eigentlich ein Referendum gegen die Reform durchaus wünschenswert.
Quelle: Schweizerische Stiftung für die Familie SSF