In einem Bericht mit dem Titel „Digital Age Assurance Tools and Children’s Rights Online across the Globe” vertritt UNICEF eine wenig restriktive Ansicht zum Schutz von Kinderrechten im Internet und hinterfragt die Sinnhaftigkeit von Altersbeschränkungen.
Laut UNICEF-Bericht habe der Begriff Pornografie diverse rechtliche Definitionen in verschiedenen Jurisdiktionen. So sei nicht immer klar, ob von einem konsistenten Verständnis ausgegangen werden könne. Die höchst gerankten digitalen Medien zur Sexualaufklärung seien Webseiten, Apps und YouTube Vloggers (online Blogs mit Videomaterial). Es bestehe die Gefahr, dass deren Inhalte zu schnell als „pornographisch“ gewertet werden. Dies betreffe vor allem Inhalte zur LGBTQ-Aufklärung. Durch Altersbeschränkungen auf solche Inhalte könnte Kindern der Zugang zu wichtigen Informationen zur Sexualaufklärung verwehrt werden, kritisiert die internationale Organisation.
Studie „EU Kids Online 2020“ und die Risiken von Pornografie für Kinder
Ferner geht der UNICEF-Bericht davon aus, dass es keine eindeutigen Hinweise dafür gebe, inwieweit Pornografie schädlich für Kinder sei. Gestützt wird diese Aussage auf eine europäische Studie unter dem Titel „EU Kids Online 2020“, die in 19 EU-Staaten durchgeführt wurde. Darin wurde etwa abgefragt, ob Kinder glücklich oder traurig auf pornographisches Material im Internet reagiert haben. Laut UNICEF komme man dabei zu dem Schluss, dass die meisten Kinder angaben, weder traurig noch glücklich auf sexuelle Bilder reagiert zu haben. Allerdings ist nicht ganz nachvollziehbar, wie man aufgrund der zitierten Datenlage zu diesem Schluss kommt, meint etwa Stephanie Merckens, Juristin am Institut für Ehe und Familie (IEF). Die Antworten wiesen ein Divergenzspektrum auf von 27 Prozent in der Schweiz bis zu 72 % in Litauen. Ein „glückliches Gefühl“ nach dem Anblick von sexuellen Bildern gaben dagegen von den befragten Kindern 3 Prozent in Estland bis zu 39 Prozent in Spanien an.
Auch betonte man, dass Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Gründen “absichtlich nach sexuellen Inhalten suchen” und dass das Betrachten sexueller Bilder “auch eine Gelegenheit darstellen könnte”, Antworten auf Fragen zur Pubertät und sexuellen Identität zu geben. Die Studie ermutigte dazu, “die Nuancen zu sehen”, die Kinder dazu bringen, sexuelle Inhalte online zu suchen und anzusehen. Zwar scheinen manche Kinder zumindest zeitweise durch den Kontakt mit Pornografie geschädigt, Art und Ausmass dieser Schädigung würden aber variieren.
Altersbeschränkungen und Menschenrechte
UNICEF geht sogar davon aus, dass Bemühungen, Kindern den Zugang zu Pornografie im Internet zu verwehren, ihre Menschenrechte verletzen könnten. Gestützt wird diese Behauptung auf eine expansive Auslegung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte. Allerdings führten gesetzliche Altersbeschränkungen im Internet zumindest dazu, dass Unternehmen, die diese produzieren, stärker in die Verantwortung genommen werden und damit online die gleichen Restriktionen gelten, die offline bereits häufig die Norm sind.
Kritik und Stellungnahmen zum Bericht
Kritik kommt etwa vom National Center on Sexual Exploitation (NCOSE). Laut einem offenen Brief der überkonfessionellen und unparteilichen in Washington, DC, stationierten Nonprofit-Organisation, die sich dem Aufdecken der Zusammenhänge zwischen sexuellem Missbrauch und Ausbeutung verschrieben hat, wird UNICEF zur Klarstellung aufgefordert. Für das NCOSE, welches sich der Forschung verschrieben hat, um politische Entscheidungen zur Beendigung des sexuellen Missbrauchs und der Ausbeutung von Frauen und Kindern zu unterstützen, kann Pornografie nachweislich ein zentraler Treiber für Missbrauch sein.
In der Stellungnahme wird auf zahlreiche Forschungsergebnisse im Zusammenhang mit Pornografie und Kindern verwiesen, darunter auch eine Studie aus dem Jahr 2018, die belegt, dass ein erhöhter Konsum pornographischer Medien in der Jugend tendenziell u.a. mit einer lockeren Einstellung zu Sex, einer frühen geschlechtlichen Reife, einer schlechteren psychischen Gesundheit und schwächeren sozialen Bindungen in Verbindung gebracht werden kann. Laut einer anderen zitierten systematischen Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2017 soll der Konsum von Pornografie sowohl mit verbaler und körperlicher sexueller Aggression, als auch mit tatsächlicher und antizipierter Dating-/Sexualgewalt unter Jugendlichen in Verbindung zu bringen sein. Auch sei deutlich belegt, dass der Konsum von Pornografie negative Auswirkungen auf die sexuelle sowie die neuronale Entwicklung und die Wahrnehmung von Sex und Beziehungen habe.
„Der UNICEF-Bericht ignoriert zahlreiche Forschungsergebnisse, die die Schädlichkeit von Pornografie für Kinder belegen. Durch die Verharmlosung der negativen Effekte von Pornografie, spielt UNICEF Roulette mit der Gesundheit und Sicherheit von Kindern“, zitiert C-Fam Lisa Thompson, Vizepräsidentin und Direktorin des Forschungsinstituts am NCOSE. Mainstream-Pornografie sei voll von sexuellem Missbrauch, Vergewaltigung, Inzest und Rassismus – also Inhalten, die Kinder nicht konsumieren sollten, so Thompson weiter. UNICEFs beschönigende Darstellung des Einflusses von Hardcore Pornografie auf Kinder, fördere ausserdem das politische Narrativ von harmlosem Pornografiekonsum und bringe damit Kinder in Gefahr.
Safersurfing mit differenziertem Blick auf UNICEF-Bericht
Auch die in Österreich tätige Organisation Safersurfing, die auf die Gefahren der Internet-Pornografie aufmerksam macht und Wege aus der Abhängigkeit aufzeigt, sieht den UNICEF-Bericht durchaus kritisch. Pornografie im Zusammenhang mit Kinderschutz zu verharmlosen, sei sehr gefährlich und verstosse gegen die Rechte von Kindern, gab Safersurfing auf Anfrage des Instituts für Ehe und Familie (IEF) zu bedenken. Wie der bereits zitierte, an UNICEF gerichtete NCOSE-Brief aufzeigt, gäbe es sehr wohl umfangreiche wissenschaftliche Evidenz dafür, dass Pornografie Kindern und der Gesellschaft im Allgemeinen schade. Trotz dieser offensichtlichen Mängel möchte Safersurfing den Bericht jedoch nicht im Ganzen verwerfen. Insbesondere die Abschnitte, die nicht von Pornografie handeln, könne man unterstützen.
Quelle: Institut für Ehe und Familie vom 25. April 2021
Lesen Sie auch, wie von der „Allianz für Sexualaufklärung“ unter der Führung der Stiftung Sexuelle Gesundheit Schweiz die „WHO-Standards für die Sexualaufklärung in Europa“ als Grundlage für eine „umfassende Sexualaufklärung“ in der Schweiz propagiert werden: Infodossier Zukunft CH „Wenn nur sexuelle Lust übrig bleibt: Die WHO-Standards unter der Lupe“