Den meisten Jugendlichen in der Schweiz geht es gut. Gesundheit und Wohlbefinden der Mädchen und Buben haben sich aber verschlechtert – dies bereits vor der Pandemie. Besonders betroffen sind Mädchen im Alter von 13 bis 15 Jahren. Dies ist eines der Resultate der nationalen Studie Health Behaviour in School-aged-Children von 2022 bei 11- bis 15-Jährigen. Die Studie von Sucht Schweiz im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit bestätigt bisherige Erkenntnisse, wonach es mehr Anstrengungen braucht, um betroffene Jugendliche zu unterstützen und der Prävention im Bereich der psychischen Gesundheit ein höheres Gewicht beizumessen. Auch die am heutigen Welttag der psychischen Gesundheit publizierten internationalen HBSC-Ergebnisse zeigen ähnliche Befunde.
85 Prozent der 11- bis 15-Jährigen stufen ihre Gesundheit als gut bis ausgezeichnet ein. Bei den Buben sind diese Werte seit 2002 eher stabil, während sie namentlich bei den 13- und 15-jährigen Mädchen merklich zurückgingen. Auch bei der Lebenszufriedenheit ist eine Verschlechterung zu verzeichnen, insbesondere bei den Mädchen im Alter von 15 Jahren. Die Entwicklung gerade bei den Mädchen zeigte sich schon vor der Pandemie. Insgesamt sind 55 Prozent der 11- bis 15-Jährigen mit ihrem Leben sehr zufrieden.
11- bis 15-jährige Mädchen stufen ihre Gesundheit schlechter ein als Buben
80 Prozent der Mädchen stufen ihre Gesundheit im Jahr 2022 als ausgezeichnet oder gut ein (2018: 86 Prozent). Bei den gleichaltrigen Buben waren es im letzten Jahr 89 Prozent.
47 Prozent der Mädchen sagen, mit ihrem Leben sehr zufrieden zu sein (2018: 57 Prozent). Bei den Buben sind es 63 Prozent.
58 Prozent der Mädchen beklagen im letzten halben Jahr mindestens zwei wiederkehrende Symptome wie Müdigkeit, Einschlafprobleme, Reizbarkeit, Traurigkeit, Nervosität oder Ängstlichkeit (2018: 42 Prozent). Bei den Buben sind es 35 Prozent.
40 Prozent sind durch die Arbeit für die Schule einigermassen oder sehr gestresst (2018: 27 Prozent). Bei den Buben sind es 27 Prozent.
56 Prozent sind mit ihrem Körpergewicht nicht zufrieden (2018: 50 Prozent). Bei den Buben sind es 46 Prozent.
Vermutlich sind es vielschichtige Gründe
Die Pandemie hat den Stress und die psychischen Herausforderungen bei Jugendlichen zweifellos erheblich gefördert. Doch die Ursachen für die Verschlechterung des Gesundheitszustands sind höchstwahrscheinlich vielfältig. Mehrere Hypothesen globaler Art werden diskutiert, u.a. die mit dem Krieg in der Ukraine oder dem Klimawandel verbundenen Ängste. Weiter könnten der Anforderungsdruck und die sozialen Netzwerke eine Rolle spielen, z. B. in Bezug auf Cybermobbing oder den Vergleich mit geschönten Inhalten. „Generell berichteten Mädchen im Vergleich zu den Buben schon immer über ein schlechteres Wohlbefinden. Aber im Vergleich zu 2018 sind die entsprechenden Werte weiter auseinandergegangen. Die Pandemie hat dieses Phänomen noch verstärkt“, erklärt Studienleiterin und Co-Leiterin der Forschungsabteilung von Sucht Schweiz, Marina Delgrande Jordan.
Wer soziale Netzwerke oft nutzt, berichtet häufiger über eine schlechte psychische Gesundheit
Die HBSC-Studie 2022 zeigt bei den 11- bis 15-Jährigen einen Zusammenhang zwischen dem Wohlbefinden und der psychischen Gesundheit einerseits und der häufigen Nutzung sozialer Netzwerke andererseits: Jugendliche, die wenig in sozialen Netzwerken unterwegs sind, schätzen ihre Gesundheit und ihre Lebensqualität eher als gut ein. Die Förderung der Medienkompetenz ist in dieser Hinsicht zentral. Eine kritische Auseinandersetzung mit Web-Inhalten, beispielsweise realitätsfremde Schönheitsideale oder das vermeintlich bessere Leben von anderen, und ein gesundes Selbstwertgefühl sind essenziell. Eltern können den kritischen Blick, das Hinterfragen fördern: durch ihr Interesse an dem, was Jugendliche umtreibt und was sie online nutzen, durch Begleitung und Diskussion über Risiken wie Cybermobbing, Schutz der Privatsphäre oder unrealistische Idealbilder in sozialen Netzwerken.
Jugendliche und ihre Ressourcen stärken
Viele Jugendliche verfügen über vielfältige persönliche Ressourcen und ein unterstützendes Umfeld. Erfahrungen und Hobbys sowie soziale Kontakte im realen Leben stärken junge Menschen. Bei der Bewältigung von Stress helfen beispielsweise das Gefühl der Selbstwirksamkeit und das Wissen, dass Angehörige für einen da sind. Doch nicht alle Jugendlichen sind in dieser Hinsicht gleich gut aufgestellt. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Gesundheitsförderung und damit die Entwicklung der Ressourcen zu stärken sowie Lebenskompetenzen zu fördern – auch bezüglich Stresssituationen bei schulischen Anforderungen. Von Bedeutung sind weiter die Früherkennung von gefährdeten Jugendlichen sowie die Frühintervention mit unterstützenden Massnahmen, damit Probleme so früh wie möglich angegangen werden und sich nicht verstetigen.
Zur Studie HBSC
Die national repräsentative Schülerinnen- und Schülerstudie HBSC (Health Behaviour in School-aged Children) zum Gesundheitsverhalten der 11- bis 15-Jährigen wird hierzulande alle vier Jahre von Sucht Schweiz durchgeführt. Der aktuelle Bericht zur Gesundheit und dem Wohlbefinden stützt sich auf die jüngsten Daten aus dem Jahr 2022 und zeichnet die Entwicklung nach.
Neue Daten zum Wohlbefinden im Zuge der Pandemie
Die Studie HBSC liefert für das Jahr 2022 spezifische Zahlen zum Wohlbefinden im Zuge der Pandemie. Die Befragung in den Schulen fand ab März (als Schutzmassnahmen wie Quarantänen noch in Kraft waren) bis Ende Juni 2022 statt.
36 Prozent der 14- und 15-Jährigen sagten, neue Hobbys und Interessen entdeckt zu haben.
20 Prozent der 11- bis 15-Jährigen sagten, sich die meiste Zeit wegen der Pandemie deprimiert oder verzweifelt zu fühlen oder gefühlt zu haben.
15 Prozent fühlten sich aufgrund der Pandemie ängstlich und nervös. Gut doppelt so viele Mädchen wie Jungen waren betroffen.
Quelle: Medienmitteilung Sucht Schweiz