Am 13. September 2023 stimmte der Nationalrat über einige Änderungen beim Transplantationsgesetz ab. Es ging neben der Sicherheit bei den Operationen auch um die Abfrage von Spendenbereitschaft und um die Verteilung von lebend gespendeten Nieren „über Kreuz“. Zudem hatte die SVP beantragt, Organentnahmen nach permanentem Herz-Kreislauf-Stillstand zu verbieten.
Von Ursula Baumgartner
Die Sicherheit bei Transplantationen soll künftig dadurch erhöht werden, dass – zusätzlich zur bisherigen Dokumentation – nun auch „schwerwiegende Zwischenfälle und unerwünschte Reaktionen“ an ein zentrales Register gemeldet werden. Die Spendenbereitschaft einer Person soll nach dem Willen des Nationalrats in Zukunft bei Swisstransplant abgefragt werden können.
Mit der Revision des Gesetzes möchte man ausserdem eine Grundlage dafür schaffen, dass lebend gespendete Nieren künftig „über Kreuz“ transplantiert werden können. Nicht selten geschieht es nämlich, dass ein Spender einer nahestehenden Person eine Niere abgeben will. Doch wenn die Abwehrsysteme des Spenders und des Empfängers nicht zusammenpassen, ist dies unmöglich. Die „Überkreuz-Lebendspende“ sucht weitere Paare mit diesem Problem, sodass eine Person aus Paar A der erkrankten Person aus Paar B ein passendes Organ spenden kann und umgekehrt. So könnten sich auch ganze Spender-Empfänger-Ketten bilden, so das BAG.
Organentnahme fünf Minuten nach Herzstillstand?
Der Antrag der SVP wurde abgelehnt. Darin wurde gefordert, Organentnahmen zu verbieten, wenn zuvor ein permanenter Herz-Kreislauf-Stillstand eingetreten ist. Nach der derzeit geltenden Regelung müssten die Mediziner nach einem Herzstillstand lediglich fünf Minuten warten, bis sie mit der Organentnahme beginnen könnten, beklagt der Verein ÄPOL (Ärzte und Pflegefachpersonen gegen Organspende am Lebensende). Dies sei ein viel zu kurzer Zeitraum, um zu beweisen, dass jemand wirklich tot sei, argumentierte SVP-Nationalrätin Therese Schläpfer. Es sei nicht sicher, dass das Gehirn nach so kurzer Zeit wirklich unwiederbringlich geschädigt sei. Der Winterthurer Arzt Alex Frei bestätigt das in einem Artikel von „20min“. Frei ist Vizepräsident von ÄPOL und kennt Berichte von Notfallmedizinern, laut denen „Menschen nach fünf Minuten Herzstillstand erfolgreich reanimiert werden können, sogar ohne Hirnschäden.“ Die Grünen-Politikerin Manuela Weichelt behauptete dagegen, nach fünf Minuten werde nicht mit der Organentnahme begonnen, sondern mit den Untersuchungen zur Feststellung des Hirntods.
Zu diesen Untersuchungen gehört allerdings auch der sogenannte Apnoe-Test. Mit ihm wird überprüft, ob der Atemreflex des Patienten noch funktioniert. Der Arzt unterbricht dazu minutenweise die Beatmung. Dadurch wird das Gehirn aber zusätzlich belastet, weil es nicht mit Sauerstoff versorgt wird. Die Untersuchung an sich kann also dazu beitragen, dass weiteres Gehirngewebe Schaden nimmt und abstirbt. Das war jedoch offenbar nicht Teil der Debatte.
Lebende Organe von einem toten Spender?
Damit Organe nach einem Herzstillstand weiter durchblutet werden, muss der Kreislauf maschinell wieder in Gang gesetzt werden. Das Gehirn umgeht man dabei jedoch, die entsprechenden Blutgefässe werden blockiert. Swisstransplant versichert, diese Massnahme diene dazu, „den Blutfluss durch die künftigen Spenderorgane zu optimieren“. Frei sieht das anders: „Transplantationsmediziner befürchten, dass sonst Hirnfunktionen wie Schmerzempfinden oder sogar das Bewusstsein zurückkommen könnten.“
Der Verein ÄPOL engagiert sich darum gegen die sogenannte postmortale Spende, d.h. die Organspende nach dem Tod. Der Begriff allein ist irreführend, da aus einem toten Körper keine lebenden Organe gewonnen werden können. Daher argumentiert ÄPOL, dass ein Organspender zum Zeitpunkt der Organentnahme noch nicht tot sei, sondern im Sterben begriffen. Der Hirntod alleine sei nicht mit dem Tod des Menschen gleichzusetzen. Auch wisse man nicht, was auf der seelisch-geistigen Ebene mit dem Spender und auch den Empfängern von Organen passiere, warnt ÄPOL: „Der Mensch ist schlicht nicht erschöpfend erforscht.“