Auf höchster Ebene wurde am 29. November 2020, im historischen Dolmabahce-Palast in Istanbul, die Situation der christlichen Kirchen in der Türkei, insbesondere die ihrer geistlichen Stiftungen („Vakiflar“), diskutiert. Teilnehmer waren laut „CBS Kultur Info“ der Ökumenische Patriarch, Bartholomaios I., sowie seitens der türkischen Regierung Justizminister Abdulhamit Gül und der Präsidentensprecher, Botschafter Ibrahim Kalin.
Thema war die seit sieben Jahren durch eine Gesetzesänderung blockierte Wahl der Verantwortlichen der christlichen Stiftungen. Patriarch Bartholomaios I. nützte die Gelegenheit, um auf das Problem der seit 1971 geschlossenen Theologischen Hochschule und des orthodoxen Priesterseminars auf Chalki aufmerksam zu machen. Der Patriarch bedauerte, dass vor sieben Jahren die Regelungen im Hinblick auf die Wahl der Führungspersönlichkeiten der christlichen „Vakiflar“ aufgehoben wurden. Bisher sei aber keine Neufassung der Regelungen veröffentlicht worden, daher habe es auch keine Neuwahlen gegeben. Grundsätzlich stellte der Patriarch die Frage, warum die Kirchen in der Türkei als solche keine Rechtspersönlichkeit haben können. Nach islamischem Vorbild muss in der Türkei jedes einzelne christliche Gotteshaus, jedes Kloster, jedes Krankenhaus, Schule usw. von einer eigenen geistlichen Stiftung („Vakif“) getragen werden.
„Christen in der Türkei haben jeden Stein in diesem Land geprägt“
Die geistlichen Führungspersönlichkeiten und die Verwalter der „Vakiflar“ führten laut CBS Kultur Info bei der Begegnung mit Gül und Kalin eine ziemlich offene Sprache. Sie erinnerten an die dramatische Abwanderung der Christen. Man müsse immer daran denken, dass die frühesten Kirchen, die frühesten Klöster – aber auch die ältesten Synagogen – in der heutigen Türkei entstanden seien. Investitionen seien erforderlich, um dieses Erbe am Leben zu erhalten. Die christlichen oder jüdischen Gemeinschaften seien damit überfordert. Bei der Begegnung wurden auch die Schwierigkeiten der Minoritätenschulen angesprochen, ebenso die Situation der christlichen sozialen und karitativen Einrichtungen. Angemahnt wurde, dass die „Wohltäter“ dieser Bildungs- und karitativen Einrichtungen von Steuersenkungen profitieren sollten. Präsidentensprecher Kalin sagte Verbesserungen zu. Die Christen in der Türkei seien heute wenige, aber sie hätten „jeden Stein in diesem Land geprägt“.
Quelle: APD, 2. Dezember 2020