Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates (APK-N) hat sich unlängst dagegen ausgesprochen, das EU-Vertragswerk dem obligatorischen Referendum zu unterstellen. Damit soll der wichtigste politische Entscheid der letzten 30 Jahre am Ständemehr vorbei entschieden werden. Ein fragwürdiger Beschluss, der die massiven Auswirkungen dieser Verträge auf die Schweiz völlig ausblendet.

Von Ralph Studer

Nationalrat Eric Nussbaumer (SP) beantragte in der APK-N, dem Bundesrat einen Brief zu schreiben mit der Mitteilung, dass man kein obligatorisches Referendum wolle. Mit 15:10 Stimmen folgte die APK-N am 11. Februar 2025 Nussbaumers Anliegen. Damit soll das mit der EU ausgehandelte Vertragspaket nur dem fakultativen Referendum mit Volksmehr unterstellt werden und nicht dem obligatorischen Referendum mit Volks- und Ständemehr.

Der Entscheid der APK-N kommt nicht von ungefähr

Eine starke Dominanz des EU-freundlichen Lagers setzte sich in dieser Abstimmung durch. Diese Kräfte wollen um jeden Preis das obligatorische Referendum mit Ständemehr verhindern. „Denn das Ständemehr“, schreibt die Journalistin Katharina Fontana, „könnte am Ende darüber entscheiden, ob die Schweiz die ‚Bilateralen III‘ bzw. den ‚EU-Unterwerfungsvertrag‘ abschliesst oder nicht.“

Dieser Beschluss ist fragwürdig, auch in Anbetracht der Handhabung des Volks- und Ständemehrs in der Vergangenheit. Zum Vergleich: Beim Freihandelsabkommen mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1972) sowie dem Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (1992) hat die Bundesversammlung die Abstimmung jeweils Volk und Ständen unterstellt. Gemäss der damaligen Bundesverfassung war dies eigentlich nicht vorgesehen.

Staatspolitische Kommission erachtet sich als zuständig

Unabhängig von dieser Entscheidung der APK-N bleibt die Frage, ob die EU-Verträge unter das obligatorische oder fakultative Referendum fallen, eine politische, nicht eine juristische. Die sich in dieser Sache für zuständig erachtenden Staatspolitischen Kommissionen beider Räte dürften womöglich zu einem anderen Schluss kommen. So äussert sich beispielsweise der Präsident der Staatspolitischen Kommission des Ständerats, Daniel Fässler, dass die EU-Abkommen von überragender Bedeutung seien und deshalb nur eine Abstimmung mit Ständemehr in Frage komme.

EU-Verträge mit massiven Auswirkungen

Der genaue Vertragsinhalt liegt noch nicht auf dem Tisch. Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse lässt sich jedoch sagen, dass die neuen EU-Abkommen zu gravierenden Beschränkungen der Kompetenzordnung des Bundes im Geltungsbereich der Abkommen führen. Deutlich äussert sich hierzu Paul Richli, emeritierter Professor für öffentliches Recht an der Universität Luzern. „Das Parlament“, so Richli, „wird in seinen Gesetzgebungskompetenzen durch die Drohung von Ausgleichsmassnahmen erheblich beschränkt, einzelne Parlamentsmitglieder werden in ihrem Stimmrecht beschränkt, und auch die Kantone könnten in ihren Regelungszuständigkeiten erheblich tangiert werden.“

Das ist aber noch nicht alles: Richli verweist auch darauf, dass die Stimmberechtigten bei Referendumsabstimmungen in der Ausübung ihres Stimmrechts massiv beschränkt würden. Denn im Fall einer erfolgreichen Referendumsabstimmung gegen eine Regelungsübernahme könnte die EU Ausgleichsmassnahmen treffen. Dies gefährde die freie Meinungsbildung der Stimmberechtigten. Der emeritierte Professor gibt zu bedenken: „Dies wäre wohl gleichbedeutend mit der Verletzung des Kerngehalts der verfassungsmässigen Garantie der freien Willensbildung und der unverfälschten Stimmabgabe.“ Daraus folgert er, dass aus rechtlicher Sicht deutlich mehr für als gegen die Unterstellung unter das doppelte Mehr (Volks- und Ständemehr) sprechen.

Dies verdeutlicht, was Kritiker schon längst bemängeln: Bei diesen EU-Verträgen geht es um Grundlegendes. Es geht um unsere Staats- und Rechtsordnung und unsere bewährte Demokratie. Deshalb ist der einzig logische Schluss, dass diese EU-Verträge sowohl dem Volks- als auch dem Ständemehr zur Abstimmung unterbreitet werden.