In den vergangenen Tagen wurde Syrien erneut von einer Welle der Gewalt erschüttert, die das Land an den Rand eines erneuten Bürgerkriegs bringt. Rund 1000 Menschen, hauptsächlich Alawiten ,aber auch Christen und Drusen, fielen brutalen Massakern zum Opfer. Diese Gräueltaten werfen ein düsteres Licht auf die aktuelle Lage in Syrien und die Rolle der neuen radikal islamischen Führung unter den Dschihadist Ahmed al-Scharaa.
Von M. Hikmat
Die syrische Küstenregion, insbesondere die Provinzen Latakia, Tartus und Hama, wurde zum Schauplatz unfassbarer Gewalt. Bewaffnete Anhänger des gestürzten Assad-Regimes griffen Sicherheitskräfte der neuen Regierung an, was zu einer Eskalation führte. Dabei wurden rund 1000 Menschen, darunter mindestens 973 Zivilisten, bei 39 Massakern durch Sicherheitskräfte und regimetreue Kämpfer ermordet.
Ein Blutbad ohnegleichen
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London (SOHR) sprach von „Hinrichtungen“ und regelrechten „Massakern“. Ausserdem wurden laut SOHR 231 Sicherheitskräfte und 250 regimetreue alawitische Kämpfer getötet. Somit steigt die Gesamtzahl der Todesopfer auf rund 1500. „Dies ist Teil einer beispiellosen Eskalation von Vergeltungsmassnahmen und Völkermord“, warnt die SOHR. Sie fordert die internationale Gemeinschaft auf, „unverzüglich einzugreifen und internationale Untersuchungsteams zu entsenden, um die eklatanten Verstösse gegen die Zivilbevölkerung zu dokumentieren.“
Präsident Ahmed al-Scharaa verurteilte die Gewalt. Er beschuldigte Anhänger des ehemaligen Assad-Regimes, Unruhen zu schüren, um das Land in einen Bürgerkrieg zu stürzen.
Dennoch gibt es Berichte, dass Sicherheitskräfte der neuen Regierung an den Massakern beteiligt waren. In 29 Orten der Gouvernements Latakia, Tartus, Hama und Homs sollen sie Kriegsverbrechen begangen haben. Dieses widersprüchliche Verhalten wirft Fragen über die wahre Haltung der Regierung gegenüber den Minderheiten im Land auf.
Christen und Drusen in Gefahr
Nicht nur die Alawiten, sondern auch andere religiöse Minderheiten wie Christen und Drusen sind von der Gewalt betroffen. Ihre Häuser wurden niedergebrannt, ihr Besitz geplündert, und viele wurden ermordet oder vertrieben. Der orthodoxe syrische Patriarch von Antiochia Johannes X. forderte in seiner Sonntagspredigt in der Kathedrale von Damaskus die Regierung eindringlich auf, die Massaker zu beenden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Christen leben in grosser Angst und fürchten, die nächsten Opfer zu sein.
Eine blutige Illusion von Frieden
Der Präsident in Syrien ist ein Dschihadist. Erwarten wir von dieser islamischen Regierung Frieden in Syrien? Das ist eine Illusion. Frieden im Islam bedeutet nach islamistischer Auffassung, dass das Kalifat errichtet ist und die Gegner als Dhimmis leben – entrechtet und ohne jede politische Macht.
Ahmed al-Scharaa verspricht, einen Untersuchungsausschuss zu bilden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, doch wer glaubt das? In seiner Rede am Sonntag sagte er: „Wir werden sie mit voller Entschlossenheit zur Rechenschaft ziehen, jeden, der an dem Blutvergiessen von Zivilisten beteiligt ist, Zivilisten misshandelt, die Autorität des Staates überschreitet oder Macht auspowert, um persönlichen Gewinn zu erzielen. Niemand wird über dem Gesetz stehen.“
Diese Worte klingen gut, doch die Realität zeigt etwas anderes. Die Männer, die jetzt Macht ausüben, sind dieselben, die bereits jahrelang Menschen enthaupteten und Massaker begingen. Kann man wirklich glauben, dass sie plötzlich Anhänger der Rechtsstaatlichkeit geworden sind? Der geplante Untersuchungsausschuss ist nichts weiter als ein Feigenblatt.
Ein Land am Scheideweg: Rückkehr des Bürgerkriegs?
Die jüngsten Ereignisse zeigen, wie fragil die Lage in Syrien ist. Die Gefahr eines erneuten Bürgerkriegs ist real. Es herrscht eine Ideologie, die niemals Demokratie oder Minderheitenschutz zum Ziel hatte. Die internationale Gemeinschaft muss endlich aufwachen und verstehen, dass Syrien dabei ist, sich in einen fundamentalistischen Allahsstaat zu verwandeln. Wer da noch von Versöhnung redet, verkennt die Realität: Hier wird Geschichte mit Blut geschrieben – und die Welt schaut zu.
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